Andrea Serrilli hat damals auch in der Verarbeitung sofort reagiert und sich eine ultramoderne Extraktionsmaschine gekauft, um so seine Oliven aus eigener Bewirtschaftung so hochwertig wie möglich verarbeiten und vermarkten zu können. Seitdem eilt er von Erfolg zu Erfolg, konnte das einstmals schlechte Image apulischen Olivenöls ins Gegenteil verkehren, kann seine Produktion selbst vermarkten, muß in Jahren, in denen die Mengen kleiner ausfallen als üblich, sogar zuteilen.
Serrillis Olivenhaine sind nach Süden ausgerichtet, stehen auf 9 Hektar auf 100 bis 230 m Höhe über dem Meer auf kargen Karstböden und werden nicht bewässert. Ihre weit verstreut in der Landschaft stehenden, teilweise jahrhundertealten Bäume liefern begehrte Olivenöle sensationeller Duft- und Geschmacksintensität. Mit den reinsortig abgefüllten lokalen Sorten »Ogliarola Garganica« aus Eigenanbau und »Coratina«, die er aus biologischer Produktion von festen Partnern zukauft, hat Andrea Serrilli schon alles gewonnen, was es an Preisen und Prämierungen in Sachen Olivenöl zu gewinnen gibt.
Für die Zukunft hat er seine jüngsten Plantagen in besonders hoher Dichte mit der in Italien sehr populären Sorte »Leccino« bepflanzt, die er ebenfalls als reinsortiges Öl auf den Markt bringt.
Seit 2013, dem Jahr des Bekanntwerdens des Olivenbaumsterbens, bewirtschaftet Andrea Serrilli seine Olivenbäume nach den strengen Vorgaben des ökologischen Landbaus. Ihm geht es dabei vor allem um den Erhalt seiner uralten Bäume, für die er seinen Böden die gleiche Aufmerksamkeit zukommen läßt, wie seinen Früchten. Sie wirken im Tritt spürbar lebendig, federn vor Mykorrhiza-Netzwerken. Bis heute sind seine Bäume vom Bakterium verschont geblieben und litten selbst in der extremen Hitze und Trockenheit der letzten Jahre kaum unter Stress.
Wenn die Ernte naht, wird Andrea nervös. Da gilt seine ganze Aufmerksamkeit dem Zeitpunkt der für ihn optimalen Reife. Über ihn steuert er Stil, Charakter und Geschmack der Öle seiner verschiedenen Varietäten. Andrea beginnt mit der Ernte, wenn der Reifegrad der Oliven gerade noch unterreif ist, obwohl die Ausbeute an Öl zu dem Zeitpunkt sehr niedrig ist. Geerntet wird meist mit einem mechanischen Rüttler. Wenige Stunden später werden die Oliven bereits in der eigenen Extraktionsanlage zu extra nativem Olivenöl mit maximal möglichem Gehalt an natürlichen Antioxidantien und möglichst geringer Säure verarbeitet. Andrea kontrolliert die Daten während der Ernte permanent im Labor. Sofort nach der mechanischen Zwei-Phasen-Extraktion wird das frisch gewonnene Öl dekantiert und filtriert, um so dessen mikrobiologische Stabilität über einen langen Zeitraum gewährleisten zu können.
Serrillis je nach Sorte geschmacklich intelligent umgesetzte Olivenöle sind aromatische Meisterwerke, die Freunde hochwertiger Olivenöle begeistern werden.
Die Reife. Entscheidender Qualitätsfaktor
Oliven sind erstaunliche Früchte. Sie wachsen an den zweijährigen Trieben des Ölbaums, sind erst grün, dann bräunlich bzw violett und schließlich schwarz, wobei ihre Farbe nichts über ihren tatsächlichen Reifezustand aussagt.
