Wer Küche und Wein kombinieren will, sollte ein paar Grundregeln kennen
Vor allem geht es um Empathie, denn Kochen setzt voraus, daß man riechen, schmecken und fühlen kann (und will). Essen und Trinken sind nicht nur elementar wichtig für unsere Sozialisierung, sie sind auch hochemotionaler Teil unserer nationalen, wie unserer individuell menschlichen Identität.
Genuß kann man so wenig kaufen wie das Glück. Beide fallen einem nicht in den Schoß. Genuß kann und muß man lernen. Er erfordert weder technischen Aufwand noch teures Equipment. er findet ausschließlich im Kopf statt. Wer gelernt hat zu genießen, lebt und erlebt bewußt, nimmt seine Sinne und deren Regungen aufmerksam und kritisch gegen sich selbst wahr. Wer diese Empathie für sich aufbringt, wird sie (hoffentlich) auch seinen Mitmenschen angedeihen lassen.
Machen Sie sich keinen Streß
Es geht nicht darum, die absolut perfekte Kombination zu finden (die man nur selten trifft). Es geht darum, Kriterien dafür zu entwickeln, welcher Wein zu welcher Art von Speise passen könnte. Dazu sollte man sich, bevor man kocht, ein paar Gedanken machen:
- Welche Zutaten werden geschmacklich entscheidend sein;
- welche Art von Fett verwende ich;
- womit würze ich;
- geht es eher um salzige oder um süße Grundtöne;
- sind Texturen wichtig für das Geschmackserlebnis, muß ich also Koch- bzw. Gar-Dauer beachten, und was bewirken sie dann;
- spielt Bitterkeit eine Rolle
- und vieles mehr ...
Je mehr Fragen man sich selbst zum geplanten Gericht stellt, je präziser wird man mit wachsender Erfahrung die Grundregeln des »Food Pairings« einsetzen.
Immer wieder werden wir gefragt, ob wir nicht mal »genauer« angeben könnten, wie man Wein zu Essen kombiniert. Das ist nicht so einfach, denn jeder kocht anders, jeder schmeckt anders ab, hat andere Vorlieben. Der eine verzichtet weitgehend auf Salz, dem nächsten kann es gar nicht salzig genug sein. Der eine würzt gerne mit exotischen Gewürzen, der andere setzt eher auf frische Kräuter. Sie mag Säure, er kocht süß. Endgültig scheiden sich bekanntlich deutsche Kochgeister beim Thema Bitterkeit ....
Den »richtigen« Geschmack gibt es nicht
Die »richtige« Kombination von Speis und Trank hängt ganz wesentlich an der persönlichen Empfindung von Geschmack und daran, ob man diese in Worte zu fassen vermag. Wer nicht formulieren kann, warum er etwas so kocht, wie er es kocht, und was die geschmacklich entscheidenden Komponenten sind, braucht sich über Geschmack und die Wirkung von Essen-Trinken-Kombinationen noch keine Gedanken zu machen.
Geschmack ist vor allem Gewohnheit. Man betrachte nur den Einsatz von Salz. Wenn man in Frankreich essen geht, stellt man erstaunt fest, daß dort wenig gewürzt wird und vor allem wenig Salz zum Einsatz kommt, von Zucker ganz zu schweigen. Die Franzosen verwenden hochwertig frische Lebensmittel und versuchen in ihrer Küche, deren Eigengeschmack zu fördern. Deshalb kommen Gewürze nur zum Einsatz, wenn sie dem Gericht eine ganz bestimmte Tönung verleihen sollen.
Als Ausländer ist man da manchmal geneigt, die Küche für geschmacklos und ungewürzt zu halten. Doch wenn man mal adaptiert ist, merkt man, wie man immer mehr Details in den Aromen und der geschmacklichen Tiefe zu schmecken beginnt. Da wird Salz sparsam, aber gezielt eingesetzt, stattdessen mit Texturen, also Mundgefühl und Garzeiten, gespielt, tierische oder pflanzliche Fette (Butter oder Olivenöl) raffiniert zur Geschmacksbildung eingesetzt und so die Qualität der verwendeten Grundprodukte betont. In Deutschland dominiert dagegen das Salz die Küche.
