... denn »ich hatte ehrlich gesagt keine Ahnung, was Biodynamik bedeutet. Aber der Name faszinierte mich. Unter den verschiedenen Kursen, die der Verein anbot, fand ich einen, in dem es um Weinbau ging. Da es auf unserem Familienbetrieb auch einen wunderschönen alten Weinberg gab, mit dem wir nie direkt zu tun gehabt hatten, beschloss ich, mich einzuschreiben, obwohl ich mich bis dahin nie für die Welt des Weins interessiert hatte, da ich in einer Familie von Abstinenzlern groß geworden bin«, erzählt er freimütig.
Er kehrt wie vom Blitz getroffen mit der Gewissheit nach Hause zurück, seine Tenuta Selvadolce auf biodynamische Bewirtschaftung umzustellen. Er weiß über Biodynamik nicht mehr, als er in dem Kurs gehört hat, und Wein hat er auch noch nicht produziert. Noch erstaunlicher ist die Tatsache, daß er bis dahin keinen Wein getrunken hat, was er übrigens bis heute nicht tut ... warum also ausgerechnet Wein herstellen? Aris ist angefixt. Man bestätigt ihm die Lage seines Familienbetriebes als spektakulär gut für den Weinanbau. Er liest sich in die Philosophie des biodynamischen Anbaus ein und beschließt, bei den berühmten französischen Biodynamik-Experten Xavier Florin und Nicolas Joly mehr über Weinbau zu lernen.
Im Jahr 2004 beschließt er dann mit dem Segen der Familie die Umwandlung des historischen Blumenzuchtbetriebs in einen biodynamischen Weinbau-Betrieb. Sie stellt ihn vor große Herausforderungen, denn die Flächen wurden über ein Jahrhundert für den Blumenanbau behandelt. In den Böden weisen Analysen schlimmste Pestizidbelastungen nach, selbst DDT finden sie in hoher Dosierung. Aris ist verzweifelt. Die Böden sind hart wie Beton, wasserdicht, grau und riechen muffig.
Skeptisch beginnt er mit der Arbeit, sät Gründünung ein, arbeitet Kompost ein, den er zukauft, bis sein eigener so weit ist, und stellt zu seiner großen Überraschung fest, daß sich seine Böden schon nach zwei Jahren zu verändern beginnen. Mit jedem Jahr der Bewirtschaftung werden sie weicher, durchlässiger, speichern mehr Feuchtigkeit und werden dunkel durch die sich bildende organische Masse. Die verblüffend schnelle Verbesserung der Bodenstruktur und des Bodenlebens führt Aris auf die biodynamischen Präparate zurück, die er damals nach Anleitung verwendete. Heute sind seine Böden von Myriaden von Mykorrhiza-Pilzen durchzogen, die man weich und federnd spürt, wenn man durch seine Rebzeilen läuft. Gekonnt praktizierte Biodynamik ist kein Voodoo, sie fördert das Mikrobiom des Bodens ... Ziel erreicht.
Die Rebsorten
Ligurien hat seine eigene Küche, seine Olivensorten, seinen Dialekt, seine Kultur, sein Basilikum, es hat Genua und seine Häfen - und eine extrem kleinteilige Parzellierung der landwirtschaftlichen Nutzfläche, die sich von der Küste bis ins Hinterland in Olivenhainen, Gemüseanbau oder Rebland erstreckt. Dort wird Ligurien zur Fundgrube für alte autochthone, also lokale Rebsorten, die in der wenig beachteten Weinbauregion den »Fortschritt« und dessen Zeitgeist überlebten: Vermentino, Pigato, Genovese oder Rossese gehören zu den spannenden Weinpersönlichkeiten Italiens, auch wenn die verfügbaren Mengen hier oft so klein sind, daß sie den Export kaum lohnen. Auch Aris Blancardi muß seine Weine zuteilen. denn seine Produktion ist winzig, beschränkt sich auf die lokalen Rebsorten, wachsen will er nicht, und so steuert er die Nachfrage nach seinen Weinen über deren Preis. Der mag »teuer« erscheinen, doch sobald man die Weine auf der Zunge hat, beginnt man zu verstehen, warum sie kosten müssen, was sie kosten, denn da entfalten sie den Mehrwert ihrer besonderen Herkunft, Machart und Natur mit jeder Minute im Glas mehr ...
