Phosphonsäure | Phosphonat


Seit die Zeitschrift »Ökotest« in Heft 10/2013 Weintrauben aus Bioanbau positiv auf Phosphonsäure testete, steht diese heftig in Diskussion.

Phosphonsäure ist im biologischen Anbau erlaubt als Phosphordünger, z.B. aus Algenextrakten. Es wird dort aber auch Kaliumphosphonat, z. B. im Pflanzenstärkungs­mittel Frutogard®, zur Vorbeugung gegen falschen Mehltau (Peronospora) eingesetzt. Die Wirkungsweise der Phosphonsäure scheint komplex. Die behandelte Pflanze scheint ihre eigenen Abwehrkräfte so gut aktivieren zu können, dass eine Infektion nicht nur verhindert wird, sondern das Pilzmyzel wird bei bereits erfolgter Infektion nach wenigen Tagen noch abgetötet. 

Doch Phosphonsäure kann auch als Abbauprodukt von Fosetyl-Aluminium-haltigen synthetischen Pestiziden entstehen. Um den Eintrag von Phosphonsäure im Bioprodukt vom konventionell produzierten Produkt zu unterscheiden, ist deshalb der gleichzeitige Nachweis von Fosetyl-Aluminium und Phosphonsäure notwendig. Rückstände scheinen nur vermeidbar zu sein bei Bekämpfungsmaßnahmen vor und knapp nach der Rebblüte, also Anfang bis Mitte Juni.

Die Behörden akzeptieren Befunde von Phosphonsäure in Bioprodukten (außer im Wein), Befunde von Fosetyl sind nicht erlaubt. Der deutsche Lebensmitteleinzelhandel lehnt Produkte mit positiven Gehalten von Phosphonsäure ab, was aber wenig Relevanz besitzt, weil viel zu wenig untersucht wird, und der Deutsche Frucht­handelsverband empfiehlt, sämtliche Bioprodukte auf Phosphonsäure und Fosetyl-Al zu untersuchen, was wie ein Ablenkungsmanöver wirkt in Anbetracht der zum Teil beträchtlichen Befunde bei konventionell angebauten Obstsorten.

In den 1970er Jahren entdeckte man durch Zufall, dass Pflanzen, die man mit Phosphonsäure behandelt hatte, überraschend gut gegen Ei- oder Scheinpilze (Peronospora) geschützt zu sein schienen. Man stellte neben einer vorbeugenden auch eine heilende Wirkung fest, die sogar einige Tage nach der Infektion durch den Pilz noch wirksam war. Offensichtlich wird Phosphonsäure von der Pflanze leicht aufgenommen und systemisch in ihr verteilt. Man konnte einen Transport bis in obere Organe wie die Triebspitzen, in junge Blätter, Blüten und Fruchtstände in der Wachstumsphase beobachten, wobei eine Einlagerung selbst in die Gescheine und Früchte nachgewiesen werden konnte.

Bis 2013 waren Kaliumphosphonate im ökologischen Anbau zugelassen. Wegen der Rückstandsproblematik und weil die Substanz systemisch in die Pflanze aufgenommen wird, ist ihr Einsatz aber im Bio-Weinbau seitdem verboten, was heftig diskutiert wird, denn Phosphonsäure erwies sich als gut wirksame Substanz gegen den Befall mit Peronospora und war damit im Vorblütebereich die langersehnte Alternative zum Kupfer, das sich in bestimmten Böden kritisch anreichern kann. 

Dass den Bioweingütern immer wieder vorgehaltene Kupferargument ist absolut lächerlich im Vergleich zu deren Chemiekrieg im Weinberg und insofern entschieden zurückzuweisen. Die im Biowein erlaubten Kupferdosen sind so gering, dass sie lebendigen Böden im ambitionierten Bioweinbau kaum relevante Probleme bereiten.

Die Auswirkungen des Klimawandels mit ergiebigen Niederschlägen im Jahresverlauf und einem damit einhergehenden hohen Infektionsdruck des falschen Mehltaus stellen mittlerweile fast alle Weingüter Mittel- und Nord-Europas vor große Herausforderungen. Eine einzige, nicht rechtzeitig durchgeführte Pflanzenschutz-Maßnahme kann zu erheblichen, wenn nicht katastrophalen Ertrags- und Qualitätseinbußen führen. Deshalb sind von dem Verbot vor allem die Öko-Weingüter besonders betroffen, denn ihre zugelassenen Kupferverbindungen wirken nur bis zum nächsten Regenschauer. Sie sind deshalb intensiv auf der Suche nach Alternativen zum ungeliebten Kupfer.

Die besonders Engagierten unter ihnen arbeiten inzwischen mit entsprechend raffiniertem Begrünungsmanagement und elaborierten natürlichen Pflanzenstärkungsmaßnahmen, wie dem Ausbringen von Wasserglas oder Backpulver, die sich als erstaunlich wirksam erweisen. Not macht erfinderisch, trennt aber die engagierten und kompetenten Winzer:innen immer mehr von den vielen Normalo-Winzer:innen, die sich im Bio-Bereich schwertun, Weine zu produzieren, die profunden Ansprüchen an Ökologie und Qualität genügen. Sie hoffen nach wie vor auf eine Revision des Verbots, damit sie weiterhin Wein erzeugen können, der sich zumindest »Bio« nennen darf.


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