Am Montag, den 23.12., haben wir von 10:00 bis 16:00 Uhr geöffnet!

Von 12:00 - 16:00 Uhr Verkostung der Weine von D.S. Bio aus dem Latium, Danilo Scenna ist persönlich anwesend

Tannine


Siehe auch >> Gerbstoffe


Alles, was Sie in einem Rotwein sehen, riechen und fühlen (Rotwein-Geschmack zu beschreiben ist unmöglich, ihn in seiner physischen Beschaffenheit zu erfühlen, ist aber sehr wohl möglich), stammt aus der Beerenschale. Die Beerenschale ist dunkel, das Fleisch der Beere fast immer farblos. 

Es gibt im wesentlichen nur zwei Arten blauer Rebsorten: Dickschalige und dünnschalige.

Dickschalig ist z. B. Cabernet Sauvignon. Das heißt kleine Beeren, wenig Saft, dicke Schale, also dunkle Farbe und vor allem viel Gerbstoff. Im Duft also weniger offen, hell und fruchtig, als eher dunkel, man riecht den Gerbstoff buchstäblich in Form von Aromen, die an Leder, Holz und blauschwarze kleine Beeren erinnern.

Farbintensität und Gerbstoff stehen hier in einem natürlichen physikalischen Zusammenhang.

Ist ein Rotwein extrem dunkel und besitzt er eine nicht dazu passende Gerbstoffdichte, ist er entweder in der Farbe manipuliert durch Zusatz eines entsprechenden Konzentrates wie Mega Purple oder Rossissimo oder er wurde über Schönungen (z. B. mit PVPP, Albumin etc.) in den Gerbstoffen weichgespült oder diese gar weitgehend rausgeschönt.

Dünnschalig sind Rebsorten wie Spätburgunder/Pinot Noir. Da riecht man sehr viel mehr rotfruchtige, helle, würzige Aromen und die Farbe fällt, weil die Beeren im Verhältnis mehr Saft als Schale haben, zumeist heller, aber zumindest transparenter aus, als bei den dickschaligen Rebsorten. Man riecht dünnschalige Rebsorten sofort, weil sie mehr nach dem Saft als nach der Schale duften. Das ist unschwer zu erkennen.

Im handwerklichen Weinbau steuert der Rotweinwinzer die Qualität seiner Gerbstoffe maßgeblich über die Reberziehung, also die Art der Laubwand-Stellung seiner Reben. 1 kg Trauben brauchen ungefähr 1,5 qm Blattfläche, um physiologisch und in Folge geschmacklich richtig ausreifen zu können.

In den blauen Schalen stecken zum Schutz vor Freßfeinden die Polyphenole, also die Gerbstoffe, die nichts anderes sind als Polymerketten, an denen außen die Farbstoffe, die sogenannten Anthocyane, hängen, die sich je nach Rebsorte in ihrer Pigmentdichte unterscheiden.

Syrah z. B. ist zickig weil dünnschalig, besitzt aber als eine der großen Ausnahmen der Natur die höchste Pigmentdichte an Anthocyanen. Sie duftet also expressiv, weil sie dünnschalig ist, hat deshalb auch sehr feine Gerbstoffe bei schlanker, kühler Struktur im Mund, bei aber massiver, tischdeckenfärbender dunkler Farbe.

Handwerklich arbeitende Winzer zerkauen kurz vor der Lese an verschiedenen Stellen im Weinberg Beeren und versuchen einzuschätzen, welches Verhältnis von Schalendicke zu Saft ihm die Natur in diesem Jahr beschert hat. Trockenheit und Hitze wie in den letzten Jahren sorgen z. B. für immer kleinere Beeren mit immer weniger Saft aber immer dickeren Beerenschalen. Diese während der Weinbereitung so auszulutschen, daß ein nicht zu konzentrierter, mit Gerbstoffen massiv beladener Wein entsteht, ist eine der großen Herausforderungen, vor die der Klimawandel die Rotwein-Winzer der Welt stellt.

Der Ruf nach entsprechender Keller-Chemie ist schnell dagewesen, den Katalog von ScotLab haben Sie ja. Schauen Sie nur mal unter Fining/Schönung. Dort haben Sie die ganze Liste an Hilfsmitteln, vor allem PVPP, mit dem man die Gerbstoffe weichspülen und manipulieren kann.

Wie macht man Rotwein?

Rotweinherstellung ist im Prinzip Low-tech. Sie brauchen dazu einen großen Eimer und Trauben.

Wenn die Trauben organoleptisch, also geschmacklich, reif sind, was sie sind, wenn die Kerne reif schmecken beim Zerkauen, werden sie geerntet. Die Beeren hängen dabei an den Rappen, den Stielen.

Dickschalige Rebsorten werden, damit nicht noch mehr Gerbstoffe = Tannine in den Wein extrahiert werden, als eh schon vorhanden sind, beim Keltern entrappt. Dabei werden die Beeren vom Stielgerüst getrennt. Je hochwertiger die Qualität des Lesegutes und damit des späteren Weines, um so schonender (also langsamer) geschieht dies.

