Der »arme«Süden ...
Der Norden Italiens hält sich für reich und blickt herablassend auf den »armen Süden«. Doch wer sich in den vermeintlich armen Süden begibt, wird dort einen Reichtum an Kultur, Küche, Natur und Landschaft vorfinden, der den »armen« Süden im Vergleich zum zubetonierten, lauten und dicht besiedelten Norden Italiens, der weltweit die höchste Luftverschmutzung außerhalb Chinas zu verzeichnen hat, in anderem Licht sehen. Nicht umsonst wütete das Virus zu Beginn der Covid-Pandemie in der Lombardei so heftig wie nirgendwo sonst in Europa ...
Uns haben es im Süden besonders das Latium und Kampanien angetan, zwei Regionen des Mezzogiorno, die hierzulande kaum bekannt sind, schon gar nicht in Sachen Wein. Doch gerade dort passiert derzeit Spannendes.
Neapel, die Hauptstadt der Region, kennt vom Namen her jeder. Sie alleine macht Kampanien zur dichtest besiedelten Region Italiens und, nach der Lombardei, auch zur bevölkerungsreichsten.
Der besondere Reiz Kampaniens ist seine Topographie. Von der Ebene im Norden und am Meer bei Neapel geht es binnen weniger Kilometer in die alpine Landschaft des Apennin, der im Landesinneren Höhen von 2050 Metern erreicht und auf der Halbinsel Sorrent an der Amalfiküste teilweise spektakulär steil bis ins Meer abfüllt.
Über allem thront der 1277 Meter hohe Vesuv südlich von Neapel, der bis heute aktiv ist und zusammen mit den Phlegräischen Feldern den wohl gefährlichsten Supervulkan Europas bildet.
Luigis Reben stehen inmitten intakter Natur. In der Nachbarschaft stehen keine Reben, sondern Obst- und Nußbäume umgeben seine kleinen Parzellen. Luigi bewirtschaftet sie »traditionell regenerativ«, wie er mir hier gerade erklärt, ohne Traktor, mit nur minimaler Bodenbearbeitung und an Standort und Klima speziell angepaßter Reberziehung.
Für die biologische Zertifizierung mußte er nichts an seiner Arbeit ändern. Das günstige Klima, die Höhenlage, die enorme natürliche biologische Diversität der Umgebung, die nährstoffreichen Böden und die uralte Genetik seiner Reben sorgen dafür, daß er seine Reben kaum behandeln muß. Nur in wenigen Jahrgängen bisher mußte er sein kleines Paradies mit Kupfer oder molekularem Schwefel behandeln. Es ist dieses natürliche Gleichgewicht der Natur, das seinen Weinen den unverwechselbar salzig mineralischen, pikant gelbwürzigen Charakter ihrer Herkunft verleiht.
Luigi ist Mitglied der renommierten Naturweinvereinigung VinNatur. Er vergärt seine handgelesenen Trauben nach dem Keltern mit kurzer Standzeit spontan im Edelstahltank. Anschließend läßt er die Weine lange auf der Vollhefe und, nach dem Abzug, noch rund ein Jahr auf der Feinhefe reifen. Ohne Zusatzstoffe, ohne Eingriffe, mit minimalem Schwefel (< 10 mg/l).
Seine beiden Fianos präsentieren sich ungewöhnlich straff und präzise im Mundgefühl. Für Naturweine bemerkenswert geradlinig und reintönig, trotz Verzichts auf Filtration. Auf der Zunge salzig mineralisch, druckvoll und begeisternd dicht, durchzogen von einer Säure, die saftig mild und fast weich wirkt, obwohl die pH-Werte der Weine sehr niedrig ausfallen. Statt Frucht setzen Luigis Fianos auf steinig rauchige Aromakomponenten, die auf den Kalktuff verweisen, der in seinen Vulkanböden steckt.
In Cesinali kann es richtig kalt werden. Die Temperaturunterschiede fallen zum Teil erheblich aus. Deshalb peilt Luigi seinen Lesezeitpunkt so an, daß die Säure nicht mehr spitz und hart ausfällt. Penibel erntet er nach dem pH-Wert des Mostes und »spielt« dazu mit den Erträgen, über die er die Physiologie seiner Reben zu steuern versucht.
Seinen legendären »Particella 928«, einer der großen Weißweine Italiens, baut er in einer traditionellen lokalen Reberziehung an, die auf viel Blattfläche setzt, die das generative Wachstum verzögert und die Trauben vor Sonnenbrand schützt (Bild oben). Ergebnis ist ein Fiano, der als Naturwein zu den unerwartet aufregenden Weißweinen des Landes gehört. Charakteristisch florale Aromatik, würzig kühles Mundgefühl, steinig karge Physis. Provozierend eigenständiges Profil, das den trägen Strom italienischer Weißwein-Banalität maximal desavouiert.
Inhalt: 0.75 l (33,20 €* / 1 l)
Inhalt: 0.75 l (34,53 €* / 1 l)