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Sanzon Tokaj

Erika Rász

Winzerin im ungarischen Tokaj mit begeisternd präzisen, strahlend straffen Weißweinen, die ihre Herkunft von den kargen vulkanischen Böden der Region mutig unverfälscht auf die Zunge bringen.

Region: Ungarn | Tokaj

Rebfläche: 2 Hektar

Boden: Vulkanisch

Bewirtschaftung: Biologisch



Weinbau wird im ungarischen Tokaj seit dem 13. Jahrhundert betrieben. Nach den künstlich gesüßten Weinen der Antike kam vermutlich aus Tokaj der erste natürliche Süßwein, zumindest wird 1571 ein Aszú-Wein erstmals als solcher urkundlich erwähnt. Die erste Beschreibung der Herstellung von Tokaji Aszú findet sich im Jahr 1630. Damals genießen die Weine aus Tokaj bereits geradezu mystische Verehrung. Sie werden in ganz Europa ob ihrer Heilkräfte geschätzt, die man ihnen nachsagt, und werden am französischen Hof Ludwig XIV. ebenso genossen wie am russischen Zarenhof, von Friedrich dem Großen von Preußen über König Georg V. von England bis zu Papst Pius I in Rom. Man feiert sie als »König der Weine und Wein der Könige«, was die Tokajer Weinberge zu den wertvollsten Besitzungen in Ungarn macht, die damals vor allem im Besitz des Adels sind. Im Jahr 1730 findet dann die weltweit erste Klassifikation von Weinbergslagen statt, die zu einer dreistufigen Lagenhierarchie führt. Dann aber setzt ein Bedeutungsverlust ein, der den Winzern der einst bedeutenden Weinbauregion bis heute das Leben schwer macht. Erst zerstört die Reblaus Ende des 19. Jahrhunderts die meisten der Weinberge, dann vernichtet die lange Besetzung durch Sowjetrussland weitgehend die lokale, über Jahrhunderte gewachsene Weinkultur und heute ist es Victor Orban, der seine eigenen Weingüter und die seiner Kumpane im Export derart mafiös bevorzugt, daß die vielen kleinen Winzer des Landes kaum eine Chance haben, ihre Weine außer Landes anbieten zu können. Im Land selbst ist eine durchaus agile Weinszene entstanden, doch international tut sich Tokaj, als die berühmteste Weinbauregion des Landes, schwer auf dem Markt. Immerhin - seit ein paar Jahren sorgen ein paar kleine, engagierte Weingüter wieder für Aufmerksamkeit mit Weinen faszinierender Eigenständigkeit. 

Erika Rász zum Beispiel. Sie ist in Tokaj geboren und dort auch aufgewachsen. Wie dort üblich, besitzen auch ihre Eltern ein paar Reben. Sie studiert in Budapest, anschließend führt sie der Beruf viele Jahre ins Ausland. Die Liebe zum Wein bleibt ihr aber erhalten und so lernt sie während ihrer Arbeit für einen globalen Großkonzern die  Weine der Welt kennen, darunter auch einige der renommiertesten der Weinwelt.

Als ihre Eltern 2014 die 0,3 Hektar Reben der Familie verkaufen wollen, beschließen ihr Mann Gergely Jánosi und sie, diese zu behalten. Sie besuchen ihre Eltern, kommen dabei auch in das Dorf Erdőbénye, von dessen Atmosphäre Erika spontan so begeistert ist, daß sie beschließen, hier ein kleines Weingut aufzubauen. Als sie nach einem passenden Haus suchen, stellt sich heraus, daß viele der älteren Dorfbewohner noch Erikas Vater kennen, der früher die alte Küferei in Erdőbénye leitete. Sie fühlt sich, als käme sie nach Hause. 

