Musik und Wein
Zwei von außen betrachtet verschiedene Metiers. Nähere Beschäftigung mit dem Thema führt zu erstaunlichen Parallelen in Wahrnehmung, Struktur und Interpretation. Der amerikanische Neurologe Gordon Shepherd hat dazu ein sehr spannendes und aufschlussreiches Buch verfasst: »Neuroenology. How the Brain creates the Taste of wine.« Es hat zwar nicht unmittelbar mit der Rezeption von Musik zu tun, doch ist die sinnliche Wahrnehmung von Wein durchaus der von Musik vergleichbar. Sehr spannend!
Hier ein paar Links zu Musiker:innen und Musik, die uns inspirieren - und Sie hoffentlich auch:
> Der Weltklasse-Bassist Richard Bona. Wie er die Musik seiner afrikanischen Heimat (Kamerun) in fröhlich unprätentiöser Spielfreude kommuniziert und damit Verständnis für und Interesse an der Kultur seiner Herkunft schafft, reißt uns immer wieder zu Begeisterungsstürmen hin.
> Wenn ich mal Lust habe auf großen kalifornischen Cabernet, schließe ich die Haustür ab, mache mein Taschentelefon aus, lege die Füße hoch, fülle ein großes Zalto-Glas und genieße dazu uramerikanische Musik voller Dynamik und Spielfreude, die mich immer wieder an großen amerikanischen Cabernet erinnert: Dave Weckls »Higher Ground«. Dave Weckl ist für mich, neben Steve Gadd, einer der großen Schlagzeuger unserer Tage, der (fast) alle Genres zu beherrschen scheint. Ich gebe zu, ich sehe ihn noch lieber, als dass ich ihn »nur« höre, denn er macht als Schlagzeuger Musik ähnlich dynamisch und physisch präsent, wie es nur großer, edler Cabernet Sauvignon aus dem Napa Valley im Glas kann...
> Der Bassist und Feingeist Dieter Ilg. Er lebt Musik, Küche und Wein, schreibt darüber sensibel und fachkundig und verbindet damit Menschen, die mit Jazz und dessen freiem Geist nicht unbedingt etwas anfangen können.
> Es lebe die Vielfalt, kulturell, stilistisch und künstlerisch in dieser phantastischen Aufnahme so unterschiedlicher Musiker wie Joseph Tawadros, Bela Fleck, Richard Bona, Roy Ayers, Joey DeFrancesco, James Tawadros und Howard Johnson. Bei dieser multikulturellen Aufnahme geht uns das Herz auf.
> Schlagzeuger Manu Katché. Ein französischer Weltklasse-Drummer, der schon mit Sting, Peter Gabriel und vielen anderen Weltstars tourte, ist sich nicht zu schade, auch auf kleinen und kleinsten Festivals und Hallen zu spielen. Lebt und arbeitet «bei uns« in Südfrankreich in den Ausläufern der Cevennen und ist immer wieder aufs Neue ein völker- wie kulturenverbindender Ohrenschmaus.
> Wein kann so sensibel und feinsinnig sein, so viel Aufmerksamkeit fordern, Gefühle auslösen und wohltuend entspannend wirken, zugleich aber auch intellektuell anregen, wie gute Musik. Al Jarreau, leider nicht mehr unter uns, hat unseren Werdegang als Weinhandlung über all die Jahre immer wieder musikalisch begleitet, allen Irrungen und Wirrungen zum Trotz. Wir haben ihn mehrfach live erlebt und schätzen vor allem seine innere Stimme. Sie spricht uns an wie Weine, die mit uns sprechen, uns berühren, direkt und unmittelbar. Einer seiner schönsten Songs geht, uns zumindest, unter die Haut, wie Wein, der keinen Klischees entspricht, sondern mutig für sich steht.
> Isabelle Faust packt uns immer wieder, wenn wir sie hören. Hier z. B. in einer legendären Aufnahme mit ihrem Duo-Partner Alexander Melnikov. Und ihre Interpretation der Bach-Sonaten und Partiten ist sowas von klar, rein und dabei fast schon athletisch gespielt, dass vermutlich auch jene Zuhörer:innen, die mit Bach und Barockmusik nichts am Hut haben, ihr staunend zuhören können, um ihre Musik zu »erleben«, statt sie nur zu »hören«. Sie befreit Bach von vielen Klischees und spielt ihn so nackig und ungeschminkt wie viele unserer Weine auf jene wirken, die sie auf den ersten Blick nicht verstehen.
> Der Cellist Lars Danielsson. Da vibriert es in uns. Hier in einem phänomenalen Konzert mit Leszek Mozdzer und Zohar Fresco. Legendär, wohltuend, verbindend, berührend.
> In Südfrankreich findet alljährlich im Sommer nördlich von Aix en Provence in La Roque d'Anthéron ein legendäres Klavierfestival statt. Dort lernten wir Tord Gustavsen und sein Quartett kennen, dessen Musik uns seitdem begleitet. Kristallin, transparent, analytisch von klischeehaftem Brimborium befreit, dabei treibend, ziehend, dynamisch, sentimental ohne in Kitsch abzugleiten, Musik wie große Syrah von der Nordrhône oder straffer Chardonnay neuer Generation, egal woher...
> Wir sind gegen Grenzen, sind für Vielfalt und Offenheit. Eine Musikerin, die praktisch keine Grenzen kennt und in allen Epochen zu Hause ist, sich aber vor allem alter Musik widmet, die sie in frecher Aktualität interpretiert, ist die in Paris lebende Christian Pluhar, die mit ihrem Ensemble »L´Arpeggiata« jeden Umweg wert ist. Hier nur eine von vielen Aufnahmen. Ihre Zusammenarbeit mit den legendären »Kings Singers« ist immer wieder ein Lichtblick im grauen Alltag... Und sie spielt mit ihrem Ensemble immer wieder auch mit einem der originellsten Jazz-Musiker Italiens zusammen, der es, wie sie, liebt, Grenzen zu sprengen: Gianluigi Trovesi, den wir seit vielen Jahren verfolgen, bewundern und schätzen. Seine Musik wirkt auf uns wie guter Jura-Chardonnay schmeckt...
© K&U