pH-Wert


Er ist für die Naturwissenschaft die sinnvollste Kenngröße für die mikrobiologische Qualität eines Weines. Der pH-Wert als die Summe, das chemische Zusammenspiel, aller im Wein vorhandenen Säuren signalisiert uns, wie gut ein Winzer im Weinberg arbeitet, welche Stilistik er grundsätzlich verfolgt, wie gesund das von ihm verarbeitete Lesegut war etc.

Was bedeutet der pH-Wert im Wein? Welche Parameter beeinflussen ihn?

Engagierte Weingüter mit Anspruch möchten im Keller so wenig wie möglich in die Weinbereitung eingreifen. Deshalb arbeiten sie ein langes Weinjahr hart dafür, im entscheidenden Augenblick reife Trauben so gesund wie möglich ernten zu können. Nur lebendige, also nicht verdichtete Böden und kerngesunde Trauben, die von lebendigen Böden mit den für einen reibungslosen Gärverlauf notwendigen Nährstoffen ausreichend versorgt wurden, liefern hochwertigen Most, der Wein ohne Eingriffe im Keller möglich macht. Derart engagierte Wingüter arbeiten im Weinberg vor allem für eine ausgeglichene Physiologie ihrer Reben. Durch entsprechende Bodenbearbeitung oder Begrünung, also über lebendigen Boden, können sie z. B. den pH-Wert in ihren Trauben signifikant senken und den Reifeverlauf entscheidend beeinflussen. Sie lesen ihre Trauben dann nach deren pH-Wert, um auch im Keller über einen entsprechend niedrigen pH-Wert im Most für optimale Mikrobiologie, problemlosen Gärverlauf und entsprechende Stabilität im späteren Wein sorgen - ohne die ansonsten üblichen Eingriffe der modernen KellerwirtschaftFür qualitätsorientierte Weingüter ist der pH-Wert ein wesentliches Kriterium für die mikrobiologische Stabilität eines Weines, aber auch für dessen geschmackliche Qualität.

Was ist der pH-Wert?

Der pH-Wert ist ein Maß für Säuren und Basen in einer wässerigen Lösung, wie z. B. Wein. Den pH-Wert gibt es zwischen 0 = stark sauer und 14 = stark alkalisch. Wasser gilt als säureneutral und hat einen pH-Wert, der um die 7 oszilliert (siehe Bild links).

Im Wein gilt: Je niedriger der pH-Wert, umso höher die Weinsäure, umso stabiler der Wein. Je höher der pH-Wert, also je niedriger die Säure, umso kritischer werden Mikrobiologie und Stabilität des entsprechenden Weines.

Wein weist einen pH-Wert zwischen 2,7 und 4,0 auf, wobei pH-Werte von 3,5 und höher schon kritisch sind. Der ideale pH-Wert für mikrobiologisch stabilen Wein liegt zwischen 2,9 und 3,9.

Es ist der pH-Wert, der den Energiestoffwechsel der Hefen während der alkoholischen Gärung steuert. Er entscheidet über Stabilität und Entwicklungsfähigkeit eines Weines. Sein Wert signalisiert, ob weinbautechnische Eingriffe oder Zusatzstoffbehandlungen notwendig erscheinen, also ob Hilfsmittel der Kellerwirtschaft eingesetzt werden sollten, oder nicht. 

Kann man den pH-Wert schmecken?

Wenn Winzer den Säurewert angeben, dann meinen sie damit stets die sogenannte titrierbare Gesamtsäure. Sie sagt etwas über den vordergründig schmeckbaren Säuregehalt eines Weines aus, verleiht ihm Struktur und sorgt, wenn in Balance vorhanden, für frischen und angenehm fruchtigen Geschmack. Dagegen wirken Weine mit zu niedriger Gesamtsäure flach und stumpf, sie werden weder als lebendig noch als frisch empfunden.

Das freilich ist plumpe Sensorik, auf der noch immer die gesamte deutsche Weinwirtschaft mit ihrer Qualitätsweinprüfung basiert. Sie liefert keine qualitative Aussage über Mikrobiologie, Gärverhalten und Differenzierung und keine über die geschmackliche, physisch spürbare Wirkung im Mund.

