Die Loire. Nicht umsonst widmete der Fersehkanal ARTE® Frankreichs längstem Fluß 2017 fünf stundenlange, mutig entspannt in Szene gesetzte Folgen großartiger Landschafts- und Flussbilder. Hier ein Beitrag des HR über die Loire. Die Loire ist auch in Sachen Wein unbedingt eine Reise wert. Ihre faszinierend vielfältigen Weine sind hierzulande aber bislang nur Insidern und Liebhabern bekannt. Das mag auch daran liegen, daß sie die einzige Weinbauregion Frankreichs ist, die ihre Weine nicht mindestens zur Hälfte exportiert, sondern weitgehend selber trinkt. Entlang des gesamten Flußes entstehen Weine, die urfranzösischer kaum sein können. Weiß- und Rotweine, wie sie den Franzosen schmecken, die keine vordergründige »Frucht« im Wein mögen und erst recht keine versteckte Süße; sie suchen das Trockene, das Erdige, das Ehrliche, das Untechnische und Ursprüngliche im Wein, was die zahlreichen Appellationen der Loire in Hülle und Fülle bieten.
Aus den Supermarktregalen der Welt kennt man vor allem die billigen Weine der Loire. Anonyme Händlerabfüllungen und Genossenschaftsweine prägen dort das Bild der Weine der Region. Doch zwischen ihrer Quelle im Massif Central im südfranzösischen Departement Ardèche und ihrer Mündung in den Atlantik in der Bretagne hat die Loire weit mehr zu bieten als billige Massenweine oder den weltberühmten Sancerre. Auf rund 70.000 ha produzieren dort über 4000 Winzer in 61 Appellationen entlang des 1000 km langen Flusslaufes Wein! Sie alle zu kennen ist ein Ding der Unmöglichkeit. Man kann die Wein-Reise entlang des Flußes aber als entspannte Genußreise begreifen, die einem Schluck für Schluck, Flasche für Flasche, seine spannende Vielfalt an Rebsorten, Bodenformationen, Stilen und Charakteren näherbringt.
Ob der Vielzahl ihrer Herkünfte und ihrer sich dem globalen Geschmacksdiktat selbstbewußt verweigernden Winzer taten sich die Weine der Loire im Export bisher schwer. Jetzt plötzlich boomen ihre Weine international. Das ist vor allem einer jungen, ambitionierten Winzergeneration zu verdanken, die aus ganz Frankreich an die Loire kam, weil hier bis vor kurzem Grund und Boden noch erschwinglich waren. Das ändert sich leider auch dort gerade. Immerhin hat das in den letzten Jahren für einen geradezu rasanten Aufschwung gesorgt, der enormes Interesse an der neuen Generation der Loire-Weine entfacht hat. Vom Biowein bis zum angesagten Naturwein. Die Loire gilt als das Zentrum der französischen Bio- und Naturwein-Bewegung und schmückt mit diesen Weinen die aufregendsten Weinkarten der Welt.
Das faszinierende an der Loire ist ihre Vielfalt an Appellationen und Herkünften. Sie beruht auf entsprechend unterschiedlichen Bodenformationen. Die Herkunft besorgt hier also den Charakter der Weine. Die Appellation wird zum unverwechselbaren Geschmacks- und Erkennungsmerkmal. Dieses urfranzösische Prinzip des »Ursprungs« hat sich in der Weinwelt inzwischen als das Modell schlechthin durchgesetzt, selbst und gerade in der neuen Welt! Es sorgt im perfekten Zusammenspiel mit den angestammten regionalen Rebsorten für den selbstbewusst ausdrucksstarken Charakter, der die guten Weine der Loire prägt und auszeichnet.
So fällt hier z. B. der weltweit populäre Sauvignon Blanc grundsätzlich anders aus als im Rest der Welt. Er wächst hier auf sehr unterschiedlichen Böden, die ihn stilistisch und geschmacklich von jedem anderen Anbaugebiet der Welt unterscheiden.
Die bei uns wenig bekannte, extrem spät reifende Chenin Blanc-Traube, die französischste aller Weißweinsorten des Landes, entwickelt an der Loire unnachahmliche Größe in Stil und Charakter. Sie fällt je nach Herkunft so vielschichtig und unterschiedlich aus, dass sie den Neuling zunächst zu überfordern scheint. Chenin Blanc ist tatsächlich so fordernd wie vielfältig und wird zunehmend spannender interpretiert seitens der Winzer. Sie ist ungewöhnlich haltbar und entwicklungsfähig, egal ob trocken oder edelsüß, ist unbestritten eine der großen weißen Rebsorten der Welt, die nirgendwo ähnlich mutig eigenständiges Niveau erreicht, wie an der Loire, sie muß hierzulande aber noch entdeckt werden. Noch gilt sie als Exot und führt ein Dasein im Schatten unserer deutschen Rebsorten, allen voran des Rieslings, dem sie durchaus ähnelt im Mundgefühl. Chenin Blanc steht als urfränzösische Weißweinsorte für Individualität und Charakter abseits modisch globaler Trends.