Während eine Olive reift, wird der Stein hart, das Fruchtfleisch weich. Im Fruchtfleisch wandelt sich Glukose erst in Fruktose und dann in Ölsäure um, die in den Fruchtfleischzellen eingelagert wird. Gleichzeitig bilden sich herb bittere Polyphenole als Antioxidantien und pfeffrig scharfes Oleocanthal, das Entzündungen hemmt, ähnlich des Wirkstoffs in Ibuprofen. Wenn z. B. eine der gefürchteten Olivenfruchtfliegen ihre Eier in einer Olive ablegt, schließen diese »Reparaturstoffe« die Haut der Olive und schützen so das Fruchtfleisch vor Sauerstoff und vor dem Austrocknen. Eine derart befallene und »reparierte« Olive erkennt man an einer wenige Millimeter großen kreisförmigen Narbe.
Alles entscheidend für die Qualität eines Olivenöls ist der Erntezeitpunkt: Frühreif geerntete Oliven liefern die geringste Ausbeute in einem pfeffrig herben Öl mit an Tomatengrün erinnerndem Chlorophyll-Aroma; es beißt beim Verkosten chilischarf im Hals, unbedingtes Zeichen für Frische und Qualität. Hier ist der Gehalt am Antioxidans Tocopherol, auch bekannt als Vitamin E, am höchsten, das Öl ernährungsphysiologisch am wertvollsten. Im Einsatz in der Küche geht die pikante Schärfe in einem frischen, grünlich wirkenden, an frisch aufgeschnittenen Apfel erinnernden Geschmack auf, der in unvergleichlich feiner, aber intensiver Fülle an Aromen ausklingt. Am Scheitelpunkt der Reife geerntet, wird das Öl zwar besonders fruchtig, ist aber weniger scharf und auch die Bitterstoffe nehmen ab, damit aber auch die antioxidative Wirkung und die geschmackliche Intensität. Je später und damit reifer Oliven geerntet werden, um so höher wird die Ausbeute an gewonnenem Öl, das dafür aber um so öliger, buttriger und weicher schmeckt, geschmacklich also nicht mehr viel zu bieten hat, außer schwer und fett zu wirken.
Damit erklären sich die Unterschiede im Preis: Je billiger das Öl, um so höher die Erträge, meist aus intensiver Bewässerung hochsubventionierter Plantagen. Deren Oliven werden bewußt spät geerntet, weil dann die Ausbeute besonders hoch ist. Ihr Öl fällt in der Konsistenz dünn und leicht aus, geschmacklich wenig intensiv, weich und fett, aromatisch belanglos, ohne Bitterkeit, ohne Schärfe, also auch ohne wertvolle Polyphenole. Oft werden die Oliven für solche Öle nach der Ernte zudem schlecht und zu lange gelagert, also auch zu spät verarbeitet. Solche Öle dominieren leider die Vorstellungen von Olivenöl. Sie sind immer zu teuer, so billig sie auch angeboten werden.
Tradition oder Fortschritt?
Wie die Korkeiche dient auch der Olivenbaum dem ökologischen Landschaftsschutz ganzer Regionen im Süden Europas und in Nordafrika. Oft stehen die Bäume dort auf steinigen, heißen und trockenen Hängen, sie benötigen wenig Wasser, keine Düngung und ertragen extreme klimatische Bedingungen wie kaum eine andere Kulturpflanze. Sie bieten so wichtigen Erosionsschutz und erhalten mit ihrem oberflächlichen Wurzelwerk die Bodenfruchtbarkeit. Zudem sind sie kaum brandgefährdet.
In vielen ländlichen Regionen rund um das Mittelmeer sorgt die Olivenölproduktion dafür, daß keine weitere Landflucht einsetzt, weil für den Baumschnitt, die Bodenbearbeitung und die Ernte, aber auch für den Vertrieb und den Tourismus, den die landschaftlich meist besonders reizvollen Regionen verzeichnen, Arbeitsplätze benötigt werden. Deshalb hat die EU in den letzten Jahren die Olivenölproduktion mit Milliarden-Subventionen gefördert. Doch leider fördert sie den Anbau pro Hektar oder pro Liter produzierten Öls, nicht aber den einzelnen Olivenbaum.
