
Italiens neue Wein-Szene? Ein anderes Italien ...
... hart arbeitender Handwerkerinnen und Handwerker. Keine pompös neureichen Schnuckiputzi-Weingüter, sondern handwerklich engagierte kleine Familienbetriebe. Mit visionären Weinen, die sich keinem Trend unterordnen, sondern den Mut zu ungeschminkter Eigenart wagen und eine neue Realität in Italiens Weinszene etablieren. Abseits des öden Kommerzes der Lugana-Einfalt und des unumgänglichen Primitivo-Monopols. Italien hat mehr zu bieten in dieser neuen störrisch kreativen Weinszene:
Zum Beispiel die phantastische Vielfalt von über 600 verschiedenen lokalen autochthonen Rebsorten, die Italien zu einem der aufregendsten Weinländer Europas machen.
Zum Beispiel jene höchst individualistischen Winzerinnen und Winzern, deren Weine mit den zu Denkmälern ihrer selbst erstarrten großen Namen von einst nichts zu tun haben. Sie setzen auf ungeschminkten Purismus in Weinen, die selbstbewußte Ursprünglichkeit wagen und damit Italiens einmalige Weinvielfalt so direkt, so ehrlich und so inspirierend natürlich wie möglich ins Glas bringen.
Erleben Sie ein Italien in Bewegung. Den wesentlichen Impuls dazu hat die auch dort omnipräsente Naturwein-Bewegung (Vini Naturali) gesetzt, die sich in den letzten Jahren mächtig professionalisiert hat. Die ihr nachgesagten obligatorisch fehlerhaften Fuß-Pilz-Weine haben sich auf einen ideologisch verbohrten (und nicht immer seriös arbeitenden) Kern der Bewegung zurückgezogen. Und so erinnert uns Italiens heute so aufregend bunt und enthusiastisch agierende »andere« Weinszene an jene 1980er Jahre, in denen wir als einer der ersten Importeure damals die hierzu-
lande noch völlig unbekannten Weine des Landes unseren staunenden deutschen Landsleuten anzubieten versuchten. Der Rest ist Geschichte.
So an- und aufregend wie zurzeit war Italiens Eß- und Trink-Szene lange nicht mehr. In seinen vielen kleinen Osterien kann man hinreißend Gutes genießen, in seinen Weinbars, die derzeit wie Pilze aus dem Boden schießen, wird einfache, sensationell frische lokale Kost aus regionalen Zutaten geboten, die oft horizonterweiternd gut und zudem stets bezahlbar ist. Sie finden diese rundum zu empfehlenden Orte der Wohltat in der RAISIN-Naturwein-App unter Venues ...
.... schließlich reisen wir nicht nach Italien, um abgenutzten Orten der Instagram-Scheinwelt hinterherzuhecheln, »Pizza con Wuerstl« zu essen und Weine zu trinken, die wir schon kennen. Reisen bedeutet den Horizont zu erweitern, Neues und Unbekanntes zu erleben und für neue Inspirationen offen zu sein. Weil wir Dinge essen, die wir nicht kennen und Weine trinken, die uns mit unseren Grenzen des Gewohnten konfrontieren. Nicht nur Liebe geht durch den Magen, auch Länder und ihre kulinarischen Kulturen ...
Begleiten Sie uns auf einer Reise durch Italien
Zu kleinen Familienbetrieben, deren handwerklich produzierte Weine den Reiz ihrer Herkunft, ihrer Region und ihrer Geschichte unverfälscht ins Glas bringen. Sie sind der Küche ihrer Herkunft maximal authentisch verpflichtet. Man denke nur an den trockenen Lambrusco neuer Generation zu den wunderbaren Wurstwaren und Käse der Region um Bologna, einer Stadt, in der man die Kunst des Essens und Trinkens lustvoll zu zelebrieren versteht. Uns geht es hier um die Aura der besonderen Herkunft, um Charakter und das Erleben ursprünglich handgemachter Weine von Winzerinnen und Winzern, die mit Leidenschaft und Kompetenz bei der Sache sind. Stellen Sie sich vor, Sie säßen in einem kleinen Ristorante irgendwo auf dem Land und hätten Zeit und Lust der Dinge zu harren, die da kommen ...