Zwar gilt noch immer der pH-Wert im Vergleich zur Gesamtsäure als das schlechtere Maß für die sensorische Säurewahrnehmung, doch halten wir mit unserer langjährigen Erfahrung einer ganz anderen, auf das Mundgefühl statt auf den Geruch eines Weines fixierten Sensorik, den pH-Wert geschmacklich für die Beurteilung der Weinqualität in Bezug auf Stil, Reife und Wirkung im Mund für die viel aussagekräftigere Größe.

Die im Wein dominierende Weinsäure, die durch die Arbeit im Weinberg in ihrem Verhältnis zur Äpfelsäure entscheidend beeinflusst werden kann, wie auch die Zitronensäure im Wein senken den pH-Wert deutlich stärker, als die unangenehm vorschmeckende Apfelsäure, die Milch- oder die charakteristisch aromatische Bernsteinsäure.

In der Traube selbst stehen Weinsäure, Apfelsäure und Zitronensäure in einem bestimmten Verhältnis zueinander, das vom Verlauf des Jahrgangs ebenso beeinflusst wird, wie durch die Arbeit im Weinberg, und dominieren die innere Chemie der Traube. In Most und Wein entstehen während der alkoholischen Gärung und des Ausbaus im Keller weitere Säuren wie Essig-, Butter-, Milch- und Bernsteinsäure. Es ist ihr harmonisches Zusammenspiel mit Zucker und Alkohol, das einem guten Wein das Gefühl von Frische und Struktur im Mund verleiht. Im weiteren Zusammenspiel mit Extrakt und Konzentration, also dem Ertrag an Trauben pro Rebstock, entsteht dann jenes Mundgefühl, das Weinqualität im Mund physisch erlebbar und fühlbar macht.


Wein mit niedrigem pH-Wert bedeutet nicht gleich sauren Wein!

Weil es die milde Weinsäure ist, die so großen Einfluss auf den pH-Wert hat, fühlt sich Weißwein mit niedrigem pH-Wert im Mund schlank an, er schmeckt aber nicht »sauer«. Wenn der Wein hochwertig ist, zieht er über die Zunge, wirkt dort vielleicht auf den ersten Blick etwas »mager«, entpuppt sich dann aber als besonders trinkfreudig und löst dann den berühmten Trinkfluss in einem wohltuend frischen, in sich konsistenten Mundgefühl aus.

Der pH-Wert hat sich als entscheidend für die biochemische und mikrobiologische Stabilität eines Weines erwiesen. Er ist auch entscheidend für die Entstehung der biogenen AmineIn der Traube ist er kurz vor deren beginnender Reife am niedrigsten, mit der Reife steigt er an. Während die aggressive Apfelsäure im Laufe der Traubenreife »veratmet« wird (besonders in warmen Jahrgängen), hört die Produktion von Weinsäure auf, wenn das Zellgewebe der Beere reif ist. Aus der sensorischen Einschätzung dieser Balance (Analyse der zerkauten Beeren und Kerne) und des entsprechenden pH-Wertes des Saftes bestimmt der erfahrene Winzer den Zeitpunkt seiner Lese und kann so Charakter und Stil seiner Weine entscheidend beeinflussen – wenn er dies beherrscht.

Im Keller schließlich ist der pH-Wert entscheidend für die Mikrobiologie des Mostes, weil im sauren Milieu kaum Bakterien überleben können. Den je nach Hefestamm, Gärtemperatur und Traubenqualität eventuell entstehenden Essigsäure- und Milchsäurebakterien könnte man mit Schwefeldioxid zu Laibe rücken, wenn es nötig erscheint.

So hat sich heute der pH-Wert zur in vielerlei Hinsicht wichtigen Kenngröße erwiesen, wenn man nicht automatisch den vielfältigen Korrekturmöglichkeiten der Kellerwirtschaft vertrauen mag. Für uns ist er nicht nur Aussage über die geschmackliche Stilistik und die biochemische Ausgangsqualität eines Weines, sondern auch für Trinkfluss, Charakter und Frische im Mundgefühl, sowie über die potentielle Entstehung biogener Amine, wie z. B. Histamin. Deshalb widmen wir ihm Aufmerksamkeit in Einkauf und Verkostung und deklarieren ihn entsprechend.


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