Geosmin
Den unverkennbar erdigen Geruch nach einem Sommerregen kennt jeder. Geosmin heißt dieser Duftstoff, dessen Geruch man auch als Petrichor bezeichnet. Eine flüchtige Verbindung bakteriellen Ursprungs (vor allem von Streptomyces-Arten und Myxobakterien, Mikroorganismen, die im Boden leben) mit einem ausgeprägt »erdigen« bis »muffigen« Geruch. Chemisch gesehen ist Geosmin ein natürlich vorkommender bicyclischer tertiärer Alkohol.
Wenn man ihn in Trinkwasser wahrnimmt, kann dessen Qualität beeinträchtigt sein, weil das Geosmin hier auf Cyanobakterien hinweist, deren erdiger Geruch nur schwer aus dem Wasser zu entfernen ist. Er kommt auch in Pflanzen wie Kakteen oder Gemüse wie der Roten Bete vor.
Viele Lebewesen reagieren sehr empfindlich auf Geosmin. Für sie kann der Geruchsstoff abstoßend oder anziehend wirken. Fruchtfliegen z. B. warnt er vor verdorbener Nahrung, Kamele lockt er dagegen in Richtung Wasser. Wir Menschen erkennen das Geosmin in Wasser oder Wein schon bei geringsten Konzentrationen. Der Stoff ist seit 1965 bekannt und gilt heute vor allem als biologisch relevanter Signalstoff in der Tierwelt.
Wir Menschen besitzen rund 400 verschiedene Geruchs-Rezeptor-Gene. Sie können etwa 600 verschiedene Rezeptorvarianten in der Nasenschleimhaut kodieren, die für die Wahrnehmung und Unterscheidung verschiedener Gerüche verantwortlich sind. Bis heute ist die genaue Anzahl und Funktion dieser Rezeptorvarianten nicht bekannt, lediglich von etwa 20 Prozent der menschlichen Geruchsrezeptoren weiß man, welche Geruchsstoffe sie erkennen können. Das Geosmin erkennen wir immerhin schon ab winzigen Konzentrationen von 4 bis 10 ng/l.
Die Lebensmittelchemie sucht nach Detektionssystemen für Geosmin, um mit ihnen die Qualität von Lebensmitteln bei der Produktion und Lagerung überwachen zu können. Sie diagnostiziert den Geruch meist als negativ, weil er dort Verderb oder Beeinträchtigungen ankündigt, ist er doch auch für den Geruch von Schimmelpilzen verantwortlich. Und sie könnte mit solchen System auch die Wasserqualität von Süßwasserreservoirs kontrollieren.
Im Wein tritt der Geruchsstoff vor allem in spontan vergorenen Weinen aus regenerativem Anbau auf, weil er nur dort über die Wildhefe-Vergärung bis in den Wein gelangen kann, in dem er dann die bekannte Assoziation an einen Sommerregen auf trockenem Boden auslöst. Wir schätzen diesen Geruch im Wein als Zeichen von Natürlichkeit. Er stört uns dort also olfaktorisch nicht, weil er meist eingebunden vorkommt in ein komplexes mineralisch salziges Geschmacksbild, von dem wir im Duft eine ähnliche Komplexität erwarten.
© K&U 2024