Vom Kaufmann zum Winzer
Michel Brotons ist Schmuckhändler in Marseille. Sein Beruf erfüllt ihn nicht mehr. Er kocht leidenschaftlich gerne und in der Familie ist Wein ein permanentes Thema. Eines Tages im Herbst 2010 beschließt der Familienrat, daß der Schmuck ein Ende haben und der Wein ins Leben der Familie treten soll. Vater Michel verkauft seine Firma und beginnt, ein geeignetes Weingut zu suchen. Bis dahin hat er Wein nur getrunken, nie gemacht.
Die Zeit ist gut. Die Appellation Côtes de Provence durchläuft ein Tief auf dem Markt, Grund und Boden sind zu noch vertretbaren Preisen zu haben. Sie suchen in der Provence, denn dort sind Brotons geboren und dort möchten sie in Zukunft leben. Sie finden ein Weingut, das seit dem Jahr 2000 biologisch bewirtschaftet wird, doch der Preis ist höher als erwartet. Michel Brotons wagt es trotzdem, nimmt einen Kredit auf und beginnt, den heruntergekommenen Betrieb zu renovieren. Im Frühjahr 2012 zieht die Familie um, tauft das Weingut auf den Namen »Clos de l'Ours«, weil Papa Michel einem Bären ähnelt. Von da an ändert sich das Leben der Familie, denn nun wird der Wein zur täglichen Realität. Ihre 15 Hektar Weinberge liegen, von dichten Wäldern umgeben, in der sogenannten »Provence Verte«, der grünen Provence, zwischen den berühmten Gorges du Verdon, dem Mittelmeer und der Côte d'Azur. Jetzt müssen sie für den Lebensunterhalt der Familie sorgen.
Im September keltern Brotons, noch mit fremder Hilfe in Weinberg und Keller, den ersten eigenen Jahrgang. Dann beschließen die Geschwister Emilie und Fabien auch ihr Leben dem Wein zu widmen. Emilie bricht ihr Studium des Marketings ab, Fabien sein Volkswirtschaftsstudium. Sie widmet sich dem Verkauf der Weine, er besucht eine landwirtschaftliche Schule, die weniger den Weinbau als den Boden und die Landwirtschaft im Fokus hat. Heute verantworten die beiden die Geschicke des inzwischen landesweit bekannten Familienbetriebs in so souveräner wie harmonischer Kooperation.
Alte Reben
Im provençalischen Var ist es trocken und heiß. Die Klimakrise setzt den Böden dort hart zu, sie trocknen zunehmend aus. Auch hier wird deshalb der Ruf nach Bewässerung im Weinbau immer lauter, doch das Var gehört längst zu den Departements in Frankreich, in denen Wasser Mangelware ist und demnächst zugeteilt und der Verbrauch limitiert werden muß.
Clos de l'Ours ist eines der nördlichsten Weingüter der Appellation Côtes de Provence. Es kann dort von einem außergewöhnlichen Mikroklima profitieren, denn die Temperaturschwankungen sind vor allem im Sommer groß, mit heißen Tagen und kühlen Nächten. Dieser starke Temperaturgradient sorgt für eine langsame und gleichmäßige Reifung der Trauben und der berühmte Wind des Südens, der Mistral, schützt sie vor Feuchtigkeit und damit vor Fäulnis- und Pilzbefall. Brotons sparen sich deshalb viele Durchfahrten für den biologischen Pflanzenschutz.
Ihre alte Reben erweisen sich in der Klimakrise als besonders wertvoll. Weil sie schon seit über 20 Jahren regenerativ bewirtschaftet werden, haben sich ihre Wurzeln tief ins Erdreich gegraben und kommen so an Feuchtigkeit, weil die Böden hier besonders ton- und kalkhaltig sind. Sie eignen sich deshalb sehr gut für den Anbau der mediterranen Rebsorten Rolle, Clairette und Ugni-blanc in weiß, sowie Syrah, Grenache, Mourvèdre, Carignan und Cinsault in rot. Deren Reben sind im Schnitt 50 Jahre alt, die ältesten sogar fast 100 Jahre. Sie entfalten deshalb ein beeindruckend konzentriertes und dichtes Mundgefühl mit großem aromatischem und strukturellem Potenzial.
Vom Boden zum Wein
Fabien arbeitet im Weinberg bewußt mit der Natur. Er bewirtschaftet seine Reben seit 2019 biodynamisch, fördert die Biodiversität über spezielle Einsaaten, pflanzt Bäume und Hecken und er pflügt, wenn nötig, mit dem Pferd. Er bietet zahlreichen Vogelarten und Fledermäusen ein Zuhause und sorgt so für ein lebendiges Ökosystem, das einem lebendigen Bodenleben dient.
Die Weinlese erfolgt von Hand, die Trauben werden in kleinen Kisten zu 30 kg transportiert und zum einen in den Weinbergen, zum anderen noch einmal bei der Ankunft im Keller sortiert.
Um die Qualität seiner Böden und Trauben so schonend wie möglich in Wein übersetzen zu können, greift Fabien im Keller nur ein, wenn es nicht anders geht. Er vergärt grundsätzlich auf den natürlichen Wildhefen spontan, verzichtet auf Filtration und Schönungen sowie auf alle Zusatzstoffe der modernen Önologie. Den Weißwein und den Rosé baut Fabien im Edelstahltank aus. Seine drei Rotweine gären und reifen in traditionellen Fässern, Barriques und Beton-Eiern.
