Alte Rebsorten
Die Weine von »Sottoilnocce« sind aufregend anders, weil Max Brondolo sie Parzellen widmet, die ausschließlich an den Hängen der Hügel rund um Castelvetro liegen, nicht in der Ebene, wo heute meistens die Reben stehen. Vor allem aber widmet er sich der alten, unverzüchteten Genetik jener autochthonen Rebsorten, die dem Lambrusco vor seiner Industrialisierung Leben und Eigenart verliehen, heute aber kaum noch Verwendung finden, weil ihre Erträge als zu niedrig gelten. Ihnen verdankt jeder seiner Schaum- und Stillweine, ob reinsortig oder als Assemblage diverser Rebsorten, von der schwarzen »Lambrusco Grasparossa« über die säurebetonte »Lambrusco di Sorbara« bis zur seltenen roten »Uva Tosca« und der fast ausgestorbenen weißen »Trebbiano di Spagna«, den ureigenen Stil und Charakter. Es ist die Verbindung der alten Genetik mit Max Brondolos riskant individueller Weinbereitung, die die Weine von »Sottoilnocce« zu den vielleicht besten, auf jeden Fall aber zu den aufregendsten der Region macht.
Den alten Rebstöcken und Sorten widmet Max Brondolo seine tägliche Arbeit. Er wirtschaftet biodynamisch, beschäftigt sich also auch mit den Böden, die hauptsächlich aus einer Lehm-Ton-Matrixer bestehen. Sie versucht er durch Dauerbegrünung aufzubauen und zu beleben, um so seine Reben in die natürliche Balance mit ihrer Umgebung zu bringen, was ihn den Verbrauch an biologischen Spritz- und Behandlungsmitteln sowie die Anzahl der Fahrten durch die Rebzeilen reduzieren läßt. Viel Arbeit im Detail, von der die Kunden nie erfahren, doch wären die Weine von »Sottoilnocce« ohne sie nicht das, was sie sind.
Neues Wissen
Max Brondolo versteht sich als Naturweinwinzer. Er setzt seinen Weinen also nichts zu (z. B. Schönungsmittel zur Klärung), nimmt nichts weg (z. B. durch Entsäuerung), verändert und korrigiert sie nicht, er schwefelt sie nur minimal und greift in die Weinbereitung nur ein, wenn dies wirklich nötig ist. Das setzt im Keller absolute Hygiene voraus und aus dem Weinberg müssen Trauben kommen, die nicht von Agrarchemie kontaminiert sind, vor allem aber müssen sie von lebendigen Böden so gut mit Nährstoffen und Spurenelementen versorgt worden sein, daß sie von alleine auf natürliche Weise »spontan« zu gären beginnen und diese Gärung auch bis zum Ende absolvieren. Das ist in Zeiten des Klimawandels nicht immer einfach.
Bei der Versektung seiner Grundweine setzt er auf ein »no risk, no fun«-Verfahren, das außer ihm nur wenige Sektproduzenten beherrschen und praktizieren. Max Brondolo möchte auch die zweite Gärung auf der Flasche, während der die Kohlensäure entsteht, spontan absolvieren, also ohne Zusatz jener Hefe-Zuckerlösung, die fast allen Schaumweinen der Welt die begehrten Blasen besorgt. Er setzt stattdessen dem zu versektenden Grundwein Most desselben Jahrgangs zu, den er zuvor eingefroren hatte. Weil dessen Hefepopulationen jahrgangsabhängig und die Chemie von Grundwein und Most nicht wirklich bekannt sind, ist das Ergebnis nicht immer planbar. Doch Max hat schnell gelernt. Seine Schaumweine gehören inzwischen zu den originellsten des Marktes. Sie sind zuverlässig trocken, stets naturtrüb weil nicht von der Gärhefe genommen und in Stil und Charakter so authentisch, daß sie heute eine Klasse für sich sind in Sachen Lambrusco.
Sotto il nocce. Unter dem Nußbaum.
Als Max Brondolo 2017 beschließt, Winzer zu werden, hat er das Glück, einen fast aufgelassenen Rebgarten an einem Hang kaufen zu können, der mit einer Pergola bestockt ist, die aus alten, heute kaum noch bekannten Rebsorten besteht. Dort steht auch jener alte Walnussbaum, dem er im Namen seines Weingutes ein Denkmal gesetzt hat.
