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Biogene Amine | Histamin


Gehören Sie auch zu den Menschen, die nach dem Genuss von Wein, Käse oder Fisch an Durchfall, Blähungen, Hautausschlag, trockenem Mund, laufender Nase, Kopfschmerz oder gar Atemnot leiden?

Man hat viel und intensiv an Wein-Inhaltsstoffen geforscht, die allergen sein können. Eine echte Wein-Allergie ist ausgesprochen selten. Allergieähnliche Reaktionen auf Wein und zahlreiche Lebensmittel-Inhaltsstoffe (wie z. B. Lactose, Gluten, usw.) haben in den letzten Jahren aber durch Luftverschmutzung (Feinstaub, Mikroplastik, usw.), durch organische Verbindungen in Textilien, Wohnraum und Lebensmitteln, durch »zeiteffiziente« industrielle Verarbeitung, durch körpereigene Reaktionen auf nichtkörpereigene Proteine in Lebensmitteln (z. B. durch gentechnisch verändertes Tierfutter in der Massentierhaltung) und durch übermäßigem Gebrauch von Hygiene- bzw. Sterilisationsprodukten dramatisch zugenommen.

Im Wein sind viele Stoffe enthalten, die Überempfindlichkeitsreaktionen hervorrufen könnten. Dazu zählen vor allem die biogenen Amine, die verschiedenen Alkohole und der Schwefel, der als einziger bisher deklarierungspflichtig ist. Als weitere Quelle unerwünschter Reaktionen vermutete man die im Wein enthaltenen Proteine, die in vielen anderen Pflanzen bereits als Allergene beschrieben werden. Insbesondere das sogenannte LTP, das Liquid Transfer Protein, rückte dabei in den Fokus, weil es als das einzige bisher bekannte Traubenallergen gilt. Doch Wein ist komplex. Seine Anbau- und Ausbaubedingungen sind höchst individuell. Ein hieb- und stichfester Nachweis für Überempfindlichkeitsreaktionen auf Proteine ist deshalb bislang nicht geglückt.

Zudem hat sich inzwischen mit dem Phänomen der Naturweine eine neue Kategorie von Wein auf dem Markt etabliert, die grundsätzlich spontan vergoren ist, meist trüb abgefüllt wird und meist auch aus ideologischen Gründen ohne oder mit kaum Schwefel vergoren, ausgebaut und abgefüllt wird. Diese Naturweine sind eine spannende und längst überfällige Rubrik und die vielleicht folgenreichste  Bereicherung des Weinmarktes unserer Zeit. Gleichzeitig offenbaren sie aber ein kaum erkanntes chemisches und mikrobiologisches Problem: Wenn ihr Lesegut nicht einwandfrei war, was mit hohen pH-Werten der Trauben verbunden ist, kann es während der Gärung durch wilde Hefestämme zu spürbaren Folgen für den Weingenuss kommen:

- Bei der Verstoffwechselung der Weininhaltstoffe sind verschiedene Enzyme beteiligt. Zum Beispiel wird Ethanol durch das Enzym Alkohol-Dehydrogenase (ADH) in Acetaldehyd umgewandelt. Dieses ist für den Körper giftig. Sind bestimmte Enzyme während der Gärung in ihrer Aktivität beeinträchtigt, kommt es zu einer Anreicherung dieses Acetaldehyds im Körper, es entsteht zunehmende Vergiftung mit den üblichen Kater-Symptomen als Folge, es kann zur Rötung der Haut führen und vieles mehr.

- Was Naturweine durch ihren »natürlichen«, also völlig ungesteuerten  Gärverlauf fast immer enthalten, sind biogene Amine. Das bekannteste, das im Zusammenhang mit Weinunverträglichkeit inzwischen fast immer genannt wird, ist das Histamin.