Deshalb entstanden in Griechenland und Spanien riesige Großplantagen, deren Bewässerung das Tiefengrundwasser erbarmungslos ausbeutet. Kleinbäuerliche, über Generationen gewachsene und ökologisch wertvolle Anbaustrukturen wurden in der Subventionierung »übersehen«. Dabei beweiden gerade sie ihre Olivenhaine aus Brandschutzgründen sowie zur Wasserersparnis oft traditionell mit Schafen oder Ziegen chemiefrei und bewirtschaften zudem oft besonders gut adaptierte Varietäten, deren Oliven Öle herausragend guter Qualität liefern (> Coratina etc.).
Modernste Technik
Sie haben es oben gesehen - mit der romantischen Steinmühle von einst hat gutes Olivenöl von heute nichts mehr gemein. Für ein Spitzenöl muß die Qualität der Olive so sauber wie möglich extrahiert werden. Das setzt voraus, daß die frisch geernteten Oliven binnen weniger Stunden verarbeitet werden, wozu moderne Öl-Extraktions-Anlagen auf aufwendige und teure Technik setzen - siehe Organigramm unten.
Es beginnt mit dem Gebläse zur Entfernung der Blätter; dann gehen die Oliven in eine Waschanlage mit Kühlung und Frischwasserdusche; anschließend werden sie getrocknet. In einer temperierbaren Messermühle werden sie zerkleinert, um dann in vertikalen Knetwerken, die Oxidation und enzymatische Prozesse weitgehend ausschließen, zwischen 20° und 24°C zu einem homogenen Teig verarbeitet zu werden. Diesen trennt ein Zweiphasen-Dekanter als Herz der Anlage schließlich in Öl und Wasser. Um im gewonnen Öl enzymatische und mikrobiologische Prozesse zu vermeiden, wird es sofort filtriert und bis zur wenig später stattfindenden Abfüllung in Edelstahltanks unter Schutzgas gelagert.
Wozu der ganze Aufwand? Nur so entsteht Olivenöl, das jene wertvollen, antioxidativen Polyphenole enthält, die nicht nur für uns gesund sind, sondern auch für die Haltbarkeit des Öls entscheidend. Um endogene Enzyme, Hefen, Bakterien, Olivenzucker und andere biochemische Stoffe zu entfernen, die der Qualität des Öls schaden könnten, werden gute Olivenöle heute grundsätzlich filtriert, was als ganz wichtiges Qualitätskriterium aber immer wieder mißverstanden wird.
Xylella fastidiosa
Das sogenannte »Olive quick decline syndrome« läßt Olivenbäume absterben. Als Auslöser hat man das Bakterium Xylella fastidiosa identifiziert, zu Deutsch »Feuerbakterium«, in den USA auch als »Pierces Desease« bekannt und dort ähnlich gefährlich, allerdings für Rebstöcke. Es verstopft die Poren der Pflanzengefäße (Xylem) und blockiert damit den Wasser- und Nährstofftransport, befallene Pflanzen sterben durch Wassermangel.
Als Überträger des Bakteriums gelten bestimmte Insekten, z. B. die Zikade Homalodisca vitripennis, die beim Saugen der Pflanzensäfte das Bakterium übertragen können. Die am stärksten betroffene Region in Italien ist der Salento südlich von Neapel, wo das Bakterium Olivenbäume auf über 8.000 Hektar vernichtet hat. Nach einer Schätzung aus dem Jahr 2019 sind seit dem Beginn des Befalls 2013 bereits 50.000 Hektar mit etwa 4 Millionen Olivenbäumen Opfer des Bakteriums geworden. Ein kaum zu bemessender Schaden für die Wirtschaft der armen Regionen, aber auch für die Mentalität der Bevölkerung, die ihre Olivenbäume voller Ehrfurcht behandelt, weil sie ihnen als Symbol für Freundschaft, Wohlstand und Frieden dienen, aus dem sie spirituelle Kraft schöpfen.
Der Anblick der trist in der Landschaft stehenden abgestorbenen Bäume wirkt so hoffnungslos, wie die wirtschaftlichen Perspektiven im Süden Italiens sind, wo man sich ohnehin schon politisch abgehängt sieht und nun mit der Bakterienkatastrophe auch noch alleingelassen fühlt. Der tote Olivenbaum als Symbol für den Abgesang ganzer Regionen im Süden Italiens.
Inhalt: 0.5 l (39,80 €* / 1 l)