Schimmel auf dem Korken
Immer wieder werden wir kontaktiert, weil außen auf dem Kork Schimmelbefall reklamiert wird.
Der Schimmel sitzt außen auf dem Korken, nicht innen! Wein kann nicht schimmeln, weil sein pH-Wert zu niedrig ist, Schwefel, vor allem aber Alkohol als Protektor fungieren, und der Schimmel nicht durch den Korken in den Wein diffundieren kann. Das läßt das Material Kork nicht zu. Der Schimmel sitzt also ausschließlich außen auf der Oberfläche und ist völlig harmlos.
Die Frage, ob Kellerschimmel bzw. überhaupt Schimmelpilze den Wein in der Flasche beeinflussen können, hat schon 1905 den damaligen Chef der Geisenheimer Obst- und Weinbauschule, Julius Wortmann, beschäftigt. Er schrieb in seinem Buch »Die wissenschaftlichen Grundlagen der Weinbereitung und Kellerwirtschaft« im Jahr 1905, daß »gar mancher alte, gute Wein durch die Wirkung von »Rhacodium cellare« (dem Kellerschimmel) leer und matt gemacht oder geschmacklich herabgesetzt wurde«.
Doch Wortmann hat diese Behauptung, die bis heute noch in der Weinbranche zu kursieren scheint, nie experimentell überprüft, sondern lediglich aufgrund des Augenscheins konstatiert. Er berücksichtigte nicht, daß, wie spätere Untersuchungen ergaben, Kellerschimmel den Wein gar nicht angreifen oder beeinflussen kann, weil ihm die Konzentration an Alkohol zu hoch ist. Seine Pilzhyphen werden schon bei 1,5 Vol.% im Wachstum gehemmt, ab 2 Vol.% werden sie abgetötet.
Einer seiner Nachfolger in Geisenheim, Prof. Hugo Schanderl, konnte in den 1950er Jahren final nachweisen, daß die Behauptung seines Amtsvorgängers falsch war. Seine physiologischen Versuche zeigten vielmehr, daß die Erfahrung alter Kellermeister, daß nämlich Kellerschimmel die Luft im Keller »reinigen« würde, tatsächlich stimmt.
Bereits 1939 wurde nachgewiesen, daß Kellerschimmel zum Wachstum eine relative Luftfeuchtigkeit von 85% braucht, zur Sporenbildung sogar 89%. Sein Wachstum in einem Keller ist also Beweis für eine relative Luftfeuchtigkeit von 85%. Die eher kärgliche Ernährung durch Kondensation von in der Kellerluft nur in Molekülgröße vorhandenen organischen Verbindungen erklärt das langsame Wachstum solcher Kellerschimmelkulturen. Man findet sie heute nur noch in alten historischen Weinkellern an der Mosel, in Burgund und anderswo, in denen ohne Unterbrechung Wein lagerte. Eine wunderbare Symbiose, die dem Wein nie geschadet, sondern seiner Entwicklung eher genützt hat, wie man heute weiß. Sie geriet aber durch unseren modernen Sauberkeitsfanatismus nachhaltig in Verruf. Diesen Schimmel zu entfernen und »sauber« zu übertünchen ist ökologische Barbarei, die für geschichtsloses Unwissen und bedauerliche Gedankenlosigkeit steht.
Wie kommt nun Schimmel auf unsere modernen Korken ?
Wenn ein Betrieb seine Flaschen abgefüllt hat, kann er sie entweder sofort etikettieren und anschließend verpacken, um sie zu einzulagern oder zu verschicken. Für die frisch eingebrachten Korken kann das wenig sinnvoll sein, denn sie sitzen oft nicht richtig, dichten noch nicht vollständig ab, und so kann der Wein in den ersten Stunden nach der Füllung entlang des Korkens Richtung Flaschenhals vordringen, was man, wenn man die Flasche öffnet, sofort erkennen kann.
Früher, als man noch Zeit hatte, hat man die frisch gefüllten Flaschen ein paar Tage aufgestellt, damit sich der Korken in der Flasche einrichten und damit dicht schließen kann. Time is money verhindert diese Sorgfalt heute häufig, mit den beschriebenen Konsequenzen.
Oder der Betrieb füllt die Flaschen, etikettiert sie aber nicht, sondern legt sie zu einer ersten Flaschenreife in den Keller. Wenn es dort, wie häufig, feucht ist und deshalb vielleicht der oben beschriebene Kellerschimmel für gute Atmosphäre mit konstanter Temperatur und Feuchtigkeit sorgt, befällt dieser Schimmel zunehmend auch die dort eingelagerten Flaschen und damit zumindest in geringem Maß auch die Korkoberfläche. Wenn dann die Flaschen in den Handel gebracht werden sollen, werden sie gewaschen, etikettiert und verpackt. Dabei kommt auch die Kapsel über den Flaschenhals. Wenn die Atmosphäre ab diesem Zeitpunkt nicht zu trocken ist, was sie für den Korken nicht sein sollte, wächst der noch mikroskopisch auf der Korkoberfläche befindliche Schimmel wieder und ist damit – Achtung ! - ein Zeichen dafür, daß die Flasche bis dahin in guter Atmosphäre lag. Ist diese zu trocken, kann kein Schimmel entstehen, doch kann langfristig der Korken austrocknen und die Flasche dann undicht werden.
Für uns überreinliche Städter hat Schimmel stets etwas Abstoßendes, was oft auch berechtigt ist. Wir wittern bei jedem Schimmel Schaden. Doch nicht jeder Schimmel ist gleich tödlich. Schon gar nicht der, der auf den Korken Ihrer Flaschen sitzt. Der ist normal, weist auf Sorgfalt in Abfüllung und Reifung seitens seines Winzer hin und ist nachweislich harmlos.
Sollten Sie dazu wissenschaftliche Erkentnnise benötigen, geben Sie uns Bescheid, wir werden Sie gerne damit versorgen.
© K&U