Weltweit werden etwa 1350 Rebsorten für die Produktion von Wein verwendet, längst nicht immer werden sie auf dem Etikett ausgewiesen, weil sehr viele, auch sehr berühmte Weine Assemblagen sind, also Verschnitte aus verschiedenen Rebsorten. Der allergrößte Teil der Weine der Welt aber wird aus nur 14 Rebsorten produziert. Das ist nicht nur ein enormer Verlust an genetischer Vielfalt, es zeigt auch, wie einfältig und borniert die Weinszene geworden ist, denn wir kennen zahlreiche Rebsorten, die spannender, origineller und interessanter riechen und schmecken als die 14 Welt-Stars ...
Die Rebsorte, um die es hier geht, Loin de l'oeil, steht mit rund 630 Hektar auf nur 0,08 % der Weinbaufläche Frankreichs (rund 750.000 Hektar). Ihre Bedeutung für den Weinmarkt geht also gegen Null. Trotzdem suchen wir sie, führen wir sie, empfehlen wir sie. Aus Neugier und für mehr Offenheit in Sachen eigenen Geschmacks. Für mehr genetische Diversität. Für ein anderes Weinerleben. Für mehr Toleranz Fremdem gegenüber. Für mehr Vielfalt statt noch mehr Einfalt.
Warum so weit vom Auge weg?
Der merkwürdige Name der Rebsorte Loin de l'oeil (ausgesprochen etwa so: Loan de Löi, also keine Angst vor dem Französischen....) ist keine Erfindung einer kreativen Marketingagentur, sondern geht historisch ganz einfach auf die Morphologie der Traube zurück: Der Stiel der Traube, an dessen Steilgerüst die Beeren hängen, ist so lang, dass er weit von der Knospe entfernt ist, die man in der Weinsprache »Auge« nennt. Loin de l'oeil bedeutet also nichts anders als »weit vom Auge entfernt«. Im Okzitanischen heißt das Len de l'el. Im Französischen wurde das etwa 1850 wörtlich aus dem Okzitanischen übersetzt und so kam die wundersame Rebsorte zu ihrem heutigen merkwürdigen Namen.
Wie bei vielen anderen autochthonen Rebsorten sind auch bei Loin de L'œil Ursprung und Herkunft ungeklärt. Sicher ist einzig, daß es sich um eine Rebsorte aus dem faszinierend bunten Rebsortenmuseum des wilden französischen Südwestens handelt, die dort schon sehr lange angebaut wird, was Dokumente aus dem 16. Jahrhundert belegen, in denen sie unter ihrem okzitanischen Namen Len de l'el erwähnt wird.
Die Rebsorte ist wuchskräftig und produziert gerne hohe Ertrage. Sie ist anfällig für Grau- und Edelfäule, weshalb sie sich sehr gut zur Herstellung hochkarätiger Süßweine eignet. Wenn die Erträge nicht gezügelt werden, kommt es zu Reifeproblemen, weil die Blätter braun werden, bevor die Trauben reif sind, was auf eine natürliche Blockade zur Aufnahme von Kalium in die Pflanze zurückzuführen ist. So kann das sein bei genetisch ursprünglich unverzüchteten autochthonen Rebsorten, die für hohe Erträge einfach nicht gemacht sind.
Daß Loin de L'œil eine sehr alte und genetisch ursprüngliche Rebsorte ist, sieht man auch daran, daß die Größe ihrer Trauben stark variiert, was zur Erntezeit zu erheblichen Reifeunterschieden führen kann. Maschinelle Ernte ist deshalb so gut wie unmöglich. Stattdessen setzt man auf die sogenannte »passerillage sur pied«, bei der man einige Tage vor der Weinlese mühsam Rebstock für Rebstock die Stiele der reifsten Trauben abzwickt und erntet, damit sich die Reife dann auf die noch grünen Trauben konzentrieren kann. Man erntet Loin de L'œil tatsächlich sehr oft in zwei Durchgängen, wobei beim ersten meist 75 bis 80 % der Trauben geerntet werden, ein oder zwei Wochen später dann im zweiten Durchgang die restlichen Trauben. Ein immenser Aufwand, der aber den besonderen Reiz dieser Rebsorte nur verstärkt.