Es geht also darum, den eigenen Geschmack in seinen Vorlieben und Gewohnheiten zu hinterfragen. Dazu muß ich ihn entdecken und erleben, um ihn beschreiben zu können. Erst dann kann ich ihn schulen. Klingt kompliziert, ist aber einfacher als gedacht. Probieren Sie z. B. mal, bei Gemüsen mit Garzeiten zu spielen. Schneiden Sie sie groß oder klein und garen Sie sie dann entsprechend der Schnitt-Größe. Garen Sie sie mal in Butter, mal in Olivenöl und beobachten Sie, was passiert. Gute Rezepte basieren auf wenigen Zutaten, die man meistens vorrätig hat, und wenn es mal exotischere Zutaten sein sollen, muß man sich die eben vorher besorgen.
Wesentliche Parameter des Food-Pairings
N° 1: Je mehr Zutaten und geschmacklich relevante Komponenten, um so schwerer die Kombination.
Gut umsetzbare Rezepte bestehen aus wenigen Komponenten. Bei ihrer Präparation geht es um Mundgefühl und Texturen. Man denke an Saucen aller Art, an Mayonnaise oder Sauerrahm (also gesättigten Fettsäuren), an Säure aus Zitronensaft oder Essig und an originelle Würze durch Kräuter oder exotische Zutaten.
N° 2: Mit welchen Fetten kochen Sie?
Fette sind wahre »Harmonie-Joker«. Sie sorgen für ein rundes, cremiges Mundgefühl, unterscheiden sich aber in ihrer sensorischen Wirkung. So wirken gesättigte Fettsäuren, also tierische Fette wie Butter oder Butterschmalz stets harmonisch, aber auch ein wenig träge und schnell sättigend. Ungesättigte Fettsäuren, also pflanzliche Fette wie Oliven-, Raps- oder Sonnenblumenöl, wirken dagegen dynamisch, cremig, frisch und leicht – siehe die mediterrane Küche.
Fette überlagern Bitterkeit, Säure und Adstringenz geschmacklich nachhaltig, können aber in Verbindung mit Rotweinen, die hohen Alkohol aufweisen, metallisch schmecken.
N° 3: Kohlenhydrate
Kohlenhydrate sind höherwertige Zucker (Polysaccharide) z. B. in Stärke, Ballaststoffen, Getreide etc.
Sie sind nicht wasserlöslich, sind geschmacksneutral, haben aber enorme Wirkung auf das Mundgefühl. Sie sorgen dort für haptische Wirkung, weil sie die Oberfläche im Mund vergrößern, dadurch verstärkte Aromaflüchtigkeit bewirken und die Adstringenz z. B. von Rotweinen mindern (siehe Pastagerichte und italienische Rotweine). So reagieren die Proteine im Mehl von Brot oder Teig mit den Gerbstoffen im Rotwein und man meint, mehr Fülle im Geschmack zu erleben. Wenn man Brot oder Teig intensiv kaut, spalten sich Einfachzucker auf, die für zunehmenden Eindruck von Süße sorgen.
N° 4: Säure
Säuren können mit Salz in wässriger Lösung sensorisch so wechselwirken, daß sie sich gegenseitig puffern. Man nimmt sie dann beide kaum sensorisch wahr (der sogenannte Tequilla-Effekt). Dagegen werden Säuren in Verbindung mit Süße als attraktiv wahrgenommen. Säure in Verbindung mit rohem Eiweiß koaguliert und wird im Mund als unangenehm empfunden. Wenn man Säure mit anderen Inhaltsstoffen von Speisen reagieren läßt, bilden sich oft neue schmeck- und fühlbare Stoffe wie fruchtige Ester, haptisches Umami oder süßliche Proteine.
Die wichtigste Kombination im Food-Pairing ist eine knappe Dosis Salz in Kombination mit ein wenig Zitrone oder Limette. Damit kann man unendlich viele Essen-Trinken-Kombinationen gezielt retten. Probieren Sie es aus.
N° 5: Salz
Kochsalz bzw. Steinsalz besteht aus reinem NaCl (Natriumchlorid). Es ist billig, schmeckt rein und salzt stark und deutlich.
Meersalz besteht nur zu ca. 97 % NaCl und hat deshalb sensorische andere Wirkung. Es puffert deutlich besser als Steinsalz, schmeckt weniger salzig und liefert ein feineres, dichteres Mundgefühl, weil es mehr Mineralstoffe (vor allem Kalium) enthält.
Salzigkeit wird, siehe oben, sensorisch gepuffert durch Säure, es entsteht ein dichtes Mundgefühl, das man als harmonisch empfindet.
Grundsätzlich verstärkt Salz den Geschmackseindruck, weil es die Leitfähigkeit im Mund erhöht, was die Weiterleitung der sensorischen Reize befördert (zumal in Verbindung mit Fett und Proteinen - siehe die Wirkung von Salz auf gegrilltem Fleisch etc.).