Bei billigen Weinen geschieht das Rebeln schnell und kontinuierlich, weil es ja um riesige Mengen an Trauben geht. Da spielen die Gerbstoffe keine Rolle, sie werden und müssen hinterher im Keller ohnehin bearbeitet werden.

Dünnschalige Rebsorten, allen voran Grenache und Pinot Noir = Spätburgunder, brauchen manchmal etwas mehr Gerbstoff im fertigen Wein, um Struktur zu entwickeln. Da beläßt man dann die Beeren an den Stielen, entrappt also nicht, sondern verwendet entweder alle Rappen oder beläßt einen gewissen Prozentsatz im Most, um diesen dann in Kontakt mit den ganzen Beeren, die noch an ihren Rappen hängen, im zunehmend entstehenden Alkohol des Mostes einzumaischen und zu extrahieren. Dabei werden dann neben den Gerbstoffen aus den Beerenschalen auch die grüneren, konzentrierten Gerbstoffe aus den Stielen und Stängeln, den Rappen, extrahiert. Sie sorgen für sehr viel mehr Gerbstoff-Dichte im Most, verleihen ganz andere Aromatik, mehr Struktur und vor allem extreme Langlebigkeit des späteren Weines.

Schon die Verwendung der Rappen entscheidet bei der Rebsorte Pinot Noir überall auf der Welt über den Stil der Weine. Deshalb gibt es »DEN Burgunder« nicht, denn jeder Winzer versucht über wechselnde Anteile an Rappen im Verhältnis zum Saft aus den Trauben seinem Wein mehr Körper und Struktur zu vermitteln, je nach Jahrgang unterschiedlich, so daß es gerade bei den dünnschaligen Rebsorten so unglaublich unterschiedliche Weinstile gibt, wie es Winzer gibt. Das erklärt auch, warum jeder Jahrgang anders schmeckt, je nach Verhältnis von Saftausbeute zu Schalendicke .... usw. usw.... ein weites Feld. Aber all das kann man schmecken, wenn man weiß, was man schmecken muß.

Also:

Die große Kunst des Winzers ist es, abzuschätzen, wie lange er, abhängig von Biologie und Chemie des Jahrgangs, also von Saftausbeute zu Beerenschalendicke, die Extraktionsphase wirken lassen will. In diesen Stunden entsteht die Qualität der Gerbstoffe, entsteht das, was man hinterher im Rotwein bewundert oder ablehnt. Die schmeck- und fühlbare Physik der Gerbstoffe.

Dazu braucht es viel Erfahrung und Können, um einen Rotwein zu keltern, der präsente und massive, aber eben auch gute, lange nachwirkende Gerbstoff-Ketten in den Mund bringt.

Wenn der Winzer meint, daß es reicht, nimmt er den Wein von der Maische und presst ihn, so dass die groben Feststoffe entfernt werden. Er kann auch nur den Vorlaufmost verwenden, was viele unserer Winzer tun, indem er unten in seinem Gärbehälter ein Ventil öffnet, so daß nur der entstandene Saft ausläuft, der ganze restliche Schlodder wird weggeworfen.

Dieser Vorlaufmost ist der edelste Teil der Rotweingewinnung. Er kommt dann ins Faß bei hochwertigem Wein und wird dort dann fertig ausgebaut.

Wenn man den restlichen Schlodder auspreßt, gewinnt man den sogenannten Preßmost. Der ist weniger fruchtig, ist kerniger und deftiger in den Gerbstoffen, wirkt robuster, rustikaler, matter und mehliger in den Gerbstoffen, kann aber oft dem Vorlaufmost je nach zugesetztem Prozentsatz an Volumen durchaus etwas mehr Struktur, Tiefe und Kraft geben. Winzerkunst....

Der ambitionierte Rotweinwinzer fokussiert also einen Großteil seiner Maßnahmen vom Weinberg bis zum Ausbau des Weines auf die Gerbstoffe. Bei der Reifung des Weines versucht er, diese Polyphenole durch Kontakt mit Luftsauerstoff zu polymerisieren z. B. durch den Ausbau im Holzfaß. Die dabei entstehenden Polymerketten sind schließlich länger als die Geschmackspapillen auf der Zunge und können sich dort nicht mehr festsetzen. Sie humpeln also nicht mehr über unsere Zungen wie über Kopfsteinpflaster wo sie bildlich gesprochen die Ritzen verstopfen, und dabei das stumpfe, matte Gefühl verursachen, das billige Rotweine auslösen, die sich so wirken, als hätte einem jemand Mehl auf die Zunge gestreut, sondern sie gleiten samtig, dicht, aber eben angenehm präsent und physisch spürbar über die Zunge.Richtig gute Rotweine transportieren dabei in den Gerbstoffen alle Informationen, die ihnen der Winzer das Jahr über mitgegeben hat, also Frucht, Aromen, Tiefe, physisches Vergnügen als fühlbare Qualität im Mund, die dann unmittelbar auch Indikator für den Preis des Weines sein kann.