Heute steht die Rebsorte fast nur noch in Gaillac, einem hierzulande wenig bekannten Weinbaugebiet im südwestfranzösischen Département Tarn in der Region Okzitanien, gut 30 Kilometer nordöstlich von Toulouse. Früher produzierte man dort vor allem Süßwein aus der Rebsorte, weil sie sich durch die leichte Bildung von Edelfäule besonders dafür eignet. Das brachte wunderbare, sehr konzentrierte Süßweine hervor mit Aromen von reifen Früchten (Birnen, Quitte, Passionsfrucht, Trockenfrüchte) und einem charakteristischen Hauch von Honig. Liebliche Weine scheinen aber nicht mehr zeitgemäß zu sein und so wird die Rebsorte heute immer häufiger zu originellen trockenen Weißweinen verarbeitet.
Diese sind häufig Verschnitte mit den lokalen Rebsorten Mauzac oder Ondenc, sowie zunehmend auch mit Sauvignon Blanc. Weil Loin de l'œil sehr mild in der Säure ausfällt, versucht man so seine recht weiche Geschmeidigkeit mit der Frische der Verschnittpartner zu kombinieren. Weißweinliebhaber, die milde Säure im Weinwein bevorzugen, kommen hier also auf ihre Kosten.
Das spannende an Loin de l'œil ist, daß ihr ganzer Reichtum an struktureller und aromatischer Komplexität immer zum Ausdruck kommt, egal ob sie im Tank oder im Fass ausgebaut wird. Sie verströmt immer ihre an Äpfel und Birnen, exotische Früchte oder auch blumige Aromen wie Akazien und Honig erinnernde Aromatik. Besonders gut reagiert die Rebsorte auf den Ausbau auf der Hefe, sei es im Faß oder in der Amphore. Da entwickelt sie eine mundfüllende Rundheit, die sie mit enormer Länge am Gaumen zu kombinieren weiß, was im Weißwein eher selten ist.
Mit trockenen Weißweinen aus Gaillac, die zu einem wesentlichen Teil Loin de L'œil enthalten, kann man mühelos ganze Menüs begleiten. Von der Geflügelterrine bis zum Kalbsragout, von Fisch an Saucen bis zu anspruchsvoller vegetarischer Küche - fast immer gibt ein weißer Gaillac aus Mauzac und Loin de L'œil wenn nicht den perfekten, so doch zumindest exzellenten Begleiter ab. Und zu Hartkäse wie Comté, Beaufort oder Gruyère macht er glücklich.
Eine seltene Rebsorte mit vielen Reizen, die bitte kühl, aber nicht eiskalt genossen werden sollte.
Weltweit werden etwa 1350 Rebsorten für die Produktion von Wein verwendet, längst nicht immer werden sie auf dem Etikett ausgewiesen, weil sehr viele, auch sehr berühmte Weine Assemblagen sind, also Verschnitte aus verschiedenen Rebsorten. Der allergrößte Teil der Weine der Welt aber wird aus nur 14 Rebsorten produziert. Das ist nicht nur ein enormer Verlust an genetischer Vielfalt, es zeigt auch, wie einfältig und borniert die Weinszene geworden ist, denn wir kennen zahlreiche Rebsorten, die spannender, origineller und interessanter riechen und schmecken als die 14 Welt-Stars ...
Die Rebsorte, um die es hier geht, Loin de l'oeil, steht mit rund 630 Hektar auf nur 0,08 % der Weinbaufläche Frankreichs (rund 750.000 Hektar). Ihre Bedeutung für den Weinmarkt geht also gegen Null. Trotzdem suchen wir sie, führen wir sie, empfehlen wir sie. Aus Neugier und für mehr Offenheit in Sachen eigenen Geschmacks. Für mehr genetische Diversität. Für ein anderes Weinerleben. Für mehr Toleranz Fremdem gegenüber. Für mehr Vielfalt statt noch mehr Einfalt.
Warum so weit vom Auge weg?
Der merkwürdige Name der Rebsorte Loin de l'oeil (ausgesprochen etwa so: Loan de Löi, also keine Angst vor dem Französischen....) ist keine Erfindung einer kreativen Marketingagentur, sondern geht historisch ganz einfach auf die Morphologie der Traube zurück: Der Stiel der Traube, an dessen Steilgerüst die Beeren hängen, ist so lang, dass er weit von der Knospe entfernt ist, die man in der Weinsprache »Auge« nennt. Loin de l'oeil bedeutet also nichts anders als »weit vom Auge entfernt«. Im Okzitanischen heißt das Len de l'el. Im Französischen wurde das etwa 1850 wörtlich aus dem Okzitanischen übersetzt und so kam die wundersame Rebsorte zu ihrem heutigen merkwürdigen Namen.