Weil Salz wasseranziehend (hygroskopisch) wirkt, kann man mit ihm fettigen Fisch beizen. Sein Trocknungseffekt konserviert Eiweiß.
N° 6: Süße
Süße in Speisen puffert alle Arten von Bitterstoffen. Aber man sollte vorsichtig umgehen mit der Süße in Gerichten. In vielen Küchen wird zu großzügig mit Zucker umgegangen, weil er, ähnlich dem Fett, als Harmonie-Lieferant gilt.
Besser nutze man Gar-Temperatur und Gar-Dauer um natürliche Süße zu erzeugen, denn Zucker steckt in allen Arten von Kohlehydraten.
Im Wein liegt Zucker in Form von Glucose oder Fructose vor, je nach Art der Vergärung, der Traubenreife und der Art der Bewirtschaftung. Fructose besitzt dabei die höhere Süßkraft und wirkt sensorisch filigraner.
In der Kombination von süßer Speise mit süßem Wein sollte man unbedingt darauf achten, daß der Wein eine Spur süßer ist als die zu begleitende Speise. Süße gepaart mit Säure im Wein kann dabei, je nach zu begleitender Speise, eine sehr reizvolle Kombination sein.
N° 7: Bitterkeit
In der Küche geht es um die Geschmackskomponente »bitter«, wie man sie in Chicorée, Artischocken, Radicchio, alten Salatsorten etc. findet.
Im Wein geht es um Adstringenz, die sensorisch ebenfalls bitter wirkt, aber das haptisch fühlbare Austrocknen der Mundschleimhäute durch Gerbstoffe betrifft.
Bitterkeit kann man sensorisch durch Süße puffern. Aufpassen muß man mit der Kombination Bitterkeit & Salz, denn sie erhöht den Eindruck der Bitterkeit.
N° 8: Eiweiß / Protein
Proteine sind die Grundbausteine jeder Zelle. Eiweiße sind besser verdaulich, wenn sie denaturiert sind. Nicht denaturierte Eiweiße wie z. B. in Sushi, fast rohem Rindfleisch, Frischkäse und Sahnesoßen erfordern vorsichtiges Vorgehen beim Kombinieren mit Wein (hier eignen sich z. B. Orangeweine überraschend gut).
Beim Denaturieren spalten sich Aminosäureketten auf, z. B. durch enzymatische Reaktionen beim Dry Aging, durch Temperatur (im Fisch ab 0°C, im Rindfleisch bei 65°C, beim Menschen ab 43°C), durch Gerbstoffe in Verbindung mit Rotwein, durch Säure beim Marinieren und durch Einsalzen beim Pökeln (Wasserentzug = Konservierung), sowie durch Zucker & Salz beim Beizen.
Sensorisch führen Eiweiß und Säure zur Denaturierung, ähnlich der Kombination Eiweiß und Gerbstoffe/ Bitterkeit.
Eiweiß und Fett werden dagegen als harmonisch empfunden (Sahne, Butter etc...).
Eiweiß und Kohlenhydrate führen ab ca. 145°C zum sogenannten Maillard-Effekt mit seinen Gar- und Röstaromen, und das berühmte Umami-Mundgefühl entsteht durch die freie, aus Proteinen herausgelöste Aminosäure Glutaminsäure. Deshalb wird Glutamat (als das Salz der Glutaminsäure) weltweit als Geschmacksverstärker eingesetzt. Seinen Effekt nimmt man als fleischiges, würziges, dicht wirkendes, aromatisch herzhaftes Mundgefühl wahr. Dabei kommt die Glutaminsäure in allen proteinhaltigen Lebensmitteln vor. Sie wird erst durch die Freisetzung des Glutamates durch Abhängen, Reifen, Garen, Trocknen, Beizen, Fermentieren und Kauen in ihrer sensorischen Wirkung verstärkt. Vollreife Tomaten, gereiftes Fleisch, Shitake-Pilze, reifer Käse, Sojasauce, Fleisch-Fonds und Muttermilch sind bekannte Beispiele für Umami-Geschmack.
Besondere Empfehlungen zum Food-Pairing
- Schwierig zu kombinieren: Die Oxalsäure in Spinat, Artischocke, Spargel und Rhabarber macht Wein zu schaffen. Wie beim Spargel überlagert man den Einfluß der Oxalsäure am besten mit Fett (Butter oder Öl).
- Aufpassen mit Salz und Zucker-Kombinationen. Wenn es Zuviel von beidem wird, werden die zwei Rezeptoren gleichzeitig gereizt, was zu unangenehmem Sättigungseffekt führt.
