... denn ihre Weinberge liegen so hoch, daß Bordinis, um ihre roten Rebsorten physiologisch ausreifen zu können, intelligent mit der Natur zusammenarbeiten müssen. Das hat Francesco als studierter Agronom übernommen. Er beschäftigt sich, wie schon sein Vater, der ein landesweit bekannter Rebzüchter war, intensiv mit Rebgenetik und ist als Berater für Neupflanzungen unterwegs. Viele renommierte Weingüter gehören zu seinen Kunden. Francesco weiß, warum der konventionelle Weinbau mit seinen Monokulturflächen und seiner auf Ertrag getrimmten »modernen« Rebgenetik an Grenzen stößt.
In seinem eigenen Weinbau macht er deshalb vieles anders. Da sucht er in alten, aufgelassen Rebgärten nach vorindustrieller Rebgenetik. Da setzt er auf die niedrigen Erträge seiner kargen Sedimentböden und verleiht Wald und Vegetation in der charakteristisch kühlen Stilistik seiner Papiano-Weine eine Stimme. Schon während der Reblauskatastrophe Ende des 19. Jahrhunderts bewährten sie sich als natürliche Barriere gegen Rebkrankheiten aller Art. Inzwischen hat zwar der Mehltau auch den Weg nach Modigliana gefunden, aber die üppige biologische Diversität von Ginster, Ebereschen, Kirschbäumen, Granatapfel, Eichen, Kastanien und Buchen, alten Obst- und uralten Olivenbäumen rund um seine Parzellen schützt deren Reben mit ihren komplexen natürlichen Organismen und Kreisläufen beeindruckend nachhaltig. Außerdem sorgt sie dort nicht nur für vorteilhafte Feuchtigkeits- und Temperaturprofile, sondern über ihre weitläufigen Mykorrhiza-Netzwerke auch für entsprechendes Wasserspeichervermögen in deren Böden und damit für gute Nährstoffversorgung der Reben. Ein Beweis mehr, daß es auch anders geht.
So hat jede der kleinen Parzellen in den Bergen von Modigliana ihr Eigenleben, ihre eigene Bodenformation, ihr eigenes Mikroklima und zum Teil auch noch alte wurzelechte Genetik. Durch die abgeschiedene Lage konnte die Reblaus bis heute nicht bis dorthin vordringen. Deshalb unterscheiden sich die Weine der Villa Papiano aus der angestammten Romagna Sangiovese grundlegend von reinsortigen Sangiovese-Weinen aus der Toskana. Verwandtschaften sind zu erkennen, doch sorgen die unterschiedlich strukturierten Sedimentböden in den einzelnen Parzellen für erstaunliche stilistische Unterschiede in den verschiedenen Papiano-Sangiovese-Cuvées, die durch unterschiedliche Rebgenetik, die sich in Ertrag, Reifeverhalten und Morphologie der Trauben und Beeren voneinander unterscheidet, so deutlich zutage treten, daß Francesco Bordini die drei charaktervollsten seiner Parzellen in Modigiliana und Predappio als Lagenweine abfüllt und vermarktet.
Mergel
Mergel, wie er auf Papiano in unterschiedlichster Form die Böden prägt, ist ein Sedimentgestein, das entsteht, wenn feines Material wie Ton oder Schluff abgelagert und gleichzeitig Kalk ausgefällt wird. Mergel enthält sowohl Kalk als auch Sand, wie oben im Bild auf Papiano zu sehen ist. Sand besteht wesentlich aus Silizium (SiO2). Silizium kann das an Eisen gebundene Phosphor im Boden mobilisieren und als wertvollen Nährstoff den Wurzeln der Reben verfügbar machen. Phosphor ist elementar, weil er chemisch gebundene Energie speichern und verschiedensten pflanzlichen Stoffwechselprozessen wieder zur Verfügung stellen kann. So macht lebendiger Boden eine synthetische Düngung mit ihren ungewollten Nebenwirkungen überflüssig.
Sandstein
Die Berge rund um Modigliana sind eine Schichtung von Sedimentgestein, die sich vor Millionen von Jahren durch die Verkalkung von Sanden zu Sandstein und von Tonen zu Mergel gebildet hat. Entstanden durch die Ausfällung von Kalziumsalzen aus dem Wasser, das vor etwa sechs Millionen Jahren hier ein Meer bildete. Dessen Unterboden bestand aus Mergel und Kalkstein, die über Jahrmillionen ihre tonhaltige Bindung verloren haben und heute als Sandstein und lockerer, sandiger Mergel ideale Bedingungen für einen Weinbau liefern, der nicht auf Menge, sondern auf Qualität ausgerichtet ist. Francesco Bordini übersetzt diese Böden in faszinierend transparent strukturierte Weine, die durch Eigenart und Persönlichkeit überzeugen.