Im Wein werden biogene Amine vor allem während des biologischen Säureabbaus produziert. Ihre Entstehung scheint stark abhängig vom pH-Wert; sie liegen deshalb in großen Konzentrationsschwankungen im Wein vor, schwanken je nach JahrgangAnbau und Ausbau, wobei sich in Rotweinen stets sehr viel höhere Gehalte nachweisen lassen, als in Weißweinen. Die Vielzahl der unterschiedlichen Komponenten im Wein erschwert die Suche nach dem eigentlichen Auslöser einer Unverträglichkeitsreaktion. Auch, weil sich diese Komponenten gegenseitig beeinflussen und miteinander in Wechselwirkungen treten, bzw. ggf. auch in Kombination mit verzehrten Lebensmitteln. Da führt dann zusätzlich die gefäßerweiternde Wirkung des Alkohols zu verbesserter Zugänglichkeit der Pseudoallergene in die Blutbahn und es kommt zu den typischen, oben beschriebenen Reaktionen, die man dann aber meist dem Wein zuschreibt und nicht der unglücklichen Kombinationen der verzehrten »falschen« Lebensmittel mit dem Wein.


Histamin - Mittlersubstanz des Immunsystems

Biogene Amine sind Stoffwechselprodukte, die in menschlichen, pflanzlichen und tierischen Zellen auf natürliche Weise vorkommen. Sie werden durch die Decarboxylierung von Aminosäuren produziert und freigesetzt. Sie entstehen bei der Fermentation, der Lagerung und dem Verderb von Lebensmitteln. Der wichtigste und bekannteste Vertreter ist das oben schon erwähnte Histamin, doch die Familie der biogenen Amine ist groß und es gehören z. B. auch das Tyramin, das Phenylethylamin, das Serotonin, das Putrescin und das Spermidin dazu. Das Histamin spielt als Mittlersubstanz für das Immunsystem eine wichtige Rolle in unserem Körper. Es hilft im Magen-Darm-Trakt, die Magensäureproduktion zu regulieren, im zentralen Nervensystem unterstützt es die Steuerung des Schlaf-Wach-Rhythmus, usw...

Histamin wird vom Körper gebildet und in den Zellen des körpereigenen Immunsystems gespeichert. Unter bestimmten Bedingungen wird es freigesetzt. Dann kann es je nach Empfindlichkeit und Reaktion des individuellen Immunsystems zu Rötungen der Haut, Nesselsucht, laufender Nase, Juckreiz, Übelkeit und Erbrechen, Magenkrämpfen, den berühmten Kopfschmerzen nach Wein und Käse-Genuss, zu Migräneanfällen, Steigerung der Herzfrequenz (weshalb man nach Genuss bestimmter Weine nachts nicht schlafen kann), zu plötzlicher Blutdrucksenkung und Kreislaufproblemen bis hin zum Kollaps kommen.

Diese Symptome wirken wie eine allergische Reaktion; sie zählen tatsächlich aber zu den Nahrungsmittelintoleranzen bzw. Pseudoallergien, sind also nichts anderes als eine nicht-allergische Unverträglichkeitsreaktion gegenüber bestimmten Nahrungsmitteln, Nahrungsmittelinhaltsstoffen und leider auch Wein.

Das Blöde ist, dass man mit biogenen Aminen im Wein umso mehr konfrontiert wird, je natürlicher er produziert wurde. Supermarkt- und technisch produzierte Mainstream-Weine werden mit Bentoniten derart blank geschönt und behandelt, dass sie keine biogenen Amine mehr enthalten können. Das trifft noch mehr auf entsprechend beworbene »histaminfreie« Weine zu, die derart stark behandelt sind, dass sie keine Histamine mehr enthalten, aber eben auch kaum noch Geschmack oder Charakter haben. 

 

Biogene Amine - täglich auf dem Speiseplan

Biogene Amine kommen in vielen Lebensmitteln vor, die wir täglich zu uns nehmen. Dazu gehören z. B. Fleisch, Fisch (für den es als einzigem Lebensmittel Grenzwerte für biogene Amine gibt, weil sie Indikator für seine Frische sind), MilchKäse, diverse Gemüsesorten und Bier und Wein. Aber auch Ananas und Avocado, Tomaten und Auberginen, die geliebte Schokolade, Bananen, Walnüsse und Schalentiere - um nur ein paar der geläufigsten zu nennen - besitzen natürliche Gehalte an biogenen Aminen. Trotzdem ist ihr Gehalt in allen unverarbeiteten tierischen und pflanzlichen Lebensmitteln in der Regel niedrig. Erst durch ihre Verarbeitung kann es zur Erhöhung des Gehalts an biogenen Aminen kommen.


