Während man uns in Deutschland durch immere frühere Lese und reichlich Ascorbinsäurezusatz eine zitrussaure, magere, unreif grüne Grundstruktur im Wein zunehmend als »Mineralität« und »Frische« vorzugaukeln versucht, suchen engagierte Winzer im mediterranen Raum eine Frische im Mundgefühl, die sie über Lage und Böden im gekonnten Zusammenspiel mit weinbaulichen Maßnahmen zu erreichen versuchen.
Das gleißende Vormittags-Licht auf dem Bild oben zeigt, wie sehr es in Zukunft darum gehen muß, den Reben Licht für Photosynthese zu vermitteln, ihre Böden aber zugleich vor Trockenheit und Hitze zu schützen, sollen ihre Weine auch nur einigermaßen natürlich frisch wirken, ohne durch Aufsäuerung oder zu frühe Lese malträtiert zu werden. Dauerhafte Begrünung (oder je nach Standort das genaue Gegenteil), Beschattung der Traubenzone, entstressen des Rebstockes durch Verzicht auf Gipfeln und grüne Lese, Bäume und Hecken für Mykorrhizen und vieles mehr bewirken zusammen mit schonenderer Weinbereitung wahre Wunder, wie unsere Weine aus den trockenen Regionen im Süden beweisen.
Die Weine von Clos St. Vincent weisen den Weg. Insbesondere die beiden Weißweine aus der Rebsorte Vermentino, hier auch Rolle genannt, zelebrieren begeisternd mundwässernde Frische aus spürbar reif geernteten Trauben, die bei üblichem Alkohol eine vertikale Tiefgründigkeit vermitteln, deren salzig präzise Frische im Mundgefühl an große weiße Burgund erinnert. Die visionäre Ausrichtung der Terrassen nach Osten, die man den Allobrogern nachsagt, die kurz vor Christus hier ansässig waren, ist eine ganz wesentliche Voraussetzung für diese Frische.
Darüberhinaus profitieren die Weine von »Clos Saint-Vincent« heute, in Zeiten der Klimakrise, vom Zusammenspiel der lokal angestammten Rebsorten mit dem tiefgründig feuchtigkeitsspeichernden Sedimentboden, der die Reben hier, unter einem Oberboden voller Kiesel und Steine, in trockenen, heißen Jahren vor Trockenstress bewahrt; tagsüber schützt die Trauben eine permanent blasende, warme Meeresbrise vor Pilzbefall, gegen Abend werden sie von den aufkommenden Fallwinden aus den südlichen Voralpen gekühlt.
Dabei treten drastische Temperaturschwankungen auf, die schon vor hunderten von Jahren dafür sorgten, daß die Weine aus Bellet, anders als die meisten anderen im Süden, nicht oxidierten. Offensichtlich waren ihre pH-Werte so niedrig, ihre Säurewerte so gut und so stabil, daß sie ihre Frische über viele Jahre bewahrten, was damals die absolute Ausnahme war und vielfach dokumentiert und überliefert ist.
Die Terrassen von Bellet zählen zu den ältesten Rebanlagen Frankreichs. Sie sollen schon 350 v. Chr. so angelegt worden sein, wie sie heute noch existieren. Auch hier zerstörte die Reblaus Ende des 19. Jahrhunderts den Weinbau fast vollständig, wovon er sich bis heute nicht mehr erholt hat. Weil sich kaum noch jemand die harte Arbeit auf den steilen und tagsüber glutheißen Terrassen antun will, produzieren derzeit nur noch 5 Winzer Wein in Bellet. Dabei beweist »Clos Saint-Vincent« als der Leuchturm der Appellation, daß Bellet heute wie gestern für originelle, große und charakterstarke Weine eindrucksvoll vertikaler Tiefgründigkeit und würzig vibrierender Mineralität steht, die den Vergleich mit großen Burgundern nicht zu scheuen brauchen. Herausragende Weinpersönlichkeiten des französischen Südens.
Qualität mit Kriterien
Besonders sind die Preise, die für die Weine von Clos St. Vincent aufgerufen werden. So besonders wie die Lagen, auf denen sie entstehen, aber auch so besonders wie die Kriterien, nach denen sie produziert werden müssen. Schließlich stammen die Weine aus extrem harter Arbeit in steilen Terrassen, für die kaum noch Mitarbeiter zu gewinnen sind. Wer will einen solch harten Job noch machen? Wer billigen Wein will, bekommt ihn, er ist aber in Zukunft nur noch auf maschinenbefahrbaren, chemisch bewirtschafteten Rübenäckern zu produzieren.
Das Lastenheft, das sich die Appellation Bellet 1941 gegeben hat, folgt harten Qualitätskriterien. Sie würden deutschen Winzern Pickel auf die Lippen treiben: Sie beschränken den Ertrag auf nur 40 hl/ha; pro Terrasse dürfen nur maximal sechs Rebzeilen stehen, deren Abstand genau geregelt ist; Lese von Hand ist obligatorisch; Most und Weine dürfen weder auf- noch entsäuert werden, Anreicherung ist verboten. Maximal sind 3 g/l Restzucker erlaubt und die Verwendung der autochthonen Rebsorten der Appellation ist in bestimmten Prozentsätzen vorgeschrieben.
Kompromißlose Kriterien für Qualität, die den Weinbau in Frankreich zum Identität stiftenden Kulturgut erhoben haben.
Weinbau als Kulturgut
Besonders ist der Weinbau auf Clos St. Vincent. Sehr besonders sogar. Vergleichbaren Terrassen- oder Steillagenweinbau findet man heute noch an der Nordrhône, der Mosel, der Saar, der Nahe, dem Neckar, dem Dourotal und im Hinterland der Wachau.