Veneto: Garganega und die Zukunft des Soave
Italiens neuer Wein ist so aufregend anders, so selbstbewußt individuell und so berührend lebendig und natürlich in Charakter, Machart und Stil, daß wir unser Italien-Programm ganz seiner faszinierenden Vielfalt, seinen archaischen Rebsorten und seiner uralten Weinkultur unter dem Vorzeichen des unmanipuliert natürlichen Weines widmen.
Filippo Filippi aus Castelcerino, hoch über dem Tal von Soave, ist seit vielen Jahren einer der stillen Wegbereiter dieser Entwicklung. Seine Soave gehören zu den aufregenden Weißweinen Italiens. Sie sind in Duft und Mundgefühl unverwechselbar geprägt vom Einfluß ihrer vulkanischen Böden. Filippo reift sie besonders lange im Edelstahltank auf der Hefe, um ihnen den Charakter ihrer besonderen Herkunft so unverfälscht wie möglich zu vermitteln. Während andere auf neue Rebsorten setzen, um den Herausforderungen des Klimas zu begegnen, setzt Filippo auf die edle alte weiße Rebsorte des Soave: Garganega. Er zelebriert sie auf selten souveränem Niveau, das ihn gelassen in die Zukunft blicken läßt.


Emilia-Romagna: Lambrusco
Der neue Lambrusco ist kompromißlos ursprünglich, meist trocken und aufgrund seiner ungewöhnlichen lokalen Rebsorten geschmacklich eigenwillig. Man könnte ihn mager, sauer und dünn nennen, doch wird man ihm damit nicht gerecht, denn wenn man ihn zur Küche der Emilia-Romagna genießt, fliegt man auf Wolke Sieben, weil er so grandios dazu paßt.
Er wird dort zum Essen getrunken. Dafür wird er produziert. Zu Bolognas wunderbaren Piadinas, zu seinen Wurstwaren und weltberühmten Käse. Sie schreien förmlich nach den verschiedenen Arten von Lambrusco und so können auch wir nur empfehlen, Max Brondolos (Bild) extravagante »Sottoilnocce«-Naturweine, schäumend wie still, zu entsprechenden Gerichten und Viktualien zu reichen und zu genießen. Sie lassen uns eindrucksvoll stimmig erleben, daß zusammengehört, was so wunderbar zusammen paßt.
Emilia-Romagna: Sangiovese & Albana
Sangiovese verbindet man mit dem Chianti und Montalcino, nach der weißen Albana di Romagna kräht kein Hahn. Die beiden vinologischen Urgesteine der Emilia-Romagna gelten bis heute als billiger Füllstoff für die Supermarktregale der Welt. Schlechter Ruf hält sich lange in der Weinwelt.
Im Hochapennin, genau auf der Grenze zwischen der Emilia und der Toskana, liegt die Villa Papiano in stiller Einsamkeit über den Wolken. Dort produziert Francesco Bordini mit seinem Bruder und seinen zwei Schwestern Weine, die Kultstatus besitzen, nicht nur in der Naturweinszene, sondern auch im offiziellen Wein-Italien. Ultrafeine, fast schon zarte, noble Sangiovese von verschiedenen Lagen, sowie eine Albana di Romagna, die es als »Terra« auf die Karten besternter Restaurants in ganz Europa geschafft hat.
Nach den Unwettern des letzten Jahres ist die Villa Papiano noch immer kaum zu erreichen. Man kann sie also noch nicht besuchen. Ihre Weine stehen aber auf den Karten vieler Bio- und Naturwein-Bars und Restaurants in ganz Italien. Es sind sinnliche feine Rot- und charaktervoll frische Weißweine, die ihre stilistische Prägung nachvollziehbar der kühlen Höhenlage im Apennin verdanken. Sie harmonieren eindrucksvoll zur aus dem Vollen schöpfenden Küche der Emilia. Wie sollte es auch anders sein ...