Sie finden ein Haus, in dessen Keller heute ihr kleines Weingut residiert. Sie beginnen, nach weiteren Rebflächen zu suchen. Es ist Februar. An vielen Weingärten stehen Schilder, die sie zum Verkauf ausweisen. Sie kaufen eine 0,7 Hektar große Parzelle mit alten Furmint-Reben, die sich als wahrer Schatz erweist, galt deren Lage Rány doch lange nicht nur als eine der besten, bevor sie in Vergessenheit geriet, sondern auch als eine der ältesten in Tokaj. Sie wird im Zusammenhang mit einer Grenzvermessung 1248 schriftlich erwähnt. Attila Homonna, der bekannteste Winzer Erdőbényes, der Erika die ersten Jahre unterstützt, meint, die Parzelle würde Maschinen und Menschen fressen, weil ihr Boden aus reinem Rhyolith besteht, der extrem schwer zu bearbeiten sei. Doch genau dieser karge Boden ist es, der für jene magische Energie und vibrierende Leichtigkeit sorgt, die ihre Weine der so unscheinbar wirkenden Lage in Stil und Charakter so einzigartig machen.

Heute bewirtschaftet das Weingut Sanzon 4 ha, wobei Erika fünf Hektar für das Maximum hält, das sie bewirtschaften und verarbeiten kann. »Jede Parzelle hier braucht ihre eigene Behandlung», meint sie, »denn die Trauben reifen zu unterschiedlichen Zeiten, weil die Böden alle paar Meter ihre Struktur und Eigenart wechseln; trockene Jahre und Jahre mit mehr Regen erfordern deshalb jeweils sehr individuelle Be- und Verarbeitung.«

Erika bewirtschaftet 2 ha Furmint, 1,5 ha Hárslevelű und 0,5 ha Muskateller seit 2015 biologisch. Von Beginn an verzichtet sie auf synthetische Präparate und Dünger. Auf »Sanzon« setzt sie ausschließlich Schwefel zur Bekämpfung von Pilzkrankheiten ein. Um ihre ultrakargen Böden mit Humus anzureichern, der auch in trockenen und heißen Jahren die Reben mit Feuchtigkeit versorgen kann, sät sie spezielle Saatgutmischung ein. Im Keller vergärt sie grundsätzlich spontan und setzt Schwefel nur ein, wenn ihre Weine ihn wirklich benötigen. Inzwischen baut sie bestimmte Partien auch in tönernen Amphoren aus, die für spannend kompakte und bemerkenswert präzise Struktur im Mundgefühl sorgen, wie ihr famos trockener Muskateller beweist. Erika Rász ist eine hart arbeitende Winzerin, die genau weiß, wo sie ihre Reise in Sachen Wein noch hinführen soll. Von ihr wird man hören.

Warum ihre Weine so schmecken, wie sie schmecken?

Das Gestein

Vulkanisches Gestein prägt Duft und Geschmack von Wein maßgeblich. Dabei handelt es sich meist um sogenanntes Eruptivgestein, das im Gegensatz zum Tiefengestein oft feinkörnig oder sogar glasig erstarrt. In Tokaj dominiert dagegen porphyrisches Gefüge, das beim Erstarren der Schmelze in der Magmakammer gebildete Kristalle in eine feinkörnige Grundmasse eingeschlossen hat. In solchem Vulkanit genannten Gestein findet man zahlreiche Minerale wie Quarz, Feldspat, Olivin, Amphibole, Magnetit und andere Oxide. 

Je mehr Nebengestein beim Aufstieg der Magma aus den Schlotwänden mitgerissen wurde, um so härter und dichter gepackt ist der entstandene Vulkanit. Der in der Lage Rány vorhandene Rhyolith gehört mit zum härtesten Vulkangestein, das es gibt, weshalb man z. B. Plastersteine daraus herstellt. Es ist das an SiO2 reichste Vulkangestein. Siliciumdioxid können Pflanzen nicht aufnehmen. Auf seiner Oberfläche entsteht aber in Gegenwart von Wasser Kieselsäure, die von der Rebe aufgenommen werden kann und dann deren natürliche Widerstandkraft ebenso stärkt, wie die Festigkeit der Beerenschale. Ein natürliches Insektizid.