Weil sie so aufwendig und teuer zu bewirtschaften sind, waren die historischen Terrassen, auf denen Gio Sergi heute seine Weine gewinnt, dem Niedergang geweiht. Buchstäblich gerettet haben sie die Familien Sicardi und Sergi, die 1993 das heruntergekommene Anwesen samt den Terrassen kauften und sich sofort daran machten, die alten Rebanlagen soweit möglich zu regenerieren, kaputte Terrassen zu renovieren und aufgelassene neu zu bepflanzen. Absolut visionär für die damalige Zeit war ihre Entscheidung, das Biotop und Kleinod an Natur und Wildnis nachhaltig biologisch zu bewirtschaften. Heute gehört »Clos St. Vincent« zum renommierten Biodynamik-Verband »Biodyvin«.
Zusammen mit Sohn Julien bewirtschaftet Gio Sergi heute 7 Hektar Reben auf jenen Terrassen, die ihren Weinen den besonderen Charakter verleihen. Sie bearbeiten sie von Hand und behandeln sie ausschließlich mit Tees pflanzlichen Ursprungs, sowie den biodynamischen Präparaten. Die harten, steinigen Böden beleben sie mit Kompost, Gründüngung und mineralischen Präparaten.
Lokale Rebsorten
Besonders sind auch die Rebsorten in Bellet: Die Weißweine werden aus Rolle gekeltert, einer alten weißen Sorte, die aus der Zeit stammt, als Nizza zum Königreich Savoyen gehörte, das damals eng mit Ligurien verbunden war.
Bis in die 1980er Jahre gab es Rolle nur in Bellet und im benachbarten Ligurien, wo sie Vermentino genannt wird. Von dort aus trat sie ihren Siegeszug in den Süden Frankreichs bis nach Sardinien an. Sie kommt mit Hitze und Trockenheit gut zurecht und kann in der zupackend salzig mineralischen Dichte und vertikal würzigen Komplexität, die sie auf »Clos Saint-Vincent« entwickelt, mit den großen Weißweinen der Welt mühelos mithalten, auch wenn sie sich durch selbstbewußt eigenständigen Charakter von diesen deutlich unterscheidet.
Seine Rotweine keltert Gio Sergi aus der autochthon lokalen Rebsorte »Folle Noir«. Sie durchläuft in seinem kleinen Keller lange Maischegärung, wird schonend extrahiert und lange in Barriques ausgebaut. Eine eigenwillige, intensiv duftende Aromatik in kerniger Gerbstoffstruktur zeichnet sie aus. Feines Säurerückgrat vereint Spiel und Finesse raffiniert mit grandioser Frische im Trunk. Toll, aber nicht jedermanns Sache. Alle Weine von Gio und Julien Sergi reifen zuverlässig über viele Jahre zu eindrücklichen Charakterdarstellern heran.
Wenn der Vater mit dem Sohn
Vater Gio und Sohn Julien sind ein gutes Team. Während der Vater den südländischen Lebemann gibt, der es genießt, daß seine Weine so gesucht sind, daß sie schon ausverkauft sind, bevor die Flaschen etikettiert sind, und der genau weiß, welche Weinkarten sie entlang der Küste schmücken, ist Julien eher der stille Macher im Hintergrund, der das Erbe seines Vaters bewußt und mit Leidenschaft antritt.
Ein solch erfolgreiches Weingut mit einem solch charmanten Botschafter, wie Gio (gesprochen wie der englische Joe) es ist, in die nächste Generation zu führen, ist nicht einfach. Wieviele Weingüter kennen wir, wo der Generationswechsel nicht oder nur unter großen Schmerzen geklappt hat. Hier tritt der Sohn zwar in große Fußstapfen, doch scheint ihm der Vater den Weg in die eigene Zukunft im gemeinsamen Weingut gut bereitet zu haben. Er wirkt selbstbewußt, setzt längst eigene Akzente, hat die Arbeit im Weinberg, sein Metier, gut im Griff und so freuen wir uns auf eine gemeinsame Zukunft mit Julien und Gio.
Bescheiden im Auftritt
So legendär und gesucht die Weine des kleinen Weingutes an der gesamten Côte d´Azur sind, so bescheiden ist sein Marketing. Man scheint Werbung nicht nötig zu haben, weshalb Gio und Julien fast schon provokativ an der Ausstattung ihrer Flaschen sparen.
Auf den teuersten, weil am aufwendigsten produzierten Flaschen der Côte d´Azur kleben einfachste Etiketten, die aussehen, als kämen sie aus dem Supermarkt. Genau das gefällt uns an diesem Betrieb. Er tritt äußerlich bescheiden auf, widmet seine ganze Arbeit den Weinbergen, nicht aber der Show nach außen. Während die einschlägigen Großkonzerne des Weinbusinesses ein berühmtes Weingut nach dem anderen kaufen, um mit deren klingendem Namen anschließend mit neureichen Protzflaschen um die Kohle einer reichen, aber ahnungslosen Kundschaft zu buhlen, geht es hier um den Inhalt, nicht um die Form. Genial. Diese Weine mußt du kennen, sonst wirst du sie weder suchen noch finden. Das laute Klischee kann jeder kaufen. Warum wohl wird Wein meist nach Etikett gekauft? Das Leise, das Understatement, das Raffinierte, das wirklich Hochwertige verlangt Wissen und Kennerschaft, aber kein aufwendiges Marketing. Diese Flaschen würde kaum jemand wegen ihrer Etiketten kaufen ...
Inhalt: 0.75 l (58,67 €* / 1 l)
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Inhalt: 0.75 l (92,00 €* / 1 l)
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