Arenatischer Kalksand
Die Weine von den unteren Hügeln und aus der Ebene der Romagna dominieren bis heute Vorstellungen und Image der Weine der Emilia-Romagna. Ihre Reben stehen auf tiefgründigem Ton, der hohe Erträge möglich macht und den entsprechend billig offerierten Weinen süffige Frucht und mollig weiche Struktur verleiht. Sie sind weder stilistisch noch qualitativ mit den Weinen aus dem Apennin zu vergleichen, wo die rote Sangiovese und die weiße Albana auf den kargen Mergel- und Sandsteinböden von Modigliana und Predappio gänzlich anders ausfallen: Vornehm kühl im Trunk, filigran bis kräftig dicht im Mundgefühl, eher karg und streng in der Wirkung der Gerbstoffe, mineralisch salzig im Charakter, würzig und elegant im Stil.
Im abgelegenen Tal von Modigliana und dem benachbarten Predappio Alto liegen die Weinberge so hoch und isoliert in den Wäldern, daß dort viele Reben noch wurzelecht, also unveredelt, als Buschreben stehen, denen die Reblauskatastrophe wie auch der damals ebenfalls aus Amerika importierte falsche Mehltau nichts anhaben konnten.
Die ungewöhnliche Lage hat ihren Grund in der Geschichte des lokalen Weinbaus. Bis Ende des 19. Jahrhunderts brauchte die bäuerliche Bevölkerung dort den Weinbau, weil sie ohne Wein nicht genügend Kalorien zum Überleben gehabt hätte. Wein war damals als Traube wie als Wein unentbehrliches Nahrungsmittel. Weil die Böden im Apennin aber durch Jahrmillionen der Erosion karg sind, war der Ackerbau mühsam und wenig ertragreich, und so pflanzte man über viele Jahrhunderte hinweg die Reben in der Höhe in Waldlichtungen, auf denen keine Feldfrüchte gedeihen konnten.
Wenn man über die Rebsorte Sangiovese spricht, denkt man unweigerlich an die Toskana. Dort verschneidet man sie heute aber nur zu oft mit vermeintlich »edleren« Rebsorten wie Cabernet Sauvignon, Merlot und Co. Charaktervoll eigenständig interpretierte, reinsortige Sangiovese-Weine sind dort nach wie vor eine Ausnahme.
Zwar sagt man inzwischen dem gebirgigen, armen Teil der Romagna nach, die hochwertigere Sangiovese im Vergleich zum Anbau in der Ebene zu produzieren, doch bis heute leiden die Weine aus den Hügeln um Modigliana und Predappio unter mangelnder Anerkennung und fehlendem Interesse. Tourismus gibt es kaum, lediglich Predappio als Geburtsort Mussolins zieht Tausende Unverbesserlicher an, doch nach den Weinen von dort kräht bislang kaum ein Hahn. Das dürfte sich mit Francesco Bordinis Sangiovese-Premiere aus Predappio, »Pré«, allerdings schnell ändern.
Italienischer Wein scheint nur in den immer gleichen Regionen stattzufinden. Die einfältige Impertinenz, mit der die Weine von Winzerinnen und Winzern aus den unbekannten Regionen des Landes von Handel, Markt und Presse »übersehen« werden, ist peinlich.
Uns interessieren die angeblich großen Namen Italiens schon lange nicht mehr. Was für uns Italien so spannend macht, sind seine alten, angestammten Rebsorten aus weniger bekannten Anbaugebieten. Viele von ihnen werden heute so ambitioniert wie kompetent zu wegweisenden Naturweinen verarbeitet. Wie auf Villa Papiano. Deren Weine gehören zu den besten Italiens, werden hoch bewertet, doch an die Sangiovese oder Albana aus der Abgeschiedenheit Modiglianas wagt sich selbst der eingefleischte Italien-Fan nur zögerlich. Dabei liegt in den Regionen Italiens, in denen Rebland noch bezahlbar ist, weil es nur von Hand zu bearbeiten ist, die Zukunft des Weinlandes Italien. Selbst schuld, wer sie ignoriert.
Francesco Bordini
Der Mann mit den langen, schlanken Klavierfingern, die man oben auf den Bodenbilder bewundern kann. Hager, groß, immer in Bewegung, geistig wie körperlich, das ist Francesco Bordini. Sein Vater war einer der renommierten Rebzüchter Italiens, der sich ganz der Rebsorte Sangiovese verschrieben hatte. Nach der Reblauskatastrophe Ende des 19. Jahrhunderts meinte man, die Rebsorte Sangiovese könnte der Reblaus und den Mehltau-Krankheiten, die damals aus den USA eingeschleppt wurden, besser widerstehen als andere. Nachdem man entdeckt hatte, daß die Veredelung auf gegen die Reblaus resistenten Unterlagen den Weinbau wieder möglich machte, forcierte man deshalb den Anbau der Sangiovese in ganz Italien und entwickelte neue Klone für höhere Erträge, um den Winzern das Überleben zu sichern. Francescos Vater war in den 1970 und 1980er Jahren wesentlich verantwortlich für Neupflanzungen in der Toskana. Auch Francescos Fokus liegt auf dem Anbau, wobei ihn aber besonders die genetische Vielfalt autochthoner, alter, lokaler Rebsorten interessiert.