Veneto: Valpolicella
Die Winzer des Veneto leben maßgeblich von den Touristen-Strömen rund um den Gardasee. So hat es der alkoholschwangere Amarone als Prestige-Getränk ins deutsche Wohnzimmer geschafft. Seitdem wird auch sein trinkfröhlicher kleiner Bruder Valpolicella, stets trockener und durch seine Kalkböden magerer und kantiger in der Statur, für den Export aufgehübscht, sprich weich gemacht, und so hat auch er es über die Grenze aufs deutsche Sofa geschafft.
Camilla Rossi-Chauvenet, die junge Dame links im Bild, hat es mit ihrem Bio-Weingut Massimago gewagt, ihre Weine so ursprünglich zu belassen, wie die Natur sie macht. Damit sorgte sie allerdings für einen Eklat in der Region, für Aufregung und Gegnerschaft, weil ihre Weine trocken, zart und filigran ausfielen, was man als untypisch brandmarkte. Ihre trockene, beschwingte Fröhlichkeit in Säure und Struktur machte sie aber so trinkfreudig, daß sie der jungen Weinmacherin dann eben doch irgendwann den ersehnten Erfolg bescherten. Der Weg dahin war nicht einfach, doch inzwischen folgen einige Kollegen ihrem ungeschminkten Vorbild und Valpolicella ist dabei, seinen schlechten Ruf abzulegen und zu neuer Identität aufzubrechen. Auf Massimago kann man übrigens sehr schön wohnen und ausgezeichnet essen und trinken. Die Zukunft des Valpolicella.
Lombardei: Gropello
Blöd, wenn man auf der falschen Seite des Garda-Sees Wein macht, an der Riviera del Garda Bresciano. Während zumindest dem Namen nach jeder Bardolino und Valpolicella von der Ost-Seite des Gardasees kennt, verbindet man deshalb mit dem Namen Gropello kaum den besten Rotwein dessen stilleren Westufers. Das liegt in der Lombardei und scheint vom hektischen Touristenrummel rund um den See nicht so viel abzukriegen.
Dort produziert die quirlige Cristina Inganni zusammen mit ihrem Partner Diego nicht nur wunderbare Weißweine und Rosés, sondern auch besagten roten Gropello. Einen hinreißend süffigen, angenehm herben, zugleich aber auch geschmeidig weich wirkenden Rotwein, der zur Küche der Region eine so herzhafte wie dunkelwürzige Begleitung liefert, die man anschließend nicht mehr missen möchte. Schon gar nicht zur Brotzeit zu Hause in Deutschland. Cristinas Weine sind eine Reise wert. Ihr Weißwein hat Ausstrahlung, wagt Saft und Kraft, ihre Rosés sind hinreißend, unter all ihren Weinen aber hat es uns ihr Gropello besonders angetan.


Lombardei: Franciacorta
Aus Franciacorta, eine Autostunde westlich des Gardasee, kommen Italiens beste Schaumweine. In jedem anständigen Restaurant dort, zu jedem Aperitivo in der Bar, wird irgendein Franciacorta gereicht. Die technisch absolut hochwertigen Schaumweine aus dem kleinen DOCG-Weinanbaugebiet in der Lombardei sind Italiens Antwort auf die Champagne. Man kann vielen ihrer Weine vorwerfen, sehr ähnlich zu schmecken. Italiener lieben nunmal Technik und sie verehren ihre Önologen, die genau dafür sorgen, daß ihre Weine so schmecken, wie sie es gerne mögen. Dabei lieben die Italiener auch gute Champagner. Sie trinken davon pro Kopf fast so viel wie die Franzosen. Vor allem aber trinken sie den Großteil der 17,5 Millionen Flaschen, die jedes Jahr in der Franciacorta produziert werden. Deshalb sind die Schaumweine der Region außerhalb Italiens kaum bekannt ...
1701 ist ein noch junger Betrieb, der auf nur 10 Hektar die ersten biodynamisch zertifizierten Franciacorta produziert. Große, reife Schaumweine mit Charakter und feinster Perlung, die zur absoluten Spitze zählen, auch, weil sie anders und anspruchsvoller schmecken als die meisten anderen. Die Region ist übrigens touristisch bestens organisiert (https://franciacorta.wine/de/). Sie lohnt also einen Besuch. Franciacorta ist übrigens Italiens Weinbaugebiet mit dem höchsten Anteil an Biobetrieben.