- Rohes Eiweiß (z. B. in rohem Fisch oder Fleisch > Carpaccio) verträgt sich nicht mit Säure; man wähle dazu am besten maischevergorenen Weißwein mit weicher Säure.
- Fleisch und Fisch mit viel Fett können in Verbindung mit hohem Alkohol im Wein ein unangenehm metallisch schmeckendes Mundgefühl erzeugen. Eine Prise Salz kann die Kombination aber retten.
- Rohe Zwiebeln und frischer Knoblauch z. B. im Salat können durch ihre Schwefelverbindungen unangenehme ätherische Schärfe in Kombination mit Wein hervorrufen.
- Der Mythos Tomate und Wein. Wenn die Tomaten reif sind und Umami-Geschmack auslösen, salze man die Tomaten rechtzeitig vor Genuß. Dann finden eine gute Sangiovese, ein fruchtig frischer Gamay und jeder leichte, säurebetont duftige, leicht gekühlt servierte Rotwein zu perfekter Harmonie. Ausprobieren. Einmal mehr das Salz als Harmonie-Garant.
Der Wein zur Küche
Wenn man sich die Mühe macht, die eigene Küche nach obigen Kriterien zu überdenken und nun vielleicht mit weniger Komponenten, präziserer Garung und gezielterer Würzung an- zugehen, wird man feststellen, daß die Wahl der dazu passenden Weine einfacher und verständlicher geworden ist, weil man schon in der Küche die Gerichte in Aromen und Mundgefühl denkt.
Beim Food-Pairing kann man in Harmonie denken, man kann aber auch in aromatischen und strukturellen Gegensätzen denken.
Harmonie: Die Speise-Zutaten und Komponenten werden ergänzend zum Wein kombiniert (den man deshalb vorher kennen muß); man setzt auf Alkohol, Fett, Süße und Kohlenhydrate zur Erzielung von Harmonie. Man sollte dabei aber bedenken, daß Harmonie und Langeweile nah beieinander liegen können ...
Gegensatz: Gegensätzliche Wein-Speisen-Kombinationen mit Kick funktionieren vor allem mit ungesättigten Fetten, also pflanzlichen Fetten oder Ölen. Man setzt dazu in der Küche auf Säure, Frische, dichtes Mundgefühl und herbe Noten ohne Süße. Auch hier muß man den zu kombinierenden Wein vorher kennen, denn je reaktionsfreudiger und lebendiger er ist, um so überzeugender wird man ihn mit spannendem Mundgefühl in der Kombination mit der Speise einsetzen können.
Die üblichen Mainstream-Weine aus Reinzuchthefe-Vergärung reduzieren sich selbst auf simple Aromen, auf das Spiel der Säure und auf die Reaktion des Alkohols mit der Speise. Grundsätzlich werden die Aromen eines Weines höchst subjektiv wahrgenommen und besitzen deshalb für gekonntes Food Pairing kaum Relevanz. Viel wichtiger erscheint uns das Mundgefühl, also die physische geschmackliche Wirkung, für die Kombination von Speis und Trank.
Genau darauf zielen wir mit unseren Weinen aus natürlicher spontaner Wildhefe-Vergärung ab. So besitzen unsere Rotweine unmanipulierte und deshalb reaktive polymere Phenole als Gerbstoffe, und sie sind ehrlich trocken. Unsere Weißweine wirken durch die spontane Gärung weder bitter noch sauer, auch wenn sie furztrocken durchgegoren sind, sie agieren am Gaumen stets cremig und weich und ihre natürlich hohen Mineralstoffanteile verleihen ihnen intensivere und in der Kombination mit Speisen breitere geschmackliche Wirkung. Sie sind meist nur minimal geschwefelt und ihre natürliche Säure ist nicht nur in das Mundgefühl eingebunden, sondern auch in die Struktur des Weines.
Selbst wenn mal eine Küche-Wein-Kombination nicht so funktionieren will wie geplant, ist das kein Beinbruch. Betrachten Sie das Malheur als »didaktisch wertvoll«. Fragen Sie sich, was geschmacklich stört, ob es eine chemische Reaktion ist, falsche Würzung oder was auch immer. Sie lernen auf jeden Fall mit jeder Kombination von Wein und Essen dazu und bekommen ein Gefühl dafür, wie sie funktioniert oder eben auch wie nicht.
Falls Sie sich mal nicht sicher sind, rufen Sie uns an: Tel. +49 911 53 52 513. Wir freuen uns, wenn wir Ihnen helfen können. Wir tun das so persönlich wie individuell, gerne auch per Mail: info@weinhalle.de
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