»Sotto il nocce« ist eine Redewendung, die sich auf die speziellen Eigenschaften des Walnussbaumes bezieht. Ihm sagt man nach, daß Pflanzen, die unter ihm wachsen, die ständige Dunkelheit seines weiten Laubwerkes nicht vertragen. Zudem scheiden die Blätter des Baumes einen Stoff aus, der die Bildung von Unkraut verhindert, den Botenstoff Juglon, mit dessen keimhemmender Wirkung sich der Baum vor Freß- und sonstigen Feinden zu schützen versucht. Fallen die Blätter zu Boden, gelangt der Stoff in den Boden. Ein Walnussbaum benötigt zudem viel Wasser, das er der Umgebung entzieht. Der alten Pergola schadet dieser Baum allerdings nicht. Die Beschattung macht in Zeiten der Klimakrise Sinn, die alten Reben wurzeln so tief, daß sie den Wasserentzug nicht zu spüren bekommen und die Erträge sind ohnehin extrem niedrig.
In modernen Agroforst-Projekten diskutiert man heute die Symbiose von Bäumen und Hecken in Rebgärten, weil deren Beschattung und Interaktion der Wurzelsysteme mit entsprechenden Mykorrhiza-Netzwerken im Zusammenspiel mit gezielter Dauer-Begrünung eine signifikante Verbesserung des Wasserspeichervermögens in den Böden verspricht, das größte Problem in Landwirtschaft und Weinbau heute. »Sotto il nocce«, ein Blick in die Zukunft?
Die über 60 Jahre alten Pergola-Reben (oben im Bild) sind der älteste Mischsatz im Lambrusco. Seine 12 kaum bekannten Rebsorten liefern Max Brondolo nur noch minimale Erträge, doch nutzt er ihre wertvoll vielfältige Rebgenetik inzwischen vor allem zur Vermehrung. Von dieser Pergola-Anlage kommen die Trauben für seinen Spitzen-Schaumwein »Confine«, italienisch für die Grenze. Die Reben sind an der Grenze ihres Lebens angekommen, liefern ihm aber (noch immer) einen Schaumwein tiefgründiger aromatischer Vertikalität, originellen Charakters und berührender Ausstrahlung.
Mit der Universität von Ravenna arbeitet Max Brondolo an einem Projekt zur Erhaltung, Züchtung und Anbaugenehmigung der historischen Rebsorte »Uva tosca«, die in seinem historischen Mischsatz steht und offensichtlich unter extremen Wachstumsbedingungen besonders gut zu gedeihen scheint.
Handarbeit
Der Unterschied zwischen billigem und gutem Wein steckt im Unterschied zwischen Maschinen- und Handlese.
Schon über 90 % aller Weine der Welt stammen aus Kosten- und Personalgründen aus Maschinenernte. Zwar betonen Winzerschaft und Industrie lautstark, daß zwischen den beiden kein Unterschied bestehe, doch haben wir schon so viele Handlesen absolviert, daß wir aus unserer persönlichen Erfahrung heraus heftig widersprechen müssen. Der Unterschied ist eklatant und er definiert eine klare stilistische und qualitative Trennlinie.
Wer mit dem Vollernter die Trauben vom Stielgerüst rüttelt, hat in der Weinbereitung keine Entscheidungsfreiheit mehr. Er begibt sich zwangsläufig in die Hand der Kellerwirtschaft und ihrer Zusatz- und Korrekturstoffe.
Die Topographie der Parzellen von Sottoilnocce macht Maschinenernte unmöglich. Die Pergola nicht minder. Die Weine leben von kerngesunden Trauben, die auf lebendigen Böden entstehen, auf Parzellen von magischer Schönheit, umgeben von Wald, eingebettet in unberührte Natur. Dort werden die Trauben sorgfältig von Hand in kleine Kisten geerntet, um im Keller schonend ohne Eingriffe zu Most gekeltert zu werden, der grundsätzlich spontan vergärt, ohne Temperatursteuerung, ohne Hefenährstoffe, ohne Eingriffe. Notwendige Voraussetzungen für das stilbildende Versektungsverfahren des Betriebs.