Furmint & Hárslevelű

Zwei autochthone weiße Rebsorten, die man hierzulande kaum auf dem Radar hat. Sie liefern anspruchsvoll eigenständiges Weißwein-Erleben, vergleichbar großen Chenin Blancs von der Loire, wenigen großen Chardonnays aus Burgund und engagiert produzierten spanischen Xarellos neuer Generation.

Furmint ist eine sehr alte Rebsorte der Weinbauregion Tokaj. Ihre eigenwillige Kombination aus rassiger Säure, dem leichten Befall mit Graufäule und hohen Zuckergehalten in der Traube prädestiniert sie für die Produktion langlebiger, aromatisch komplexer, geschmacklich anspruchsvoller Weine, egal ob edelsüß oder trocken ausgebaut
Hárslevelű gedeiht auf den warmen vulkanischen Böden in Tokaj besonders gut. Ihre Weine sind aromatisch spannend delikat und würzig, weniger »fruchtig«. Aus Hárslevelű entsteht das gesamte Spektrum Tokajer Weine, von furztrocken bis hochnobel edelsüß. Eine Rebsorte, die nicht auf ein bestimmtes Klischee getrimmt wurde, sondern unverzüchtete, ursprünglich regionale Weinrealität verspricht.

Kleine Größe

In Zeiten der Klimakrise ist die Betriebsgröße qualitätsentscheidend. Das Wetter wird extremer, Böden nehmen, weil längst zu trocken, kein Wasser mehr auf. Reifeperioden und physiologische Reife verändern sich, der Erntezeitpunkt rückt vor, die Erntezeit wird kürzer, wenige Tage entscheiden über Wohl und Wehe des Jahrgangs.

Erika Rász Keller ist klein. Die Größe ihrer Gärtanks entspricht den erwartbaren Erntemengen ihrer Parzellen. Die sind so klein, daß sie jede einzelne Rebe das Jahr über verfolgen kann, um während der Ernte dann zu entscheiden, welche Rebsorte, Parzelle oder Rebzeile wie gekeltert und ausgebaut werden soll.
Ihre extrem kargen Böden sorgen für niedrige Erträge in straffen Weinen, die sie durch Maischestandzeit in der Amphore auf natürliche Weise entsäuern und damit harmonisieren kann, ohne in die Weinbereitung geschmacksverändernd einzugreifen. Maximal individuelle Behandlung jeder einzelnen Lesepartie. Exakt abgestellt auf Boden, Lesezeitpunkt und Most-Chemie. Nur »die richtige« Betriebsgröße bietet die nötige Freiheit für derart respektvoll individuelle Weinbereitung.

Der Boden und sein Wein

Tokaj in Nordungarn wurde vor etwa 15 Millionen Jahren durch vulkanische Aktivität geformt. Im Prinzip dominieren drei Bodentypen die Weinlagen dort, doch wenn man durch die Weinberge geht, merkt man, wie sich der Oberboden von Meter zu Meter verändert. Die für die Landschaft so typischen Hügel, einst aktive Vulkane, sind Ausläufer der Karpaten, die hier in die ungarische Tiefebene auslaufen. Die Reben stehen überwiegend auf verdichtetem Ton und Verwitterungsböden, die aus vulkanischen Gesteinen erodiert sind. Die Böden der besten Weinbergslagen sind extrem steinig, am Fuß der Hügel und in der Ebene bestehen sie überwiegend aus in einer Löß- und Sandauflage.

