Als Winzer verfolgt er zwei bedeutende Projekte. Das eine nennt sich »Ad Libitum«, lateinisch für »Vergnügen«. Er mußte es gegen den Willen seiner Universität durchsetzen, die damals im breiten Strom des Zeitgeistes in den internationalen Sorten Cabernet Sauvignon, Merlot, Chardonnay und Sauvignon Blanc die Zukunft sah, wogegen Juan Carlos Sancha schon damals jene alten Sorten zu setzen versuchte, die er mit seinen Studenten in alten Weinbergen über die ganze Rioja verteilt gefunden hatte und die es vor dem Verschwinden zu retten galt.
Siebenundzwanzig lokale Rebsorten fanden sie damals. Diese bauten sie über zwanzig Jahre hinweg in der winzigen Menge von vier Litern pro Sorte aus. Nach diesen Versuchen blieben vier alte autochthone Sorten übrig, die Juan Carlos Sancha vermehrte und als einer der wenigen im Anbau hat: den weißen Tempranillo, die weiße und rote Maturana, sowie den einzigen Monastel-Wein der Welt.
Das andere Projekt nennt sich »Peña del Gato«. Es widmet sich der Wiederherstellung uralter, sehr hoch gelegener Weinberge, die mittels EU-Subventionen gerodet werden sollten, weil sie mit Grenache bepflanzt sind, die man durch zeitgemäße Tempranillo-Klone ersetzen wollte. Juan Carlos Sancha kaufte die alten Lagen, die zum Teil schon aufgegeben waren, rekultivierte sie mühsam und bietet davon neun Weine von neun verschiedenen Parzellen unter dem »Peña del Gato«-Etikett an. Der Name bezieht sich auf die Katzen des Dorfes, denen diese Lagen zu hoch waren, um dort jagen zu gehen.
Die Reben bewirtschaftet er biologisch zertifiziert und baut sie im Sinne der Naturweinbewegung aus, mit nur minimaler oder gar keiner Schwefelung und ohne önologische Zusätze. Zum Ausbau benutzt er alte neutrale Fässer. Eine Parzelle baut er in der Steingut-Amphore aus.
Faßholz oder Traube?
»Heute ist die durchschnittliche Lebensdauer eines Weinbergs in der Rioja etwa 25 bis 30 Jahre. Die schlechte Genetik der Reben verhindert eine längere Lebensdauer. Man rodet und pflanzt neu. Nachhaltig ist das nicht. Unsere hundert Jahre alten Reben produzieren wenig, aber das, was sie produzieren, ist qualitativ sensationell – und damit nachhaltig.«
Damals waren Weinbauern keine studierten Akademiker. Sie konnten und mußten den Erfahrungen vorheriger Generationen vertrauen. Die pflanzten ihre Reben auf den kargen, unfruchtbaren Böden, auf denen keine andere Kulturpflanze wachsen wollte - und stellten prompt fest, daß genau dort die besten Trauben entstanden. Damals pflanzte man aus Erfahrung stets im gemischten Satz: gesunde Vielfalt statt krankheitsanfälliger Einfalt. In der Rioja bestand dieser Mischsatz aus acht bis zehn verschiedenen Rebsorten, oft weiß und rot gemischt. In Alto Najerilla, wo Juan-Carlos Sanchas Weingut liegt, pflanzte man aber schon damals auf den abgelegenen, hohen Lagen rot und weiß getrennt. Rot war überwiegend Grenache, weiß waren gemischte Sätze aus zwei, drei, vier verschiedenen Rebsorten.
Der charismatische Önologe ist übrigens nicht davon überzeugt, daß heute bessere Trauben produziert werden als vor 30 Jahren. Seine Erfahrung mit den alten Reben habe ihm gezeigt, daß die Genetik der alten Reben sehr viel besser weil vielfältiger und resistenter ist als die des modernen Pflanzmaterials. Er glaubt, daß der Klimawandel die Winzer aber dazu zwingen wird, Pflanzmaterial zu entwickeln, das weniger produktiv ist und zudem regenerativ bewirtschaftet werden muß, um das Wasserspeichervermögen der Böden gewährleisten zu können. Weinbau sei in naher Zukunft nur noch mit, nicht mehr gegen die Natur zu machen, meint er - und rennt damit offene Türen bei uns ein.
Önologie und Weinberg hätten sich nicht auf die gleiche Weise weiterentwickelt, fährt er fort: »Im Keller können, dürfen und müssen wir reparieren, was die Natur nicht geliefert hat, weil wir intensiv daran geforscht haben, immer mehr Trauben pro Rebstock zu produzieren. Keinerlei Fortschritte haben wir dagegen bei der Qualität der Trauben gemacht. Die meisten Veränderungen im Weinbau zielten darauf ab, produktivere Klone zu entwickeln, für die wir heute Bewässerung brauchen, um deren Produktion aufrecht erhalten zu können. Wir haben uns weltweit viel zu wenig damit beschäftigt, die Vorteile, die Trauben historischer Genetik bieten, wissenschaftlich zu erforschen, um sie entsprechend vermehren zu können. «
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