Die Klimakrise führt auch auf Clos de l'Ours zu sinkenden Erträgen. Die Ton- und kalkhaltigen Lehmböden trocknen trotz Begrünung zunehmend aus, was zu kleineren Beeren mit dickeren Schalen führt. Die Saftausbeute sinkt also und die Weinbereitung wird zunehmend zur Herausforderung.
Fabien hat deshalb in den letzten Jahren die Extraktion seiner Rotweine spürbar verändert. Er extrahiert die Beerenschalen seiner roten Rebsorten nicht mehr mechanisch, sondern übergießt die Beerenschalen schonend mit Most, um deren Gerbstoffe so schonend wie möglich zu extrahieren. Er versucht seine Weinbereitung jeden Jahrgang aufs Neue dem Zustand seiner Böden anzupassen. Je trockener und heißer die Jahrgänge ausfallen, um so weniger extrahiert er, um so länger dauern die Gärungen, um so länger läßt er die fertig durchgegorenen Rotweine auf der Hefe reifen. So erzielt er mineralisch würzige Weine voller Frische, die ihre südländische Herkunft aber nicht verleugnen.
Den Boden verstehen
Wie schon beschrieben gehört das Departement Var, in dem die berühmten Weingüter der Provence liegen, zu den trockensten Frankreichs. Fabien Brotons widmet deshalb seinen Böden besondere Aufmerksamkeit. Er versucht, den Humusgehalt seiner tiefgründig kalkigen Lehm- und Tonböden über das Einbringen von Kompost und über verschiedene Einsaaten, deren unterschiedliche Wurzeltiefen den Boden auflockern, zu erhöhen, um so mehr Feuchtigkeit in den Böden speichern zu können. Er pflanzt Bäume mitten in die Rebzeilen, um seine Reben zu beschatten und die Ausbreitung von Mykorrhiza-Netzwerken zu unterstützen, ohne die im Weinbau von morgen nichts gehen wird, weil sie wesentlich sind für den Nährstoff- und Feuchtigkeitstransport von der Wurzel in die Trauben. Fabien steht im intensiven Austausch mit ähnlich arbeitenden Kollegen in ganz Frankreich, um die komplexen Vorgänge verstehen zu lernen, die den Weinbau der Vergangenheit grundsätzlich zur Disposition stellen. Er hat sich profunden Sachverstand erarbeitet und sieht heute im tiefergehenden Verständnis des Bodenlebens die Zukunft seines Weinbaus im trockenen Klima der Provence. Ihm kommt dabei die geschützte Lage seiner Rebgärten mitten im Wald mit großen Temperaturschwankungen zwischen Tag und Nacht sehr zugute. Seine Weine sind ausdrucksstark und voller Charakter, wirken aber wunderbar entspannt und sind von Trockenstress bislang verschont geblieben.
Die Rebe verstehen
Fabien hat begriffen, was viele Winzer bis heute nicht verstanden haben. Er zieht seine eigene genetische Vielfalt in eigener Rebzüchtung auf. Dabei setzt er auf eine hochwertigere Form des Aufpfropfens auf die Unterlagsrebe ebenso, wie auf die sogenannte Sélection massale. Wenn er eine Parzelle neu bepflanzt oder einen abgestorbenen Rebstock ersetzt, tut er das mit einer Massenselektion seiner jungen Rebstöcke. Er pflanzt also keine bei einer Rebschule gekaufte Pflanze, sondern wählt eine Pfropfrebe aus, die er von besonders guten, besonders alten, besonders gesunden Rebstöcken seiner eigenen Weinberge zuvor selbst vermehrt hat. Das ist zwar nicht ohne Risiko was den Schutz vor bestimmten Krankheiten betrifft, doch wenn man das sorgfältig macht, hält sich das Risiko in Grenzen. So sorgt Fabien nicht nur für hohe Traubenqualität, sondern auch für genetische Vielfalt, die er den hochwertig alten Rebstöcken seiner ältesten Rebgärten verdankt.
Den Ausbau verstehen
Die allermeisten Weine werden heute nach den Rezepten beratender Önologen produziert. So schmecken sie denn auch, riechen berechenbar uniform »fruchtig«, wirken leblos »gut« und erfüllen die Klischees, die ihre Käufer von ihnen erwarten.
Winzer, die wie Fabien Brotons aus Überzeugung biodynamisch wirtschaften, gehen einen anderen Weg. Sie greifen in die Weinbereitung so wenig wie nötig ein, weil ihr Ziel keine geplanten getränketechnologischen Konstrukte sind, sondern lebendige Weine, die den Charakter ihres Jahrgangs ungeschminkt zeigen und die Struktur der Böden, auf denen ihre Reben stehen, sowie den Charakter ihrer Rebsorten in ihrem spezifischen Mikroklima riech-, fühl- und schmeckbar machen sollen - und können.
Dieser maximal natürlichen Weinbereitung kann man besonders in den Rotweinen von Fabien Brotons nachspüren. Sie machen die deftige Gerbstoffpräsenz kleiner Beeren mit wenig Saftausbeute von trockenen Böden exemplarisch erlebbar. Sie sind also keine harmlos weichen Sofa-Knutscher, sondern ernsthafte, deftig kernige Rotweine, die im Winter Leib und Seele zu wärmen verstehen und am sommerlichen Grill mit der Kraft praller Aromatik zu überzeugen wissen. Faszinierend charaktervolle, ungeschminkt authentische Rotweine, die die magisch kraftvolle Ausstrahlung der Provence in sich tragen.
Inhalt: 0.75 l (34,00 €* / 1 l)
Inhalt: 0.75 l (56,00 €* / 1 l)
Inhalt: 1.5 l (32,60 €* / 1 l)