Biologischer Säureabbau | Malolaktische Gärung


Malolaktische Gärung (»Malo«), Biologischer Säureabbau (»BSA«), Milchsäuregärung – es kursieren viele Bezeichnungen für ein und dieselbe chemische Reaktion.

Wie der Name schon sagt, handelt es sich hierbei um eine Gärung, bei der während oder nach der alkoholischen Gärung die stets mehr oder weniger im Most oder im entstehenden Wein vorhandene aggressive Äpfelsäure in die milde Milchsäure umgewandelt wird. Deshalb »malolaktisch«, von lateinisch Malus, der Apfel, und Lactis, die Milch. 

Die Reaktion wird deshalb Säureabbau genannt, weil die Gesamtsäure im Wein durch diese Umwandlung um etwa 0,5 g/l (aus 1 g Äpfelsäure entstehen rund 0,67 g Milchsäure) abnimmt. 

In der reifenden Traube gibt es viele verschiedene Säuren. Die geschmacklich wesentlichen sind die Äpfelsäure und die Weinsäure. Sie stehen, abhängig von der Art der Bewirtschaftung, von Trockenheit und Hitze, in einem bestimmten Verhältnis zueinander und sind insofern für Gärverlauf und Mikrobiologie, sowie das Mundgefühl des fertig vergorenen Weines entscheidend. In kalten, feuchten Jahren kann die Äpfelsäure bis zu 50% des Säurehaushaltes der Trauben ausmachen. Seit die Klimakrise die Reben weltweit durch Trockenheit und Hitze stresst, sinken die Äpfelsäure-Werte in den Trauben aber zugunsten der den pH-Wert senkenden, geschmacklich milden Weinsäure. 

Die Äpfelsäure veratmtet vornehmlich bei biodynamisch wirtschaftenden Betrieben, bevor sie den biologischen Säureabbau einleiten kann. Dieser findet deshalb dann oft schon während oder kurz nach der alkoholischen Gärung statt - wenn überhaupt. In solchen Weinen dominiert dann spürbar die milde Weinsäure, die den für die Bildung biogener Amine so wichtigen pH-Wert senkt und damit Gärverlauf und Mikrobiologie des entsprechenden Weines auf natürliche Weise stabilisiert. 

Im konventionellen Weinbau sieht diese Balance von Äpfel- und Weinsäure in der Traube anders aus, weil durch die dort höheren Erträge, die kaputten Böden und oft synthetische Düngung die Physiologie in den Trauben eine ganz andere ist. Auch dort überwiegt die Weinsäure das Geschehen, doch die Äpfelsäure ist stets prominenter Bestandteil der Säurechemie, so daß die Frage der Malolaktik dort zum wichtigen Stilmittel geworden ist. Man läßt sie laufen, wenn die Natur sie absolvieren und man sie als Stilmittel einsetzen will, man leitet sie aber auch oft künstlich durch entsprechende Impfung ein, weil man, typisch Deutsch, »alles unter Kontrolle haben will«, oder man verhindert sie, wenn sie als Stilmittel nicht erwünscht ist, was für viele Riesling-Winzer gilt.

Grundsätzlich wirkt die Milchsäure geschmacklich deutlich weniger sauer als die Äpfelsäure. Man denke an den Jahrgang 2010 im deutschen Weißwein, der von der aggressiv sauren Äpfelsäure noch heute geschmacklich dominiert wird. In kühlen Jahren, in denen die Traubenreife zum Problem wird, kann ein biologischer Säureabbau für natürliche Entsäuerung sorgen, die den entsprechenden Wein wenigstens ein wenig zu harmoniseren hilft. Man erkennt dies dann an oft laktisch buttrigen Aromen und einem am Gaumen rund und etwas cremig wirkenden Mundgefühl

Unerfahrene Winzer haben oft nicht die Geduld, das Abklingen der Malolaktik in derart von Äpfelsäure geprägten Weinen abzuwarten. Sie schwefeln zu früh und fixieren damit die Bildung von Diacetyl, einem unangenehmen Aroma, das an ranzige Butter, verbrannte Milch, frischen Quark oder Sauerkraut erinnert und je nach Intensität als Weinfehler gilt.

Wie oben beschrieben, kann der biologische Säureabbau BSA je nach Art der Bewirtschaftung und Jahrgangsverlauf während oder nach der alkoholischen Gärung stattfinden. Im Rotwein ist er grundsätzlich erwünscht und wird dort auch systematisch praktiziert, ob natürlich absolviert oder künstlich eingeleitet - eine Frage der Philosophie und der persönlichen Einstellung zur Natur. Doch auch viele Weißweine gewinnen durch den biologischen Säureabbau, man denke nur an die Burgundersorten wie Chardonnay oder Weissburgunder. Für die Malolaktik spricht zum einen das veränderte Aroma und ein gänzlich anderes Mundgefühl, zum anderen die daraus resultierende mikrobiologische Stabilität. Das Absolvieren oder die Unterbindung der Milchsäuregärung sind also eine Frage der Sicherheit, aber auch der Stilistik. Natürlich hält die moderne Önologie in ihrer Trickkiste auch hierfür das passende Equipment bereit: so wie es Reinzuchthefen für die Einleitung der alkoholischen Gärung gibt, so gibt es auch Milchsäurebakterienkulturen, um Weine damit zu beimpfen und den BSA künstlich zu starten. Nötig haben dies vor allem Weingüter und Kellereien, die Trauben aus hohen Erträgen von konventionell bewirtschafteten Böden verarbeiten.

Bei Champagner und Schaumwein spielt der BSA heute eine wichtige Rolle in Sachen Stilistik

Dort werden die Trauben für niedrigen Alkohol des Grundweines besonders früh gelesen. Deshalb weisen die Trauben besonders hohe Äpfelsäurewerte auf. Daraus haben sich zwei geschmacklich divergierende Schulen in der Champagne entwickelt: Die einen lassen den biologischen Säureabbau bewußt zu, um ihre Schaumweine geschmeidiger, dichter und harmonischer in der Säure zu machen, die anderen vermeiden den BSA mit Absicht, um Champagner zu erzeugen, die zeitgeistig »mineralisch« wirken sollen, tatsächlich aber harte unreife Säure aufweisen, die an grüne, unreife Äpfel erinnert und eher etwas für Masochisten sind, als für kundige Genießer des belebenden Perlenspiels.

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