In all den Jahren werden Chris Bilbro von Winzern und Freunden immer wieder Weinberge angeboten, die mit alten Reben bestockt sind, deren Rebsorten aber nicht in den damaligen Zeitgeist paßten. Er kauft gegen den Strom, und das über 25 Jahre hinweg. Heute verfügt Marietta Cellars über einen Schatz an Weinbergen, um den Familie Bilbro viele beneiden: 180 Hektar, bestockt mit teilweise uralten, fast durchweg wurzelechten Reben, meist Zinfandel, der hier noch häufig im gemischten Satz mit ein wenig Riesling, Grenache, Mourvedre und vielen anderen, vergessenen Sorten steht, die es durch die Reblauskatastrophe bei uns in Europa oft nicht mehr gibt - von der phantastisch vielfältigen Genetik der alten Reben ganz zu schweigen ...
Chris hat vier Söhne: Jake, Scot, Sam und Lucas. Er will nicht, daß sie im Weingut mitarbeiten. Sie sollen ihren Lebensunterhalt außerhalb der Familie verdienen. Doch die italienische Abstammung hält die Familie zusammen. Man ißt gemeinsam, der Vater geht auf die Jagd, das Gemüse wird im eigenen Garten angebaut, die Pasta stets selber gemacht und die Familie hält zusammen, wohin die Wege der Kinder auch führen.
Jake, den ältesten, zieht es als ersten zurück ins Weinbusiness. Er kann das Weingut »Limerick Lane« im nahen Russian River kaufen und macht es zu einem der begehrtesten Zinfandel-Betriebe Kaliforniens. Bei uns im Programm. Bruder Scot zieht es in die Familie zurück. Er arbeitet einige Jahre mit Vater Chris zusammen und übernimmt nach dessen Tod das elterliche Weingut als Weinmacher und Regisseur. Bruder Sam kümmert sich inzwischen auf dem eigenen Weingut in Santa Rosa um autochthone italienische Rebsorten und huldigt damit ebenfalls dem familiären Erbe, nur der Jüngste im Bunde, Lucas, hat bis heute mit Wein nichts zu tun.
»Ich möchte das Erbe meines Vaters fortführen«, meint Scot auf einer gemeinsamen Tour durch die weitverstreuten Parzellen der Familie. Er zeigt mir beeindruckend alte Rebstöcke, von denen manche dicken Baumstämmen ähneln. Sie sind schwer zu bearbeiten, weil sie groß sind und als mächtige einzelne Riesenrebstöcke im Weinberg stehen. Mechanisierung ist hier unmöglich. »Ohne unsere Mexikaner ginge hier gar nichts«, mein Scot und zeigt mir, wie aufwendig alleine der Rebschnitt bei diesen alten Reben ist. »So aufwendig sie zu bearbeiten sind, so sehr reizen sie mich, diese alten, wurzelechten Rebstöcke, die es so in Europa kaum noch gibt. Sie vermitteln ihren Weinen eine Kraft und Tiefe, die junge wie aufgepropfte Reben so niemals liefern können. Um sie möglichst lange erhalten zu können, bewirtschaften wir sie seit ein paar Jahren biologisch zertifiziert.«
Die Fahrt durch die Weinberge ist eindrucksvoll. Jede einzelne Parzelle wird indviduell nach den Bedürfnissen ihres Bodens begrünt, jede hat eine andere Form der Reberziehung, je nach Alter der Reben. Ein Aufwand, der ohne Mexikaner nicht zu bewerkstelligen wäre. Viele von ihnen sind schon in zweiter und dritter Generation bei Familie Bilbro beschäftigt. Sie sind das Rückgrat der kalifornischen Winzerschaft.
Wie schon sein Vater arbeitet auch Scot Bilbro bei seinem »Old Vine Red« mit Verschnitten. Er weist deshalb keinen Jahrgang aus, sondern trägt eine Lot-Nummer. Ein solcher Verschnitt von Jahrgängen und Rebsorten verunsichert den modernen Weintrinker. Wenn er Verschnitt hört, denkt er an typisch italienisches Gemauschel im Keller.
»Das aber hat mit dem, was wir machen, nichts zu tun», meint Scot. »Unser »Old Vine Red« ist dem Charakter unserer alten Reben gewidmet. Den soll er zeigen. Wir ernten die alten Reben als Mischsatz gemeinsam und wir verarbeiten sie gemeinsam. Es kommen also zahlreiche Rebsorten über den gemischten Satz gemeinsam in die Kelter. Weil jede Rebsorte jedes Jahr anders ausreift, schmeckt sie jedes Jahr anders. Ich erlaube mir deshalb, einen Jahrgang mit einem anderen zu verschneiden, und wenn es mir nötig erscheint, auch mal eine Rebsorte mit einer anderen. Der so entstehende Wein soll die Kraft und Ausstrahlung haben, die seinen alten Reben gerecht wird», erläutert Scot. Er versucht so, jedem Lot die Herkunft und den Charakter der alten Reben zu verleihen. Dazu muß es aber nicht zwangsläufig aus einem Jahrgang stammen. Scot sieht im Verschnitt »die künstlerische Freiheit des Winzers«.
»Ich weiß, ihr in Europa seid skeptisch, wenn ihr Verschnitt hört. Dabei ist jeder Bordeaux ein Verschnitt. Genaugenommen sogar fast jeder Wein. Weißt du, ich verschneide lieber einen authentisch produzierten Wein mit einem anderen authentisch produzierten Wein, als daß ich Wasser zur Alkoholreduzierung zusetze, was wir hier in Amerika dürfen, oder mit den zahlreichen Zusatzstoffen der modernen Önologie die Einflüsse der Klimakrise auf den Weinberg repariere, was bei euch in Europa längst so die Regel ist, wie bei uns in Kalifornien. Da spricht nur niemand drüber.
Ich garantiere dir, daß es bei uns kein »Megapurple« zur Farbaufbesserung gibt, keine Enzyme für mehr Aromen, keine Eichenchips als Holzersatz etc. etc. Unser Verschnitt dient einer stilistischen Korrektur, ist aber kein geschmacksverändernder Eingriff wie das, was ich gerade aufgezählt habe. Das mußt du bitte deinen Kunden so erklären«. Gesagt, getan . . . Scot kennt die Vorurteile der Europäer gegenüber den Weinen der neuen Welt. Er ist schließlich mit einer Düsseldorferin verheiratet. Deshalb erfüllt es ihn und seine Frau mit Stolz, daß ihr »Old Vine Red« in Deutschland so erfolgreich geworden ist.
Inhalt: 0.75 l (25,20 €* / 1 l)
Inhalt: 0.75 l (58,67 €* / 1 l)