Wenn Leidenschaft auf Glück trifft
Mit seinen originellen und eigensinnigen Weinen machte sich Serge allen Unkenrufen zum Trotz schnell einen Namen. Nicht nur in Frankreich, wo er in den Pariser Naturwein-Bars zur festen Größe avanciert ist, sondern auch in vielen anderen Ländern Europas. Sogar in New York und Kalifornien stehen seine Weine auf den Karten ambitionierter Restaurants und engagierter Importeure.
Deshalb ist seine kleine Produktion meist schnell ausreserviert. Das verdankt er vor allem der so lebendigen wie präsenten Naturwein-Szene, die inzwischen auf der ganzen Welt vor allem bei einem jüngeren Publikum enormes Interesse an der sogenannten »Natur im Wein« geweckt hat.
Weil seine Weine nicht, wie so viele Naturweine, »natürlich« fehlerhaft sind, sondern sich trotz minimaler Schwefelung und maximal natürlichen Ausbaus wohlschmeckend, lebendig, ehrlich und trinkfröhlich präsentieren, finden sie das Interesse entsprechend engagierter Gastronomen und Händler. Da war der weinmachende Postbote zur rechten Zeit am rechten Ort.
Naturwein bedeutet: keep it simple
»Schön« sieht er nicht aus, der Keller von Serge Scherrer. Er braucht moderne Technik, um seine Trauben maximal schonend verarbeiten zu können. Weil er - abhängig von der Qualität des Lesegutes - erst bei der Abfüllung zum ersten Mal schwefelt, muß er Trauben und Wein so sauber wie möglich verarbeiten. Deshalb setzt er auf Edelstahltanks, auch weil er sich die Holzfässer, die er gerne hätte, nicht leisten kann. Trotz extrem niedriger Erträge durch Hitze und Trockenheit und aufwendiger Handarbeit im Weinberg kann und will er die Preise für seine Weine nicht erhöhen. Sie sollen sich ohne Druck verkaufen, die Bank zufriedenstellen und seine Familie ernähren.
Seine Idee des Naturweines hat Serge schnell erklärt: Seine Trauben müssen mikrobiologisch und in pH-Wert, Physiologie und äußerer Beschaffenheit so »gesund« sein, daß er auf die Zusatzstoffe, Gärhilfen oder Schönungsmittel der Önologie verzichten kann. Um seinen Weißweinen mehr Substanz und Griff im Mundgefühl zu verleihen, verarbeitet er deren Trauben z. B., siehe Bild rechts unten, per schonender Ganztraubenpressung. Dazu steckt Serge immensen Aufwand in die Arbeit im Weinberg, weil nur kerngesunde, entsprechend mit Nährstoffen versorgte Trauben spontane Gärung ohne Eingriffe und ohne mikrobiologische Fehltöne möglich machen. Grundvoraussetzung für mehr Natur im Wein sind deshalb für ihn:
Lese von Hand
Es mag andere Stimmen geben, aber es ist unbestritten, daß hochwertig natürliche Weinqualität nur aus Handlese stammen kann. Nur sie gibt dem Winzer die Freiheit, die Trauben individuell zu verarbeiten, sei es als ganze Traube, also mit Stiel und Stängel, sei es mit Maischestandzeit oder gar auf der Maische vergoren. Es geht hier auch um eine Geisteshaltung, eine Philosophie, ein Selbstverständnis als Winzer - und um ein Statement zur eigenen Größe, denn nur wer die für seine Möglichkeiten richtige Betriebsgröße hat, kann in Zeiten der Klimakrise, die mit ihren Wetterextremen ein immer kleineres Zeitfenster für die Ente läßt, von Hand ernten. Alle anderen müssen die Trauben mit dem Vollernter reinholen, was zwangsläufig Standardisierung bedeutet. Handlese kostet übrigens etwa drei- bis fünfmal mehr als mechanische Ernte.
Auslese im Weinberg
Man sieht es im Bild: Die Klimakrise führt zu Sonnenbrand, aber auch zu immer erratischerem Befall an echtem und falschem Mehltau; Wildschweinfraß kostet manche Winzer einen guten Teil ihrer Ernte, die Kirschessigfliege befällt rote Trauben und sorgt für Fäulnis ...
Wer gesunde Trauben verarbeiten will, muß schon bei der Lese auf Hygiene und Gesundheitszustand der Beeren achten. Ein Großteil der Zeit während der Ernte geht inzwischen in die Auslese enstprechend befallener oder geschädigter Beeren.