Gardasee: der andere Bardolino
Bardolino ist nicht gleich Bardolino. Was Daniele Delaini mit seiner Frau auf deren Villa Calicantus in Calmasino am Gardasee auf Flasche bringt, sucht seinesgleichen. Doch zunächst stossen sie mit ihren so anderen Weinen auf heftige Ablehnung. Die Offiziellen des lokalen Weinbauverbandes verweigern ihnen die Zustimmung zur Appellation, die Gastronomen rund um den See und die Touristen verstehen sie nicht, tun sie als zu teuer ab. Doch Delainis bleiben stur. Sie verkaufen ihre Weine erfolgreich im Export, wo zunehmend über sie berichtet wird. So kehrt ihr Ruf nach Hause zurück, der Wind dreht und auf einmal gelten ihre Weine als angesagt. Die Gastronomen stehen Schlange, das Consorzio erkennt sie, obwohl unfiltriert und kaum geschwefelt, als Bardolino an und plötzlich kommen auch Touristen wegen der Weine.
Inzwischen füllen Delainis sie als einfache Landweine ab. Die Anerkennung des Consorzios brauchen sie nicht mehr, und in Italiens boomender Naturwein-Szene genießen sie längst Kultstatus als provozierender Weckruf für eine Region, der es an Ambition, Identität und Perspektive für die Zukunft fehlt. Die Villa Calicantus hat es zum wegweisenden Betrieb am Gardasee gebracht und Delainis stehen für die Zukunft des dortigen Weinbaus.


Maremma: Ciliegolo
Die Maremma ist, abseits der Orte ihrer berühmt berüchtigten Neureichen-Weine, eine stille, bäuerlich strukturierte Hügellandschaft toskanischer Prägung. Rustikaler als die Touristen-Toskana, weit weniger touristisch aufgebrezelt, und insofern ursprünglicher und authentischer.
Dort produzieren in einsamer Abgeschiedenheit Emilio Falcioni und Elisabetta Funghi auf ihrem Weingut La Busattina Weine, die berühren. Nicht weil sie so »schön« zurechtgemacht sind, sondern weil sie so unberührt, so ehrlich, so ungeschminkt wirken, daß man sich der Ausstrahlung ihrer natürlichen Schönheit kaum entziehen kann. Dabei spielt die lokale rote Rebsorte Ciliegolo, neben der bekannten roten Sangiovese, hier eine tragende Rolle. Sie hat ihren Namen von jener prägnanten Kirschfrucht, die ihre Weine auf charakteristische Weise in Duft und Geschmack durchzieht. Die Weine von La Busattina sind ungewöhnlich persönlich und lebendig, erfüllen den blöden Begriff »Naturwein« mit Leben und Sinn. Sie machen den besonderen Reiz der wilden Maremma mit jedem Schluck mehr erlebbar. Es sind persönliche Weinerlebnisse besonderer Ausstrahlung und Authentizität.
Latium: Der Herr Professor und Cesanese
Marco Falcone und seine Frau sind hauptberuflich Immunologen an den Universitäten von Rom und Pisa. Doch den Herrn Professor und die Frau Doktor hat vor vielen Jahren schon der Weinvirus gepackt. Zunächst wollten sie Weinberge in einer der berühmten Appellationen Italiens kaufen. Dann beschlossen sie aber, sich einer der großen alten roten Rebsorten Italiens zu widmen, die heute weitgehend vergessen ist: Cesanese. Eine gute Autostunde östlich von Rom fanden sie schließlich, was sie suchten: Einen alten Weingarten in bester Lage, den sie in den letzten Jahren um zwei Hektar Neupflanzungen erweiterten.