Der Mensch
Aris Blancardi ist Quereinsteiger. Er kam also aus Überzeugung, aus Leidenschaft zum Beruf des Winzers. Dabei trinkt er bis heute Wein nur zur Verkostung während der Weinbereitung oder um ihn in seiner Entwicklung zu beobachten. So bleibt er offen für dessen Wandel und Entwicklung. Seine Faszination für Wein gilt der Übersetzung seiner Arbeit im Weinberg in Weine, die er im Keller nur begleiten will. Das Korsett eines bestimmten Stiles ist ihm zuwider, weshalb er seinen Weinen über die Biologie und Chemie des Jahrgangs die Freiheit gewährt, dessen Charakter widerzuspiegeln. Im Keller greift er nur ein, wenn es etwas zu retten gilt, Moste und Weine »korrigiert« er aus Prinzip nicht. Allerdings erschien ihm die Maischegärung seiner Weißweine in Anbetracht seiner Traubenqualität als geradezu zwingend. Freiheiten, die sich nur wenige Winzer nehmen, setzen sie doch das Können und die Gabe voraus, die eigene Arbeit im Weinberg permanent in deren Auswirkungen auf den Wein zu reflektieren. Vermutlich sind deshalb die Weine von Aris Blancardi so provozierend frei von Klischees, so lebendig und so unaufgeregt und entspannt, wie er es ist ...
Die Lage
Im Wein hielt man lange die Lage für das Geheimnis besonderer Qualität. Heute weiß man, daß die Lage mit ihrer Exposition, ihrem Makro- und Mikroklima, nur ein Baustein auf dem Weg zu besonderer Weinqualität ist. Für viel wichtiger hält man heute, neben der Morphologie und mineralischen Zusammensetzung des Unterbodens, die Qualität und Beschaffenheit der Bodenauflage, also der oberen 40 cm des Bodens einer Lage. Diese Schicht entscheidet in Zeiten der Klimakrise über Ertrag, Wuchs und Krankheitsanfälligkeit von Rebe und Beeren, sowie über Wasserspeichervermögen und CO2-Verhalten der Böden. Aris Blancardi hat sich von Beginn an ganz auf seine Böden konzentriert. Er hat sie wiederbelebt, weiß, wie man sie aufbaut, sieht in ihnen heute sein Kapital als Winzer, verdankt er ihnen doch seine Freiheiten in der Weinbereitung. Es sind seine Böden, die die Qualität seiner Lagen zum Sprechen bringen. Seine Terrassen liegen zwischen 350 und 600 m hoch über dem Meer und sind durch ständig blasenden Wind für den Weinbau ideal. Doch selbst hier gibt es Jahrgänge wie 2022, die durch dramatischen Peronospora-Befall ausfallen.
Wo die Zeit im Wein schmeckbar ist ...
Wer Wein so riskant natürlich entstehen läßt wie Aris Blancardi, nimmt sich Zeit für die Arbeit im Weinberg und an der Rebe. Deshalb will Aris seinen Betrieb auch nicht vergrößern, denn »Size matters«, la dimensione conta. Er reklamiert die für ihn ideale Betriebsgröße, denn seine vielen kleinen, auf diverse Terrassen hoch über dem Meer verteilten Parzellen (siehe Bild oben) sind zur Erhaltung dieser historischen Kulturlandschaft nur sehr zeitaufwendig mit kleinen Handmaschinen zu bearbeiten.
Da versteht sich auch die Lese von Hand von selbst, und wer derart gesunde Trauben liest wie er, vergärt seine Moste auch spontan auf deren wilder Umgebungshefe. Auch dies kann zum Faktor Zeit werden, je nach Jahrgang. Weil die natürliche Chemie seiner Rotweine und die Maischegärung seiner Weißweine diese auf natürliche Weise ohne Zusatz von Schwefel konserviert, baut Aris sie über zwei lange Jahre erst auf der Voll-, anschließend auf der Feinhefe aus.
»Da heilt die Zeit so manche mögliche Wunde der Natur«, meint er und macht so die Zeit des Ausbaus seiner Weine zum schmeckbaren Phänomen in von Fortschritt und Effizienz unberührten Weinen. Sie mögen aus teurem, weil vermeintlich ineffizientem Weinbau stammen, belohnen aber mit magischer Individualität, berührender Natürlichkeit, enormem Trinkvergnügen, überzeugender Größe und provozierender Originalität. Ihre Haltbarkeit erweist sich als chemisch so stabil, daß sie in der geöffneten Flasche über Wochen stabil bleiben, ohne zu oxidieren. Jahre der Entwicklung auf der Flasche belohnen sie zuverlässig. Zeit statt Effizienz. Persönlichkeit statt Fortschritt, der keiner ist.