Wer mit der Maschine erntet, leistet sich die eigentlich nötige Vorlese meist nicht. Er muß deshalb hinterher im Keller chemisch-physikalisch »schönen« und reparieren, was draußen im Weinberg nicht an Vorarbeit geleistet wurde.
Gesundes Lesegut
Gesundes und chemisch nicht kontaminiertes Lesegut ist Grundvoraussetzung für spontane Vergärung und Ausbau ohne die Manipulationen und Zusatzstoffe der modernen Önologie. Wer Wein ohne Eingriffe natürlich ausbauen will, setzt deshalb auf eine letzte Auslese am Rütteltisch unmittelbar vor der Kelter.
Dabei geht es nicht um homogen reifes Lesegut oder um gleichgroße Beeren, auch wenn manche »Spitzenweingüter« glauben, dies mittels lichtoptischer Vermessung nach Größe und Reifezustand anstreben zu müssen. Es geht dabei ausschließlich um das Aussortieren fauler und stilistisch unerwünscht unter- oder überreifer Beeren. Unterschiedliche Reifezustände sind heute oft sogar erwünscht, sorgen sie doch für geschmackliche Spannung und das Gefühl von Lebendigkeit im Wein.
Serge Scherrers Werdegang vom Postboten zum Winzer haben wir vom ersten Tag an begleitet. Dafür dürfen wir ihn heute das Weinjahr hindurch in seinen Reben begleiten. Wir ernten mit ihm und assistieren bei der Weinbereitung. Die Probleme, aber auch die Vorteile des biologischen Weinbaus konnten wir so hautnah und praktisch kennenlernen. Die Umsetzung eines Jahrgangs in unmanipulierten Wein, der die Eigenschaften des Jahresverlaufs ungeschminkt und unkorrigiert widerspiegelt, hat uns nicht nur tiefe Einblicke in die nicht immer einfache Realität des Winzerdaseins beschert, sondern auch die Augen geöffnet in Sachen Technik, Weinbereitung und Önologie.
Deshalb fragen wir uns heute, warum im Wein so selten die Wahrheit gesagt wird?
Warum herrscht in dieser Branche so haarsträubende Intransparenz, auch und gerade im Biowein? Warum lügen uns so viele Winzer im direkten Gespräch und auf ihren Homepages so vorsätzlich an? Die Antwort ist einfach:
Sie halten uns für blöd ...
... doch dies zu entlarven fällt nicht schwer: Kennt ein Winzer seine Böden und Reben nicht wirklich, macht er im Weinberg etwas falsch und die Natur ihm einen Strich durch die Rechnung. Kann die Natur dort nicht das liefern, was der Wein braucht, muß er ihn zwangsläufig mit den Mitteln der modernen Önologie geschmacklich reparieren. Das wird er kaum zugeben, weil es zeigt, daß er, wie so viele andere auch, den Vorstellungen seitens der Kunden, des Handels und der Presse vom vermeintlichen »Naturprodukt Wein« nicht entsprechen kann. Also hält die Branche dicht und vermeidet es um jeden Preis, über diese dunkle Seite des Geschäftes mit dem Wein zu informieren.
Deshalb sind wir vor Ort unterwegs, denn wenige Blicke in den Weinberg und ein paar Minuten Gespräch im Keller reichen uns, um festzustellen, ob wir offen und ehrlich informiert werden. Leider haben viele Winzer weder das Rückgrat noch das Können, sich dem höchst »effizienten« System der Agrarchemie und deren »korrigierender« Önologie zu widersetzen. Sie haben sich damit abgefunden, Wein für die Klischees des Marktes und den Gusto ihrer Kunden zu »machen«, statt ihn im Einklang mit der Natur »entstehen« zu lassen. Nur wenige sind bereit, sich ihrem riskanten Handwerk so ehrlich und selbstkritisch zu stellen, wie es Serge Scherrer in aller Bescheidenheit praktiziert. Wir verdanken ihm diesbezüglich viel Wissen und Erfahrung, die er mit uns stets in aller Offenheit und Transparenz geteilt hat.
Merci beaucoup, Serge, pour cette superbe expérience!
Inhalt: 0.75 l (18,00 €* / 1 l)
Inhalt: 0.75 l (19,87 €* / 1 l)
Inhalt: 0.75 l (20,00 €* / 1 l)
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Inhalt: 0.75 l (22,00 €* / 1 l)