Wie bei vielen anderen autochthonen Rebsorten sind auch bei Loin de L'œil Ursprung und Herkunft ungeklärt. Sicher ist einzig, daß es sich um eine Rebsorte aus dem faszinierend bunten Rebsortenmuseum des wilden französischen Südwestens handelt, die dort schon sehr lange angebaut wird, was Dokumente aus dem 16. Jahrhundert belegen, in denen sie unter ihrem okzitanischen Namen Len de l'el erwähnt wird.
Die Rebsorte ist wuchskräftig und produziert gerne hohe Ertrage. Sie ist anfällig für Grau- und Edelfäule, weshalb sie sich sehr gut zur Herstellung hochkarätiger Süßweine eignet. Wenn die Erträge nicht gezügelt werden, kommt es zu Reifeproblemen, weil die Blätter braun werden, bevor die Trauben reif sind, was auf eine natürliche Blockade zur Aufnahme von Kalium in die Pflanze zurückzuführen ist. So kann das sein bei genetisch ursprünglich unverzüchteten autochthonen Rebsorten, die für hohe Erträge einfach nicht gemacht sind.
Daß Loin de L'œil eine sehr alte und genetisch ursprüngliche Rebsorte ist, sieht man auch daran, daß die Größe ihrer Trauben stark variiert, was zur Erntezeit zu erheblichen Reifeunterschieden führen kann. Maschinelle Ernte ist deshalb so gut wie unmöglich. Stattdessen setzt man auf die sogenannte »passerillage sur pied«, bei der man einige Tage vor der Weinlese mühsam Rebstock für Rebstock die Stiele der reifsten Trauben abzwickt und erntet, damit sich die Reife dann auf die noch grünen Trauben konzentrieren kann. Man erntet Loin de L'œil tatsächlich sehr oft in zwei Durchgängen, wobei beim ersten meist 75 bis 80 % der Trauben geerntet werden, ein oder zwei Wochen später dann im zweiten Durchgang die restlichen Trauben. Ein immenser Aufwand, der aber den besonderen Reiz dieser Rebsorte nur verstärkt.
Heute steht die Rebsorte fast nur noch in Gaillac, einem hierzulande wenig bekannten Weinbaugebiet im südwestfranzösischen Département Tarn in der Region Okzitanien, gut 30 Kilometer nordöstlich von Toulouse. Früher produzierte man dort vor allem Süßwein aus der Rebsorte, weil sie sich durch die leichte Bildung von Edelfäule besonders dafür eignet. Das brachte wunderbare, sehr konzentrierte Süßweine hervor mit Aromen von reifen Früchten (Birnen, Quitte, Passionsfrucht, Trockenfrüchte) und einem charakteristischen Hauch von Honig. Liebliche Weine scheinen aber nicht mehr zeitgemäß zu sein und so wird die Rebsorte heute immer häufiger zu originellen trockenen Weißweinen verarbeitet.
Diese sind häufig Verschnitte mit den lokalen Rebsorten Mauzac oder Ondenc, sowie zunehmend auch mit Sauvignon Blanc. Weil Loin de l'œil sehr mild in der Säure ausfällt, versucht man so seine recht weiche Geschmeidigkeit mit der Frische der Verschnittpartner zu kombinieren. Weißweinliebhaber, die milde Säure im Weinwein bevorzugen, kommen hier also auf ihre Kosten.
Das spannende an Loin de l'œil ist, daß ihr ganzer Reichtum an struktureller und aromatischer Komplexität immer zum Ausdruck kommt, egal ob sie im Tank oder im Fass ausgebaut wird. Sie verströmt immer ihre an Äpfel und Birnen, exotische Früchte oder auch blumige Aromen wie Akazien und Honig erinnernde Aromatik. Besonders gut reagiert die Rebsorte auf den Ausbau auf der Hefe, sei es im Faß oder in der Amphore. Da entwickelt sie eine mundfüllende Rundheit, die sie mit enormer Länge am Gaumen zu kombinieren weiß, was im Weißwein eher selten ist.
Mit trockenen Weißweinen aus Gaillac, die zu einem wesentlichen Teil Loin de L'œil enthalten, kann man mühelos ganze Menüs begleiten. Von der Geflügelterrine bis zum Kalbsragout, von Fisch an Saucen bis zu anspruchsvoller vegetarischer Küche - fast immer gibt ein weißer Gaillac aus Mauzac und Loin de L'œil wenn nicht den perfekten, so doch zumindest exzellenten Begleiter ab. Und zu Hartkäse wie Comté, Beaufort oder Gruyère macht er glücklich.
Eine seltene Rebsorte mit vielen Reizen, die bitte kühl, aber nicht eiskalt genossen werden sollte.