Histamine sind Eiweiß-Abbbauprodukte

Sie entstehen bei Reifung und Fermentation. Biogene Amine werden aus den kleinsten Bausteinen der Eiweiße, den Aminosäuren wie z. B. dem Histidin gebildet. An diesem Prozess sind meist Bakterien beteiligt. Deshalb enthalten viele Lebensmittel, die durch Reifung oder Fermentation hergestellt wurden, hohe Konzentrationen biogener Amine. Klassische Beispiele dafür sind bestimmte, lange gereifte Hartkäse, Rohwurst, aber auch Salami und Schinken, Sardinen in der Dose, Sauerkraut, Weißbier und im Wein vor allem Rotwein.

Biogene Amine gelten in der Nahrungsmittelindustrie als Indikatoren für Verderbnis. Sie treten z. B. als Zersetzungsprodukte in bakteriell verdorbenen Lebensmitteln auf. Das gilt besonders für Fisch und Fischprodukte. Sie enthalten leicht abbaubare Eiweißverbindungen mit hohem Gehalt an Histidin. Vor allem in Thunfisch (Sushi) und Makrelen (Jahrmarkt), die nicht mehr frisch waren, was sie sehr oft nicht sind, hat man Histamingehalte von über 1000 mg/kg gefunden. Vergiftungserscheinungen durch verdorbenen Fisch treten schon bei Histamingehalten von 400-500 mg/kg auf.

 

Können biogene Amine schädlich sein?

Biogene Amine sind in niedrigen Konzentrationen für den Menschen ungefährlich. Im menschlichen Organismus können Enzyme, Mono- und Diaminooxidasen, die Amine abbauen. Deshalb kommt es nur selten zu einer Reaktion des Immunsystems mit den oben beschriebenen Symptomen. Nur wenn es z. B. durch die Kombination eines gereiften Rotweines mit entsprechend gereiftem Käse zu einer höheren Konzentrationen an biogenen Amine kommt, kann es zu den beschriebenen toxischen Auswirkung kommen. In der Migräne-Forschung geht man zunehmend davon aus, dass es sich um Reaktionen auf biogene Amine handeln muss. Besonders das Tyramin und das Phenylethylamin, die in hohen Konzentrationen in bestimmten Rotweinen und Käse vorkommen, scheinen eine wichtige Rolle zu spielen.

Es gibt Menschen, die genetisch besonders empfindlich auf den Genuss bestimmter Lebensmittel mit den beschriebenen Symptomen reagieren. Es sind aber vermutlich nur 1 bis 3 % der Menschen, die unter einer derartigen Histaminintoleranz leiden. Bei ihnen besteht ein Ungleichgewicht zwischen Histamin und dem Enzym Diaminooxidase (DAO), das es abbauen soll. Wenn das Enzym funktioniert, merken wir von dem Histamin nichts. Arbeitet DAO jedoch nicht effizient genug, reichert sich das Histamin im Körper an und verursacht besagte Symptome. Am häufigsten betroffen sind übrigens statistisch Frauen mittleren Alters. Die Ursachen der Beschwerden zu finden ist schwierig, weil die üblichen Tests zum Nachweis von Allergien bei einer Histamin-Intoleranz nicht ansprechen.

Es kann auch die Einnahme bestimmter Medikamente zu einer blockierenden Wirkung auf die Aminooxidasen führen; vor allem aber nimmt der enzymatische Abbau der biogenen Amine in der Leber ab, je älter wir werden. Das kann dann auch zu einer zunehmenden Sensibilität gegenüber der Wirkung biogener Amine führen. 

 

Was tun, wenn biogene Amine Wirkung zeigen?

Verzehren Sie Lebensmittel möglichst frisch. Bewahren Sie Speisereste gut verpackt, gekühlt und nur über kurze Zeit auf. Essen Sie nur wirklich frischen Fisch und verzichten Sie auf Schalentiere und Fisch in Dosen. Meiden Sie gereifte Hartkäse, Rohwurst, Salami und rohen Schinken, Nüsse, Beeren, Bananen und Lebensmittel, die durch mikrobielle Fermentation hergestellt werden wie z. B. Bier und Sauerkraut.