Viele Winzer, die irgendwelche Gesteins- oder Mineralarten auf ihre Etiketten schreiben, tun so, als könnte man diese direkt in ihrem Wein schmecken. Geomorphologen und Geologen sind sich einig darin, daß dies nicht stimmt. Trotzdem beeinflußt Boden Stil und Geschmack von Wein, und zwar über seine Struktur. Im Bodenprofil aus der Gemeinde Mád in Tokaj links im Bild sieht man, wie dünn die Erdauflage dort ist. Darunter purer Stein. Je karger der Boden, je dünner die Erdauflage, um so mehr müssen sich die Reben über ihr Wurzelwerk anstrengen, an Nahrung zu kommen. Ihr Ertrag ist niedrig, ihre Beeren klein, dafür aber hocharomatisch und konzentriert. Ihr Wein kann nicht dick, fett und weich schmecken, sondern wird schlank und rassig straff über die Zunge gehen.

Je mehr Ton, Lehm, Kalkmergel und anderer nährstoffreicher Oberboden dem Wurzelwerk zur Verfügung steht, je runder, weicher und körperreicher wird ein Wein. Insofern prägt die Bodenstruktur den Charakter eines Weines unmittelbar, nur eben nicht nach Gesteinsart, sondern entsprechend der Morphologie des Bodens im Zusammenspiel mit evtl. vorhandenen Mineral- und Nährstoffen, die z. B. Einfluß auf den Ertrag haben, auf die Beerengröße, deren Schalendicke, aber auch auf die natürlich vorhandenen Hefekulturen und damit auf Gärverlauf, Dauer, Aromatik und Mundgefühl.

Rány. Die historische Furmint-Parzelle

Sie hat das Weingut »Sanzon« 2014 entscheidend begründet. Ein paar lange Rebzeilen mit insgesamt 0,7 ha. Einer der ältesten Weinberge in Tokaj. Sieht völlig unscheinbar, wenn nicht sogar abweisend aus, zumal hier im Bild, das im Winter aufgenommen wurde, der Monokulturcharakter schon fast brutal wirkt. 

Die Erdauflage ist hier so dünn, daß Einsaaten kaum wachsen können. Trotzdem versucht es Erika Rász, über schonende Bearbeitung und gezielte Begrünung den Boden aufzubauen und den Humusanteil zu erhöhen. Die Rebstöcke hier sind 60 - 70 Jahre alt, sie sind tief verwurzelt, leiden auch in heißen Jahrgängen kaum unter Trocken- oder Wasserstress und liefern auf magerstem Rhyolithboden aromatisch leise, vulkanisch steinig und rauchig dicht agierende, druckvoll straff wirkende, natürlich trockene Weine enormen Reifepotenzials. Von hier kommt er, Sanzons legendärer Einzellagen-Furmint »Rány«.


Rány. Die Hárslevelű-Parzelle

Hinter der historischen Rány-Parzelle erhebt sich ein Hügel. An dessen Ostseite steht diese relativ steile Parzelle mit einem relevanten Höhenunterschied zwischen dem unteren und oberen Teil der Rebzeilen. Innerhalb der Parzelle verändert sich die Bodenstruktur signifikant. Von extrem dünner Erdauflage am oberen Ende zu von Erosion über Jahrhunderte angehäuften dichtem, schwerem Boden am unteren Ende. Die visionäre Ausrichtung der Rebzeilen nach Osten sorgt auch in heißen, trockenen oder anderweitig extremen Jahren für gleichmäßige Traubenreife.

Hier entsteht der so elegante wie kraftvolle, trockene Hárslevelű von »Sanzon«, der vielleicht beste seiner Art in Tokaj. Die paar hier stehenden Furmint-Reben liefern einen körperreicheren, stoffigeren und säureärmeren Wein als in der historischen Parzelle. Erika Rász setzt ihn immer dann als Verschnittpartner ein, wenn sie ihren Rány-Furmint etwas harmonischer und ausgewogener machen will.  

Sanzon Tokaj Winery | HU-3932 Erdőbénye | Bethlen Gábor u. 66. | Erstinverkehrbringer: Gebr. Kössler & Ulbricht GmbH & Co KG

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