Die beiden bauen ihre drei Rotweine Weine konsequent in Amphoren aus, die sie vor ihrem kleinen Kellereigebäude in die Erde eingelassen haben. Ihre Weine sind einmalig, ungewöhnlich, erstaunlich und beweisen, warum die uralte Lieblings-Rebsorte des römischen Adels einst als eine der edelsten des Landes galt. Durch die Reblauskatastrophe verschwand die anspruchsvolle Cesanese fast gänzlich aus den Rebgärten im Latium, heute sieht sie hier wieder einer vielversprechenden Zukunft entgegen. Falcones Naturweine beweisen naturwissenschaftliche Präzision und besitzen doch berührend lebendige Ausstrahlung.


Latium: Die Jugend und Cesanese
Von Carlo Noro, einem kleinen Biodynamik-Musterbetrieb im fruchtbaren Hinterland östlich von Rom. Simone und Valerio, die beiden jungen Söhne von Carlo Noro, produzieren dort in winzigen Dimensionen Weine, die sich im Keller so gut wie von alleine »machen«, ohne Eingriffe, ohne Zusatzstoffe, selbst Schwefel brauchen sie nur minimal. Die beiden Jungwinzer beobachten und kontrollieren, ob die Natur den richtigen Weg einschlägt oder ob sie droht, den falschen zu nehmen.
Ihre beiden Rotweine keltern Simone und Valerio Noro aus Cesanese, einer wertvollen, erst kürzlich wiederentdeckten uralten Rebsorte des Latiums. Sie entsprechen keinem bekannten Stilmuster, sind mutig eigensinnig, ohne kompliziert zu sein. Es sind auch keine elitären Naturtropfen, die Fragezeichen im Gesicht auslösen. Sie wirken fast magisch transparent, duftig und füllend, als würden sie im Mund keine Grenzen kennen. Ihre Gerbstoffkonsistenz agiert wertvoll seidig, kühl und weich und ist doch potent präsent in einer Dichte im Mundgefühl, die für niedrige Erträge steht. Das Mikroleben ihrer seit Jahrzehnten biodynamisch bewirtschafteten Böden nimmt hier fühlbaren Einfluß auf die Biologie und Chemie der Weine, man spürt und fühlt ihn im Mundgefühl der beiden Weine, das ein neues Verständnis von Weinqualität erlebbar macht.

Latium: Danilo und der Segen der Diversität
Als Danilo Scenna 2012 sein Weingut anmelden will, fragt ihn die Dame, wie es denn heißen solle. Ihm kamen, total unvorbereitet, nur seine Initialen in den Sinn, sagt »D.S. Bio« - und so schmückt heute ein merkwürdig technisch klingender Name ein Weingut, das zu den wegweisenden Naturwein-Betrieben des Latium gehört. Danilo kehrte damals, wie viele seiner Freunde, aus dem erlernten Beruf zurück in den landwirtschaftlichen Betrieb seiner Eltern, um diesen vor dem Aus zu bewahren. Er bewirtschaftet heute knapp vier Hektar Reben.
Der Anblick seiner historischen Rebgärten macht Freude. Sie liegen in wilder Natur in fast alpiner Umgebung auf 600 bis 800 m Höhe. Uralte wurzelechte Rebstöcke ranken dort über hunderte von Metern auf schmalen Terrassen an Obstbäumen, Oliven und Eichen entlang. Archaischer Weinbau, wie man ihn längst für ausgestorben hielt. Überlieferte Biodiversität, die »Pflanzenschutz« überflüssig macht. Die Rebsorten lokal und uralt, zum Teil längst vergessen, von Danilo wieder zu neuem Leben erweckt. Die Weine expressiv, eigenwillig und begeisternd eigenständig; Demeter® zertifiziert; minimal geschwefelt, frei von Zusätzen; hinreißend eigensinnig im Charakter und so souverän wie berührend in Qualität und Persönlichkeit. Das Latium erwacht!
Abruzzen: der Pecorino- und Trebbiano-Hotspot
Luca Paolo und Alfonso Morelli, zwei Jugendfreunde, wollen ihrem Leben eine Wendung geben. Sie bereisen 2012 auf der Suche nach einem Stück Land die Abruzzen. Dort führt sie ihr Weg auch nach Pietranico, einem winzigen Weiler am Fuß des 2800 m hohen Majella-Bergmassivs. Es ist Liebe auf den ersten Blick. Sie können dort 22 ha Land mit Oliven und Getreide kaufen und beginnen sofort, 4 ha mit Reben zu bepflanzen. Das kleine Weingut Caprera erblickt das Licht der Welt.