Wenn Sie Alkohol trinken, trinken Sie dazu gleichzeitig ausreichend viel Wasser. Die Wirkung der Histamine nimmt durch Alkoholgenuss überproportional zu, das Wasser kann diesen Effekt zumindest lindern. Käse und Rotwein passen unter diesem Aspekt endgültig nicht mehr zusammen, denn ihre Kombination, wie auch die mit Sardine und Thunfisch aus der Dose, kann das histaminabbauende Enzym Diaminooxidase im Darm nachhaltig blockieren, mit den bekannten Folgen.

Treiben Sie Sport. 20 Minuten Vollast (sie müssen also richtig ins Schwitzen kommen) am Tag reichen schon, um die Leber so zu aktivieren, dass sie die entsprechenden Enzyme wieder bereitstellen kann, die Ihnen Wohlbefinden bescheren. Trinken Sie weniger und bewusster und bewegen Sie sich.


Die gute Nachricht zum Schluss

Wir deklarieren als vermutlich einziger Weinhändler der Welt den für biogene Amine so wesentlichen ph-Wert unserer Weine. Sie müssen also nicht auf den Genuss von Wein verzichten. Zur Korrelation des pH-Wertes mit dem Gehalt an biogenen Aminen im Wein gibt es, vor allem aus Österreich, wissenschaftliche Forschungen, die die Wichtigkeit des pH-Wertes als Maß für die mikrobiologische Stabilität des Weines ebenso manifestieren, wie sie für alle Histamin-sensiblen Weintrinker:innen einen immerhin groben Anhalt bieten. 

Weißwein können Sie nahezu reuelos genießen, wenn er jung ist und sein pH-Wert unter 3,4 liegt. Vorsichtig sollten Sie sein mit im Mund säurearm und breit wirkenden, reifen Weißweinen, die also wahrscheinlich einen biologischen Säureabbau (BSA) durchlaufen haben. Das sind oft GrauburgunderWeißburgunder und Chardonnay, bestimmte Silvaner und bestimmte Champagner. Beim BSA entstehen biogene Amine unter bestimmten Bedingungen. Auch hier ist der pH-Wert relevant, wir deklarieren aber trotzdem, vor allem auch aus geschmacklichen Gründen, den BSA bei jedem unserer Weißweine, also ob er ihn absolviert hat oder nicht.

So gut wie jeder Rotwein absolviert die zweite Gärung, besagten biologischen Säureabbau. Deshalb sind Rotweine grundsätzlich »gefährlich« für Menschen, die unter Histamin-Intoleranz leiden. Auch hier kann der pH-Wert die Richtung vorgeben (er sollte unter 3,6 sein). In der Weinbereitung selbst, vor allem in den beiden Gärungen, stecken im Rotwein aber so viele Fallen, die zu einem höheren Histamingehalt führen können, dass der pH-Wert leider nur ein sehr grober Anhaltspunkt sein kann.

 

Grundsätzlich gilt:

Alle Rotweine, die am Gaumen eher »säuerlich« lang wirken, sind eher zu empfehlen als jene, die breit , weich und fett auf der Zunge liegen und dort kaum Länge entfalten: BlaufränkischSpätburgunder, Nordrhône-SyrahSangioveseSt. LaurentVernatsch/Trollinger, also eher die dünnschaligen roten Rebsorten, gelten allgemein als niedriger im Histamingehalt, als die dickschaligeren bzw. säureärmer ausgebauten (also im pH-Wert höher liegenden) Sorten wie MerlotCabernetMalbec oder Nebbiolo.

Die individuelle Weinbereitung, der Zeitpunkt der Lese und alleine schon damit der pH-Wert, die Art der Gärführung und Extraktion, natürlich das Alter - und damit die Zeit der Reife auf der Flasche - können leicht zu hohen Histamingehalten führen.

Eine goldene Regel gibt es also leider nicht. Wir beschäftigen uns aber seit über 20 Jahren mit dem Thema und verknüpfen dies mit profundem Wissen um die Weinbereitung, die technische Machart und die Analytik. Rufen Sie uns an oder schreiben Sie uns, wenn auch Sie eine derartige Unverträglichkeit plagt, die mit zunehmendem Alter leider immer wahrscheinlicher wird und damit häufiger auftritt. Wir sind immerhin bislang die einzigen im Handel, die sich mit diesem Thema grundsätzlich auseinandersetzen und konnten schon vielen Geplagten wieder reuelos mäßigen Weingenußss ermöglichen.


© K&U