Die Reblaus-Katastrophe
Man spricht in der Weingeschichte immer von der Reblaus-Katastrophe, die tatsächlich eine desaströse Katastrophe für Weinbau und Winzer war. Doch zuvor hatte sich schon eine andere Katastrophe ereignet, die bis heute eine der größten Herausforderungen im Weinbau darstellt: Die Einschleppung des falschen und echten Mehltaus aus Amerika.
Peronospora, der falsche Mehltau, ist eine Pilzerkrankung der Rebe, die 1878 aus Amerika nach Europa eingeschleppt wurde. Sie läßt ältere Beeren zu sogenannten Lederbeeren schrumpfen, die bei trockenem Wetter abfallen bzw. bei nassem Wetter abfaulen können. Ein starker Befall mit diesem Pilz führt zu hohen Ertragsverlusten und beinträchtigt die Qualität des Lesegutes nachhaltig.
Oidium, der echte Mehltau, ist ebenfalls eine Pilz-Erkrankung, die die Beere mit einem grauen Belag überzieht und so deren weiteres Wachstum verhindert, während das Innere der Beere weiterwächst. Dadurch platzt sie irgendwann auf und die Samen werden sichtbar, der sogenannte »Samenbruch«. Weil feuchtes Wetter die Fäulnisbildung begünstigt, können derart befallene Trauben im fertigen Wein unangenehmen Schimmelgeschmack auslösen.
Der Oidium-Pilz wurde schon 1845 aus Nordamerika nach England eingeschleppt. Dort wurde er von einem Gärtner in einem Glashaus entdeckt. Bereits 1850 hatte er sich bis nach Frankreich ausgebreitet und kurz darauf wurde er auch in Deutschland gefunden. Die Folgen waren katastrophal. Die Winzer, deren Reben von der neuen Pilz-Krankheit befallen waren, mußten ihre damals noch historischen, genetisch vielfältigen Reb-Bestände durch neue Reben aus Amerika ersetzen.
Dadurch kam es zur Einschleppung der nächsten Katastrophe von der Ostküste Nordamerikas, besagter Reblaus. Sie verbreitete sich nach ihrer Entdeckung in Südfrankreich 1863 epidemieartig in sämtliche europäischen Weinbaugebiete. Besonders hart traf es Frankreich. Zwischen 1865 und 1885 zerstörte die Reblaus, auch »Phyloxera« genannt, weil sie zur Familie der Zwergläuse, der »Phylloxeridae«, gehört, dort die Rebbestände fast aller Weinbauregionen nach der Odium-Katastrophe erneut. Die Folgen für Weinbau und Winzer waren katastrophal. Alleine in Frankreich fielen der Reblaus fast 2,5 Millionen Hektar Rebfläche zum Opfer.
In Österreich wurde sie 1874 in Klosterneuburg nachgewiesen, in deutschen Weinbaugebieten fand man sie 1874 in der Nähe von Bonn, um 1885 in Loschwitz bei Dresden, 1907 im Mosel-Saar-Ruwer-Gebiet und ab 1913 zerstörte sie die Reben im von der Sonne verwöhnten Baden. Nur auf sandig leichten Böden wie in der Camargue oder auf leichten Verwitterungsböden verschonte sie die Reben.
Bei Befall schädigen die Wurzelrebläuse (siehe Bild links) das Leitgewebe des Reb-Wurzel-Systems, wodurch es zu Wasser- und Nährstoffmangel kommt, was zum Absterben der Rebe führt. Es dauerte, bis man ein probates Mittel gegen die Reblaus gefunden hatte. Man propft heute zu deren Bekämpfung und zum Schutz vor ihrem Befall die Edelreiser unserer euopäischen Rebsorten auf reblausresistente Unterlagsreben aus Amerika auf (Vitis berlandieri, Vitis cinerea, Vitis riparia, Vitis rupestris u.v.a.m.), man »veredelt« die Rebe, wie es im Fachjargon heißt.
So unterbricht man den komplizierten Fortpflanzungszyklus der Reblaus, weshalb heute fast alle Reb-Bestände der Welt auf solchen, ihrem jeweiligen Standort in ihren Eigenschaften angepassten, amerikanischen Unterlagsreben stehen.
®K&U