Die Rotweine der Loire ähneln auf verblüffende Weise gutem Bordeaux aus vergangenen Tagen. Die an der Loire dominierende rote Rebsorte Cabernet Franc ist direkt mit dem sehr viel populäreren Cabernet Sauvignon verwandt, riecht und schmeckt aber ganz anders. Sie profitiert an der Loire in besonderem Maß vom Klimawandel, der ihre Trauben nun physiologisch und aromatisch ausreifen lässt. Deshalb präsentiert sich Cabernet Franc an der Loire nicht mehr grün, hart und kräuterwürzig wie früher, sondern beweist faszinierend solitäres Niveau in erdig frischem, würzig mineralischem Charakter, dessen Bukett dunkle Beerenfrüchte in einem Hauch würzig erdiger Süße in Frucht und Geschmack dominieren. Faszinierende Leichtigkeit, unerwartete Dichte und belebende Frische prägen die besten Exemplare, die aus vorbildlicher Arbeit im Weinberg stammen, die sich ausschließlich dem perfekt umgesetzten Reifezeitpunkt widmet. Großer Cabernet Franc von der Loire besitzt legendäre Entwicklungsfähigkeit, seine Frische ist einmalig und bezaubernd und sein Niveau kann so eigenwillig wie eindrucksvoll sein. Nun müssen diese Weine hierzulande nur noch entdeckt werden . . .
Immer mehr Weintrinker sehnen sich nach authentischer Individualität im Meer der banal stromlinienförmigen Industrieschönlinge. Sie suchen nach Alternativen, die bezahlbar sind, ohne billig zu schmecken. Sie suchen nach Abwechslung in origineller und eigenständiger Qualität. All das bieten unsere guten Weiss- und Rotweine der Loire. Sie wagen den Mut zur Individualität. Sie stehen für bemerkenswerte Vielfalt in Stil und Charakter. Wir halten sie für eine so spannende wie hochwertige Bereicherung des Weinangebotes und empfehlen sie neugierigen Weinfreunden, die keine Angst vor Fremden und Unbekanntem, sondern Lust auf Neues und Abwechslung im Glas haben.
© K&U 2021
Die Loire. Nicht umsonst widmete der Fersehkanal ARTE® Frankreichs längstem Fluß 2017 fünf stundenlange, mutig entspannt in Szene gesetzte Folgen großartiger Landschafts- und Flussbilder. Hier ein Beitrag des HR über die Loire. Die Loire ist auch in Sachen Wein unbedingt eine Reise wert. Ihre faszinierend vielfältigen Weine sind hierzulande aber bislang nur Insidern und Liebhabern bekannt. Das mag auch daran liegen, daß sie die einzige Weinbauregion Frankreichs ist, die ihre Weine nicht mindestens zur Hälfte exportiert, sondern weitgehend selber trinkt. Entlang des gesamten Flußes entstehen Weine, die urfranzösischer kaum sein können. Weiß- und Rotweine, wie sie den Franzosen schmecken, die keine vordergründige »Frucht« im Wein mögen und erst recht keine versteckte Süße; sie suchen das Trockene, das Erdige, das Ehrliche, das Untechnische und Ursprüngliche im Wein, was die zahlreichen Appellationen der Loire in Hülle und Fülle bieten.
Aus den Supermarktregalen der Welt kennt man vor allem die billigen Weine der Loire. Anonyme Händlerabfüllungen und Genossenschaftsweine prägen dort das Bild der Weine der Region. Doch zwischen ihrer Quelle im Massif Central im südfranzösischen Departement Ardèche und ihrer Mündung in den Atlantik in der Bretagne hat die Loire weit mehr zu bieten als billige Massenweine oder den weltberühmten Sancerre. Auf rund 70.000 ha produzieren dort über 4000 Winzer in 61 Appellationen entlang des 1000 km langen Flusslaufes Wein! Sie alle zu kennen ist ein Ding der Unmöglichkeit. Man kann die Wein-Reise entlang des Flußes aber als entspannte Genußreise begreifen, die einem Schluck für Schluck, Flasche für Flasche, seine spannende Vielfalt an Rebsorten, Bodenformationen, Stilen und Charakteren näherbringt.