Um den Weinen seiner vergessenen Region im Hinterland von Modigliana mehr Gehör zu verschaffen, hat er zusammen mit dem Journalisten Giorgio Melandri eine Gruppe von Erzeugern formiert, die in den letzten Jahren mit einer Palette aufregender Weine auf sich aufmerksam machte, alle basierend auf der Rebsorte Sangiovese Romagna. »Stella dell'Appennino Modigliana« heißt die Gruppe. Elf Winzer, die auf hochgelegenen Parzellen in den Hügeln rund um Modigliana originell charaktervolle Weine aus 100% Sangiovese produzieren, die einer weitgehend vergessenen Vergangenheit gewidmet sind und deren Herkunft sie so stilvoll wie selbstbewußt präsentieren.
Sangiovese aus Modigliana und Predappio zeigt sich kraftvoll frisch in der Säure, streng aber elegant und fein im Körper, mit zurückhaltend edlem Aromen- und Geschmacksreichtum, der den Duft der Zypresse ebenso zitiert, wie Strohblume, Salbei, Granatapfel, Graphit (Bleistift) und dunkle Gewürze. Es sind Weine aus den Bergen, ungewöhnlich langlebig, belebend frisch und erstaunlich entwicklungsfähig. Sie sprechen die Sprache der Höhe und einer Landschaft von Wald und Fels. Ihre kargen Mergel- und Sandsteinböden prägen sie stilistisch nachhaltig, denn der Boden dort oben enthält keinerlei Ton, weshalb die Weine elegant, karg, schlank und fast schon verwirrend kühl und zurückhaltend im Charakter ausfallen.
Francesco interpretiert seine Papiano-Weine als persönliche Unikate. Jeder steht für sich, so nackig wie präzise im Charakter. Zusammen stehen sie für ein geschichtsbewußtes, authentisches Italien, das Wein vor allem als Speisenbegleiter zelebriert. Ungeschminkt natürlich, frei von künstlicher Frucht und dem Einfluß von Technik, dafür voller Agilität und Lebensfreude, frisch im Trunk, vibrierend lebendig und hinreißend trinkfröhlich. Ihre provokante Natürlichkeit mag zwar den Vorstellungen modernen italienischen Hochglanz-Weines widersprechen, trinkt sich aber so fröhlich wie Italien früher und so ursprünglich wie Italien selten.
Links im Bild der alte, vor 1960 gepflanzte winzige vorindustrielle Rebgarten in Predappio, aus dem Francesco seinen so noblen wie feinen »Pré« gewinnt.
Amphore
Seinen legendären weißen Albana di Romagna »Terra« baut Francesco in der Amphore aus. Vier Monate lang mazerieren die von Hand vom Stielgerüst der Trauben entfernten Beeren in der Amphore auf der Vollhefe, bevor sie schonend abgepresst werden. Dieser Ausbau verleiht dem kargen, mageren, furztrockenen Weißwein eine hochwertig exotisch cremige Wirkung im Mundgefühl, macht ihn harmonisch, zugänglich und unglaublich oxidationsstabil. Unbedingt dekantieren und dann über mehrere Tage genießen.
Betontank
Im Bild oben eine Reihe neuer Betontanks, wie sie sich bei immer mehr Winzern großer Beliebtheit erfreuen. So auch auf Papiano. Sie sind billiger als Edelstahltanks, besitzen darüber hinaus aber physikalische Eigenschaften, die sie diesen vorziehen lassen. So zeigen sie kaum Temperaturleitfähigkeit, machen eine Kühlung während der Gärung also überflüssig, und weil Beton, anders als immer wieder zu lesen, gasdicht ist, findet keine Sauerstoffdiffusion statt. Deshalb sollten in solchen Betontanks nur entsprechend »oxidative« Rebsorten ausgebaut werden.
Holzfaß
Ob kleine Barriques oder große traditionelle Holzfässer: Francesco Bordini »spielt« beim Ausbau im Holzfass vor allem mit der Gerbstoff-Struktur seiner Rotweine. Je dichter und kompakter die Gerbstoffe seiner verschiedenen Sangiovese-Abarten ausfallen, um so kleiner wählt er das Faß und um so länger läßt er den Wein darin reifen. Während des Faßausbaus kommt es durch Sauerstoffaufnahme über die Faßdauben zu einer Verlängerung der Gerbstoffketten, die den Wein im Mundgefühl weniger kurz und spröde, also weicher und harmonischer wirken lassen.
Inhalt: 0.75 l (21,20 €* / 1 l)
Inhalt: 0.75 l (26,53 €* / 1 l)
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Inhalt: 0.75 l (33,20 €* / 1 l)
Inhalt: 0.75 l (45,20 €* / 1 l)
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