Restzucker
Zucker ist eine Trivialbezeichnung für Saccharide und umfasst eine sehr unfangreiche Klasse von Verbindungen, welche in Mono- und Polysaccharide eingeteilt wird.
Restzucker im Wein löst bei ideologisch trocken trinkenden Weinfreunden negative Gefühle aus. Als wäre nur trockener Wein guter Wein. Was für eine unhistorische Sicht der Dinge! Vor der Erfindung der Reinzuchthefe war Wein ein natürlicheres Produkt als heute. Große Jahrgänge wie 1914, 1937, 1947, 1959 und viele andere wären nach »modernen« Kriterien der Önologie eine Katastrophe und hätten kaum den Appellationsstaus bekommen. Sie hatten allesamt Restzucker, weil sie spontan vergoren wurden, ihre geschmackliche Balance aber war eine Sensation, ihre Haltbarkeit und Entwicklungsfähigkeit nicht minder. Damals durften die Hefen eben noch beschließen, den Zucker nicht restlos umzusetzen. Früher war die Natur aus heutiger Sicht mit dem Makel der Nichtkontrolle behaftet, weil es damals ausschließlich um die geschmackliche Balance ging und nicht darum, mittels Technik Wein auf ein ganz bestimmten Geschmacksbild einstellen zu können.
Der moderne knochentrockene Ausbau von Weißwein ist zwangsläufig verbunden mit modernen Reinzuchthefen. Nur sie garantieren die vollkommene Vergärung natürlich vorhandener Dextrosen. Wenn die Hefen bei der Gärung den noch vorhandenen Zucker nicht mehr in Kohlendioxid und Alkohol umwandeln können, bleibt der restliche unvergorene Zucker im Wein als Restzucker enthalten. Er wird in Gramm pro Liter (g/l) angegeben, wobei Restzuckergehalte von weniger als 1-2 g/l kaum zu erreichen sind, weil es Zuckermoleküle im Wein gibt, die nicht vergärbar sind.
Noch immer gilt die Angabe des Restzuckergehaltes als für die Qualität eines Weines entscheidend. Merkwürdig unbeirrt wird er noch immer von vielen Winzern als vermeintliches Qualitätsmerkmal zitiert. Wir halten den Restzuckergehalt für KEINE Qualitätsaussage. Für uns ist das komplexe Zusammenspiel von Extrakt, Reife und Säure mit der Süße bzw. dem Alkohol viel wichtiger, weil es einen guten Wein, unabhängig von seinem Restzuckergehalt, erst richtig zum Erlebnis macht. Technisch vermeintlich perfekte Weine langweilen uns. Sie sind etwas für Technikbegeisterte und Trockenideologen. Wer lebendigen, charaktervollen Wein zu genießen versteht, wird über dessen Ausstrahlung und Balance staunen, nicht aber über seine Werte und die damit verbundenen Dogmen. Sie finden deshalb ideologisch trockene Weine kaum bei uns. Wir bevorzugen Weine von Weingütern, die jene Technik ablehnen, die meint, Wein »verstehen« zu können.
Übrigens ist es nicht allein die Restsüße, die einen Wein »süß« erscheinen lässt. Ein hoher Säuregehalt z. B. kann dazu führen, dass ein Wein trotz vorhandener Restsüße trocken oder gar sauer schmecken kann. Weil die Angabe des Restzuckergehaltes (RZ) aber für Diabetiker:innen und jene Konsument:innen, die auf Zucker in der Nahrung verzichten möchten oder müssen, von Bedeutung ist, geben wir den Restzuckergehalt unserer Weine, soweit er uns bekannt ist, gerne an. Für Diabetiker:innen wäre übrigens die bei spontan vergorenen Weinen faktisch unterschiedliche Vergärung von Glucose- und Fructose als getrennte Angabe sinnvoll, weshalb wir ggf. in der Weinbeschreibung darauf hinweisen.
© K&U