Ob der Vielzahl ihrer Herkünfte und ihrer sich dem globalen Geschmacksdiktat selbstbewußt verweigernden Winzer taten sich die Weine der Loire im Export bisher schwer. Jetzt plötzlich boomen ihre Weine international. Das ist vor allem einer jungen, ambitionierten Winzergeneration zu verdanken, die aus ganz Frankreich an die Loire kam, weil hier bis vor kurzem Grund und Boden noch erschwinglich waren. Das ändert sich leider auch dort gerade. Immerhin hat das in den letzten Jahren für einen geradezu rasanten Aufschwung gesorgt, der enormes Interesse an der neuen Generation der Loire-Weine entfacht hat. Vom Biowein bis zum angesagten Naturwein. Die Loire gilt als das Zentrum der französischen Bio- und Naturwein-Bewegung und schmückt mit diesen Weinen die aufregendsten Weinkarten der Welt.
Das faszinierende an der Loire ist ihre Vielfalt an Appellationen und Herkünften. Sie beruht auf entsprechend unterschiedlichen Bodenformationen. Die Herkunft besorgt hier also den Charakter der Weine. Die Appellation wird zum unverwechselbaren Geschmacks- und Erkennungsmerkmal. Dieses urfranzösische Prinzip des »Ursprungs« hat sich in der Weinwelt inzwischen als das Modell schlechthin durchgesetzt, selbst und gerade in der neuen Welt! Es sorgt im perfekten Zusammenspiel mit den angestammten regionalen Rebsorten für den selbstbewusst ausdrucksstarken Charakter, der die guten Weine der Loire prägt und auszeichnet.
So fällt hier z. B. der weltweit populäre Sauvignon Blanc grundsätzlich anders aus als im Rest der Welt. Er wächst hier auf sehr unterschiedlichen Böden, die ihn stilistisch und geschmacklich von jedem anderen Anbaugebiet der Welt unterscheiden.
Die bei uns wenig bekannte, extrem spät reifende Chenin Blanc-Traube, die französischste aller Weißweinsorten des Landes, entwickelt an der Loire unnachahmliche Größe in Stil und Charakter. Sie fällt je nach Herkunft so vielschichtig und unterschiedlich aus, dass sie den Neuling zunächst zu überfordern scheint. Chenin Blanc ist tatsächlich so fordernd wie vielfältig und wird zunehmend spannender interpretiert seitens der Winzer. Sie ist ungewöhnlich haltbar und entwicklungsfähig, egal ob trocken oder edelsüß, ist unbestritten eine der großen weißen Rebsorten der Welt, die nirgendwo ähnlich mutig eigenständiges Niveau erreicht, wie an der Loire, sie muß hierzulande aber noch entdeckt werden. Noch gilt sie als Exot und führt ein Dasein im Schatten unserer deutschen Rebsorten, allen voran des Rieslings, dem sie durchaus ähnelt im Mundgefühl. Chenin Blanc steht als urfränzösische Weißweinsorte für Individualität und Charakter abseits modisch globaler Trends.
Die Rotweine der Loire ähneln auf verblüffende Weise gutem Bordeaux aus vergangenen Tagen. Die an der Loire dominierende rote Rebsorte Cabernet Franc ist direkt mit dem sehr viel populäreren Cabernet Sauvignon verwandt, riecht und schmeckt aber ganz anders. Sie profitiert an der Loire in besonderem Maß vom Klimawandel, der ihre Trauben nun physiologisch und aromatisch ausreifen lässt. Deshalb präsentiert sich Cabernet Franc an der Loire nicht mehr grün, hart und kräuterwürzig wie früher, sondern beweist faszinierend solitäres Niveau in erdig frischem, würzig mineralischem Charakter, dessen Bukett dunkle Beerenfrüchte in einem Hauch würzig erdiger Süße in Frucht und Geschmack dominieren. Faszinierende Leichtigkeit, unerwartete Dichte und belebende Frische prägen die besten Exemplare, die aus vorbildlicher Arbeit im Weinberg stammen, die sich ausschließlich dem perfekt umgesetzten Reifezeitpunkt widmet. Großer Cabernet Franc von der Loire besitzt legendäre Entwicklungsfähigkeit, seine Frische ist einmalig und bezaubernd und sein Niveau kann so eigenwillig wie eindrucksvoll sein. Nun müssen diese Weine hierzulande nur noch entdeckt werden . . .
Immer mehr Weintrinker sehnen sich nach authentischer Individualität im Meer der banal stromlinienförmigen Industrieschönlinge. Sie suchen nach Alternativen, die bezahlbar sind, ohne billig zu schmecken. Sie suchen nach Abwechslung in origineller und eigenständiger Qualität. All das bieten unsere guten Weiss- und Rotweine der Loire. Sie wagen den Mut zur Individualität. Sie stehen für bemerkenswerte Vielfalt in Stil und Charakter. Wir halten sie für eine so spannende wie hochwertige Bereicherung des Weinangebotes und empfehlen sie neugierigen Weinfreunden, die keine Angst vor Fremden und Unbekanntem, sondern Lust auf Neues und Abwechslung im Glas haben.
© K&U 2021
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