Der Weinberg
Aris Blancardis Weine sind ungewöhnlich entwicklungsfähig und haltbar. Dies versuchte er zu Beginn seiner Winzerkarriere zunächst über die Arbeit im Keller zu erreichen, erkannte aber schnell, daß er den Grundstock dafür im Weinberg suchen und legen mußte. Dazu sollten seine Reben aber die natürliche Balance mit ihrer Umgebung gefunden haben, was einige Jahre dauerte, bis die Erträge sich auf niedrigem Niveau eingependelt hatten. Er begann dann mit unterschiedlichen Lesezeitpunkten zu experimentieren und stellte fest, daß der Zeitpunkt der Lese seine Weine in vielerlei Hinsicht entscheidend beeinflußte.
Seine Trauben sind durch die gesunden Böden nicht nur kerngesund, sondern auch so gut mit Nährstoffen versorgt, daß ihr Most problemlos spontan durchgärt und sich in Mikrobiologie und Chemie als ungewöhnlich stabil erweist. In Erinnerung an alte Zeiten beginnt Aris, für seine Weißweine die Beeren samt Schalen in Kontakt mit dem Saft zu bringen, sie auf der Maische zu vergären. So entsteht der spezifische Stil der Weißweine von Selvadolce, nicht aus einer geschmäcklerischen Mode heraus, sondern weil die Qualität seiner Trauben danach verlangt.
Der Keller
Im Keller von Selvadolce geht es einfach zu. Vergoren wird spontan in großen hölzernen Gärständern ohne Temperaturkontrolle und die Weine reifen in gebrauchten Barriques mit langem Hefelager. Weil in der gesamten Weinbereitung auf Schwefel verzichtet wird, hält Aris Blancardi Keller und Gerätschaften klinisch sauber. Nur so kann Naturwein entstehen, wie wir ihn suchen.
Seine Weißweine sind durch den Maischekontakt goldgelb, durch den Verzicht auf Schönung und Filtration naturtrüb, sie duften ungewohnt würzig nach Honig, Wildkräutern und reifen Früchten und zeigen sich in herben Gerbstoffen kraftvoll strukturiert wie Rotweine. Nichts für Weintrinker, die leichte, fruchtige Weißweine suchen. Seine Rotweine extrahiert er extrem schonend ohne mechanische Beeinflussung, ihre Gerbstoffe wirken entsprechend natürlich spröde, wunderbar transparent und lebendig und beweisen so, wie sehr sie ansonsten in ihrer Struktur »korrigiert« und weich gemacht werden. Die biodynamische Bewirtschaftung verleiht allen Weinen von Aris Blancardi eine natürliche Reduktivität, die Dekantieren (1-2 h) ratsam macht.
Der Wein
Unser erster Kontakt mit den Weinen von Selvadolce war so elektrisierend, daß wir alles daran setzten, ihren Winzer kennenzulernen und die Weine zu importieren. Das war leichter gedacht, als getan. Selvadolce genießt in der weltweit rasant wachsenden Naturweinszene Kultstatus. Seine Weine werden in die USA, die Länder des Nordens und nach Japan exportiert, sind ausreserviert, bevor sie gewachsen sind. Man bedenke: Von keinem seiner Weine produziert Aris Blancardi mehr als 2500 Flaschen.
Deshalb haben sie ihren Preis. Den rechtfertigen sie allerdings mit geradezu magischer Ausstrahlung. So sind die maischevergorenen Weißweine leise, still und im Duft verhalten, beginnen erst in der Karaffe zu sprechen, beweisen dann aber souveräne Kraftentfaltung auf der Zunge in der herben Präsenz reichlich vorhandener Gerbstoffe und ihre reizvoll salzige Mineralität sorgt für aufregende Länge am Gaumen. Unter den Rotweinen sticht die Rossese hervor. Sie bezaubert mit zarter Delikatesse, wagt aber zugleich die richtige Dosis kraftvoll spröder Natürlichkeit in den Gerbstoffen, die sie unverwechselbar macht als wagemutig ungeschminktes Selvadolce-Original.
Inhalt: 0.75 l (39,87 €* / 1 l)
Inhalt: 0.75 l (51,87 €* / 1 l)
Inhalt: 0.75 l (58,53 €* / 1 l)
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