Brettanomyces (Brett)
Brettanomyces Bruxellensis ist ein Hefestamm aus der Klasse der Saccharomycetes. Nach ihm ist der entstehende Fehlton "Brett" benannt. Sein charakteristischer Pferdestall-, Leder-, Teer-Geruch ist in vielerlei Weinen zu finden. Doch selbst renommierte Verkoster:innen haben immer wieder Schwierigkeiten, den Fehler als solchen zu erkennen - z. B. scheint Robert Parker, der jahrzehntelang die Weinwelt mit seinem Geschmack dominiert hat, den Fehler als solchen nicht zu erkennen, sondern ihn sogar als positiv wahrzunehmen.
Brett kommt vor allem bei Rotweinen aus dickschaligen Traubensorten vor (da diese höhere Gehalte an flüchtigen Phenolen aufweisen) und äußert sich in animalisch duftenden Fehltöne. Die Hefen sind vielseitig: Sie verstoffwechseln bei Abwesenheit von Glucose und Fructose auch noch Zuckerarten und Zellzucker wie Xylose oder den vorher selbst produzierten Ethylalkohol. Brettanomyces-Hefen kommen in der natürlichen Hefeflora vor und sind auf Trauben und in Mosten nachweisbar. Sie sind alkoholtolerant, als schwache und langsame Gärer an der alkoholischen Gärung aber nicht beteiligt. Durch sie entstehen die Ethylphenole, die den Brett-Ton verursachen. Sensorisch relevant werden sie erst in Holzfässern- nur dort entsteht der typische Brett-Geruch. Rotweine mit hohem pH-Wert, also niedriger Säure, bei denen die schweflige Säure ihre mikrobielle Wirkung nicht ausüben kann, sind vom Befall besonders bedroht. Schlimm ist, dass diese Brettanomyces-Hefen sich auch im durchgegorenen Wein vermehren, also auch auf der Flasche, wozu sie sich geringster Mengen unvergorenen Zuckers (weniger als 1 g/l) als auch der Cellubiose aus dem Holzgefüge und den Zellen der Beerenschalen bedienen.
Besonderes Risiko steckt nach Forschungen aus den späten Neunziger Jahren auch in neuen Barriques, die noch relativ viel Cellubiose enthalten. Doch die Keime überleben sogar in den Poren von Holz, Weinstein und anderen Sedimentresten im leeren Fass bis zur erneuten Befüllung. Gebrauchte Barriques sind deshalb ideale Nistplätze für Brettanomyces-Hefen.
Als viele Bordelaiser Châteaux in den neunziger Jahren ihre gebrauchten, offensichtlich befallenen Fässer den Winzer:innen der Nordrhône, die kein Geld für neue Fässer hatten, verkauften, setzte eine Brett-Seuche an der nördlichen Rhône ein, die Jahre brauchte, bis sie eingedämmt war. Auch an der Loire führte das Mitte der neunziger Jahre in vielen Weinen aus Cabernet Franc zu katastrophalen Infektionen, die über Jahre die Weine verunstalteten. Der Kauf gebrauchter Barriques und Holzfässer gilt deshalb heute als Risiko, das beim Kauf besondere Vorsicht braucht.
Häufig zu finden ist er bei St. Laurent und Syrah zu beobachten, doch auch Tannat und Cabernet Sauvignon und Franc neigen in besonders reifen Jahrgängen mit hohen pH-Werten dazu, und in vielen sogenannten »Naturweinen«, in denen die Natur über die Kultur gesiegt hat, zeigt sich Ethylphenol nur zu häufig. Interessanterweise werden Ethylphenole von vielen Weintrinker:innen, sogar von routinierten Fachleuten, immer wieder als angenehm empfunden und sogar gezielt nachgefragt (siehe Bordeaux: Château Haut-Brion vor 1989).
Man erkennt die unerwünschte Weinkrankheit am charakteristisch süßlich-scharfen, an Pferdeschweiß oder nassen Hund erinnernden Duft, der im fortgeschrittenen Stadium des Befalls in prägnante bitumen- oder teerartige Töne übergehen kann. Im Mund wirkt der befallene Wein zu Beginn speckig, animalisch wild und besitzt häufig erhöhte Werte an flüchtiger Säure (Nagellack). Im weiteren Verlauf des Befalls kann sich der Wein auf der Flasche katastrophal entwickeln; er wird zunehmend ungenießbar. Diesen sich mit der Zeit ständig verschlimmernden Zustand erkennt man an extrem trocken wirkenden, ausgezehrt mehlig spürbaren, kurz und hart wirkenden Gerbstoffen, die den ganzen Rachen- und Gaumenbereich förmlich auszutrocknen scheinen. Der Wein verliert jede Art von Frucht und wird buchstäblich staubig und zehrend trocken m Mundgefühl, wie Leder.
Die chemischen und physikalischen Hintergründe dieser so wichtigen Weinkrankheit waren lange Zeit nicht geklärt. Erst in umfangreichen wissenschaftlichen Untersuchungen in den Achtziger und Neunziger Jahren konnte man nachweisen, dass Weine, die man als animalisch, teerig, schweißig, speckig, staubig oder erdig bezeichnete, jene schädigenden Mikroorganismen enthielten, die diesen Fehlton verursachen.
Grundsätzlich sind die Ethylphenolgehalte in Rotweinen höher als in Weißweinen, weshalb dieser Fehlton in Weißweinen (außerhalb des Naturweinbereiches) praktisch nicht vorkommt.
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