Oben im Bild die sorgfältig von Hand entblätterte Rebsorte Trebbiano di Spagna, aus der einer der ganz großen, aber unbekannten stillen Weißweine Italiens entsteht: Funambol. Schmeckbar Handarbeit.
Biodiversität
Warum wir sie brauchen? Weil artenreiche Ökosysteme stabiler sind als artenarme. Sie können Störungen besser ausgleichen. Das Mikrobiom unseres Darmes, das die Medizin so intensiv beschäftigt, ist ein Beispiel, die Monokultur des modernen Weinbaus mit dem großen Problem Mehltau ein anderes.
Warum hat man früher, Max Brondolos kleine Parzellen zeigen es, die Reben entsprechend der Topographie in überschaubaren Strukturen gepflanzt und stets mit Bäumen, Hecken oder Wald voneinander getrennt? Die Industrialisierung der 1970er Jahre hat diese über Generationen gewachsenen Strukturen im Auftrag der »Effizienz« zerstört.
Max Brondolo begrünt seine Rebzeilen, Blühwiesen umgeben seine Parzellen. In den umgebenden Bäumen und Hecken siedeln Vögel und Fledermäuse als natürliche Insektizide. Er erntet weniger, dafür sind die Erträge stabiler und seine Reben resistenter, sein Arbeitsaufwand im Keller hat sich drastisch entspannt.
Noch immer meinen viele Menschen, »Biodiversität« sei nur ein »grünes« Schlagwort. Um dieser Ignoranz entgegenzutreten, haben Wissenschaftler versucht, den Wert der »Ökosystem-Dienstleistungen« zu berechnen. Zahlen überzeugen manche mehr als Argumente. Demnach bestäuben Insekten drei Viertel aller Nutzpflanzen und erbringen damit der Weltwirtschaft eine Dienstleistung im Wert von 3,8 Milliarden Euro, und amerikanische Landwirte z. B. sparen sich allein dank der »Aufräumarbeit« von Mistkäfern 380 Milliarden Dollar im Jahr.
Und wir spritzen Blühstreifen ab, rollen Golfrasen in unseren Vorgärten aus, killen Insekten mit Gift aus dem Baumarkt und meinen, in einer »sauberen« Welt des »Wohlstands« zu leben ...
Größe
Max Brondolo ist ein Ausnahme-Winzer, dessen Weine zu den originellsten und ungewöhnlichsten Italiens gehören - und zum wohl Besten, was Lambrusco zu bieten hat.
Was hat das mit »Größe« zu tun?
Viele Winzer haben ihre Betriebe in der Boomphase der letzten zwanzig Jahre drastisch vergrößert. Als stünde Wachstum für Potenz. Die Konsequenzen sind hart: Viele von Ihnen sind keine Winzer mehr, sondern längst zu Verwaltern eigentlich zu großer Betriebe mutiert. Sie teilen ihre Mitarbeiter zur Arbeit ein, sind ansonsten aber unterwegs, um ihren Mengenzuwachs unters Volk zu bringen.
Die Klimakrise macht zusätzlich Druck: Hatten die Winzer früher ca. sechs Wochen Zeit, um ihre Trauben einzufahren, waren es die letzten Jahre zum Teil nur ein oder zwei Wochen, in manchen Jahren sogar noch weniger. Wer da den Zuwachs an Fläche nicht mit entsprechendem Personal im Griff hatte, hat Probleme bekommen, die man in standardisierter Qualität unschwer schmecken kann.
Nicht umsonst haben sich viele unsere Winzer in den letzten Jahren auf eine für sie sinnvolle humane Größe verkleinert, und wir nehmen grundsätzlich nur noch Betriebe ins Programm, die ihre Größe schmeckbar beherrschen.
Max Brondolo und seine Frau haben die für sie optimale Größe gefunden. Sie erlaubt es ihnen, in Weinberg und Keller gleichermaßen auf die Herausforderungen des Jahrgangs und der Klimakrise zu reagieren und ihre winzige Produktion müssen sie nicht verkaufen, sondern inzwischen zuteilen. Nur so sind so entspannt natürliche, originelle und mutig individuelle Weine wie ihre zu realisieren.
Inhalt: 0.75 l (26,53 €* / 1 l)
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