Sie lernen ihre neue Profession von der Pike auf. Der Anfang ist hart. Doch binnen weniger Jahre gelingt es ihnen, ihre Weine bekannt zu machen. Heute sind sie bereits eine feste Größe in der auch in Italien boomenden Naturwein-Szene. Ihre beiden Weißweine aus den mysteriösen lokalen Rebsorten Pecorino und Trebbiano d´Abruzzo genießen großen Ruf und ihr Cerasuolo, eine eigenwillige lokale Rosé-Spezialität, ihrer ist einer der schönsten seiner Art, genießt begeisterten Zuspruch zwischen Rom und Pescara. Capreras vibrierend lebendige Weine folgen selbstbewußt eigensinniger Stilistik: Ihr saftiges Mundgefühl, ihre profunde Strahlkraft, ihre mundwässernde Frische und ihre würzige Mineralität verdanken sie der exponierten Höhenlage in den Abruzzen, die nicht umsonst gerade dabei sind, ein Hotspot in Italiens junger Weinszene zu werden.


Marken: Sangiovese, Pecorino & Co
Die mittelitalienischen Marken sind eine der weniger bekannten Regionen Italiens. Während sich vorne am Meer die Touristen an den Stränden tummeln, geht es im Hinterland eher bescheiden zu. Doch die Marken sind auch eine Fundgrube für phantastisch gute Olivenöle aus lokalen Sorten und einige der besten Nudelhersteller des Landes haben in den Marken ihren Sitz.
Hier bewirtschaften Paola und Paolo Beretta ihren 16 Hektar großen Bio-Betrieb auf Hügeln, von denen der Blick bis zur Adria im Osten und den Monti Sibillini im Westen reicht. Sie gehören zu den Bio-Pionieren der Region und widmen sich mit Leidenschaft und Überzeugung der regenerativen Landwirtschaft, um Leben und Natur um sie herum zu bewahren. Ihre Weine sind bodenständig und ehrlich, bescheiden im Anspruch, aber überzeugend in Machart und Qualität. Solch »leise« auftretende Betriebe übersieht man gerne im lauten Rauschen des Marktes. Dabei liefern Paola und Paolo so beliebte wie zuverlässige Weiß- und Rotweine einer Qualität, die man inzwischen mit der Lupe suchen muß. Eine stille Größe im Programm. Ein sympathischer Glücksfall, der uns echt ans Herz gewachsen ist.
Marken: Vino cotto. Gekochter Wein
Sie lesen richtig: Gekochter Wein. Emmanuela Tiberi, eine hochenergetische Dame, pflegt die alte lokale Tradition der ostitalienischen Region Marche zusammen mit ihrem Sohn in rarer Meisterschaft. Klingt merkwürdig, ist merkwürdig, zeitigt aber grandiose Süßweine einzigartiger Geschmacksintensität. Dazu wird frisch gepreßter Most aus weißen und roten Trauben unmittelbar nach der Ernte im großen Kupferkessel so lange gekocht, bis sein Volumen um 30-70% reduziert ist. Während des Kochens wird der Most dunkel und konzentriert sich. Dabei erreicht er enorm hohe Zuckerkonzentration. Weil der Kochvorgang die natürlichen Hefen tötet, fügt Emmanuela dem sterilen Mostkonzentrat frischen Most zu, der dann, zusammen mit den im Keller vorhandenen Umgebungshefen, die spontane Gärung einleitet, die viele Jahre dauern kann.
Emmanuela Tiberis »Vino cotto« ist eine Sensation. Dunkelbraun in der Farbe, die angeblich dem Auge eines Hahnes gleicht (»Occhio di gallo«). Im Duft exotisch würzig, aromatisch an Muskatnuß, Zimt, Datteln und reife Feige erinnernd, die auf Karamell und frischen Espresso treffen. Natürlich süß, aber auch anregend herb, im Finish ein belebender Hauch Bitterkeit. Gekochter Wein. Einer der großen unbekannten Süßweine der Welt. Auf seine Art einmalig.


