Glyphosat
Die Hersteller glyphosathaltiger Pflanzenschutzmittel beteuern die rasche Abbaubarkeit des Wirkstoffs. Warum lässt sich der Wirkstoff Glyphosat trotzdem in zahlreichen Grundnahrungsmitteln nachweisen? Man hat Spuren davon in Getreideprodukten, Hülsenfrüchten, Kartoffeln, Kaffee, Tee, Wasser, Bier und Wein gefunden.
Im konventionellen Weinbau sind Pestizide auf der Basis des Wirkstoffes weit verbreitet. Konventionell arbeitende Weingüter stehen zumindest in Europa, je nach Positionierung im Markt, unter enormem Preisdruck. Um diesem standhalten zu können, müssen sie ihre Produktionskosten im Griff haben. Das tun sie, in dem sie zum Schutz ihrer Reben vor Krankheiten und Schädlingen eine Vielzahl von Pflanzenschutzmitteln einsetzen, die ihnen von der Industrie und den Winzerverbänden mit präzisen Einsatzplänen empfohlen werden. Aktuell sind im Weinbau 259 Pflanzenschutzprodukte mit 74 verschiedenen Wirkstoffen zugelassen.
Im Bio-Weinbau sind dagegen nur wenige Pflanzenschutzmittel erlaubt. So setzen Bioweingüter gegen Pilzkrankheiten wie falschen Mehltau anstelle von chemisch-synthetischen Pflanzenschutzmittel vorbeugend Backpulver und Kupferpräparate ein, die derzeit der meistkritisierte und diskutierte Punkt im Bio-Weinbau sind, weil sich Kupfer als Schwermetall im Boden anreichert. Nach entsprechenden Alternativen wird intensiv gesucht und geforscht. Gegen den echten Mehltau setzt der Biowinzer meist auf Netzschwefelpräparate.
Glyphosat wird im konventionellen Anbau verwendet, um den Boden unter dem Rebstock »sauber« zu halten, also frei von Konkurrenzbegrünung (konventionell Unkraut genannt, obwohl es sich um nützliche Beikräuter handelt). Bio-Weingüter machen das aufwendig mechanisch.
2014 wurden in Deutschland mehr als 46.000 Tonnen Pestizide auf landwirtschaftlichen Flächen ausgebracht. Knapp ein Fünftel entfällt davon im konventionellen Weinbau. Glyphosat ist mit 67 verschiedenen zugelassenen Produkten das meistverwendete im konventionellen Weinbau; sieben weitere Produkte dürfen bis zum zum Ablauf gesetzlicher Fristen weiterhin verwendet werden.
Beim Monitoring durch die Untersuchungsämter werden immer wieder Mehrfachrückstände gefunden und in konventionell produzierten Weinen grundsätzlich mehr Rückstände als in Bio-Weinen. Untersuchungsergebnisse des CVUA Stuttgart aus dem Jahr 2011 wiesen eine 7-fach höhere Pestizidbelastung in konventionell erzeugten Weinen im Gegensatz zu Bio-Weinen nach. Rückstände in Bio-Weinen fand man in Betrieben, die sowohl konventionell als auch biologisch erzeugte Trauben verarbeiten und für beide dieselbe Filteranlage benutzten. Trotz des Einsatzes schwefel- und kupferhaltiger Pflanzenschutzmittel im Bio-Wein fand man in ihnen aber nur vergleichbaren Schwefel-, aber niedrigeren Kupfergehalt als in konventionell erzeugten Weinen.
Wir sind Weinhändler, hatten und haben aber viel mit Naturwissenschaften zu tun. Unter anderem haben wir Chemie studiert hat und können genau deshalb nicht verstehen, dass der Weinhandel die Themen Weinberg, Boden und dessen Bewirtschaftung nicht zu zentralen Kriterien von Sensorik und Weinbeurteilung macht. Sie finden im Weinhandel einfach nicht statt. Wir kennen natürlich die Diskussionen der Bio-Kritiker:innen bezüglich der Energiebilanzen, halten diese aber für wenig überzeugend.
Fakt ist, dass intensiv mit Glyphosat behandelte Agrarflächen in ihrem Bodenleben gestört bzw. weitgehend zerstört sind. Langjähriger Glyphosateinsatz führt zu einer Verdichtung der Böden, die mit der Zeit akuten Nährstoffmangel auslöst. Die Verfügbarkeit von Mangan, Bor, Phosphor, Stickstoff und anderen lebensnotwendigen Spurenelementen ist für die Pflanzen nicht mehr gesichert. Diesen Nährstoffmangel werden von oben durch Düngemittel ausgeglichen - synthetisch, versteht sich. Der daraufhin einsetzende Wachstumsschub der Rebe hat weitere Pestizid-Anwendungen zur Folge, weil sich die überversorgten Reben nicht mehr im Gleichgewicht befinden und deren Trauben z. B. zu schimmeln anfangen oder aufzuplatzen drohen. Zudem kommt es durch intensiven Glyphosateinsatz nachweislich zu einem Befall des Bodens mit gefährlichen Schadpilzen, den sogenannten Fusarien, die im Lesegut nachgewiesen werden können. Für Wein hat man diesbezüglich bereits Grenzwerte festgelegt. Ein Problem, das zunehmend akut wird und die Komplexität des Einsatzes von Glyphosat eindrucksvoll unter Beweis stellt. Doch (noch) will niemand davon wissen.
Die Branche stellt sich der Problematik nicht. Sie weiß oft zu wenig darüber, agiert inkompetent und ist desinteressiert, und so wird der Preisdruck auf dem Markt, den der Handel ohne jeden Widerspruch mitmacht und ohne Blick nach vorne weitergibt, auch in Zukunft viele Weingüter dazu zwingen, einen Großteil der Arbeit im Weinberg dem Glyphosat zu überlassen. Von Qualität braucht man dann aber nicht zu sprechen. Wenn ich dem Weingut kein Geld für seinen Wein gebe, ist es gezwungen, so zu arbeiten. Realer Alltag für die meisten Weingüter dieser Welt. Inzwischen arbeitet aber die Gegenbewegung, der wir uns widmen, so profund und kompetent im Weinberg, dass man deren Philosophie der Nichtmanipulation in Weinberg und Keller als "anders" wahrnehmen und erleben kann. Ihre Weine schmecken tatsächlich anders als "normale" Bio-Weine oder Weine aus konventionellem Agrarchemie-Anbau, fühlen sich dichter im Mundgefühl an, wirken saftiger, weicher, kompletter und charaktervoller in Stil und Profil. Der intensive Einsatz von Pestiziden führt also zu einer negativen Beeinflussung von Ausstrahlung und Mundgefühl in den entsprechenden Weinen. So wird Qualität in unserem Sinne auf neue Art und Weise fühl- und schmeckbar. Und das ist gut so.
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