Kampanien: Aglianico, Greco & Fiano
Der reiche Norden Italiens, dem man gemeinhin die Ländereien nördlich von Rom zuschlägt, bestimmt das Bild der Weine des Landes. Dabei hat der Stiefel auch südlich von Rom enorm viel zu bieten. Nicht nur famose landwirtschaftliche Produkte, sondern auch einen Reichtum an Rebsorten, Böden, Mentalitäten und kulinarischer Kultur, der zumindest uns über die Maßen interessiert und fasziniert.
Italiens rund 600 autochthone Rebsorten sind der wohl größte Weinschatz des Landes. In Kampanien, einer hügeligen, zum Teil fast schon alpinen Region östlich von Neapel, begegnet man derer gleich drei. Fiano und Greco fristen zwar noch immer ein Schattendasein, doch zählen wir die beiden uralten lokalen weißen Rebsorten, die hier auf vulkanischen Böden entstehen, zu den interessantesten Italiens. Luigi Sarnos große Natur-Fianos suchen ihresgleichen in Komplexität, Eigenart und Klasse. Angelo Mutos raffinierte Greco di Tufo entstehen auf einer alten Schwefelmine und zeigen dies auch in atemberaubend ungeschminkter Natürlichkeit und Expressivität. Große Weine, die im Gedächtnis bleiben. Und der rote Aglianico aus Taurasi steht für einen in seiner Gerbstoffkonsistenz fast schockierend trocken und rustikal wirkenden, dunkelfarbigen Rotwein, dessen Weinberge auf einer Höhe zwischen 400 und 700 Metern liegen. Irpinia heißt die Gegend. Uraltes Weinbauland. Hier wurde schon in vorchristlicher Zeit Wein angebaut. Die Region wirkt bäuerlich rückständig, hat genau deshalb aber auch etwas Visionäres an sich, scheint an ihr doch der »Fortschritt« der Önologen- und Industrialisierungs-Epoche, der Italiens Weine so nachhaltig deformierte, weitgehend vorübergegangen zu sein. Sehr wohltuend, geschmacklich allerdings unbequem. Testen Sie selbst!
Kampanien: bäuerliche Zukunft
Da sitzt er, der junge Fabio de Beaumont, und schaut in die alte Barbera-Pergola, die er von seiner Großmutter geerbt hat. Zwischen 150 und 200 Jahre sind ihre Reben alt, die vermutlich ältesten Barbera-Reben Italiens. Sie stehen in Kampanien in der Provinz Avellino.
Familie De Beaumont bewirtschaftet hier nachweislich seit dem 16. Jahrhundert Land. Fabio kam nach dem Jura-Studium in Rom nach Hause zurück, um die Landwirtschaft von Großmutter Sandra und Vater Francesco zu übernehmen. Das war 2013. Seitdem hat er die Kirschgärten, Nußbaumplantagen und 2 ha Reben seiner Familie auf biologische Bewirtschaftung umgestellt. Daraus entsteht sein wichtigstes Produkt, das ihn in Italien bekannt gemacht hat: Don Fa. Ein aus der Wiederbelebung eines uralten Familienrezeptes aus dem 16. Jahrhundert stammender Wein-Likör auf der Basis von Aglianico und Barbera, der auf natürliche Weise mit Sauerkirschblättern aromatisiert wird. Ein grandios duftendes und schmeckendes Elixier, das Freunde schafft und Freude macht. Von seinen Barbera-Methusalems keltert Fabio zudem einen eindrucksvoll konzentrierten Rotwein und mit seinen Naturschaumweinen auf der Basis der weißen Rebsorte Fiano hat er Riesenerfolg in der Gastronomie. Die Zukunft des italienischen Südens liegt in der Hand solch engagierter junger Menschen wie Fabio de Beaumont, die derzeit zuhauf in die Betriebe ihrer Familie zurückkehren, um sie kreativ und ambitioniert nachhaltig zu neuem Leben zu erwecken.


Costa d´Amalfi: Teinturier und historische Pergola
Auf unserer Suche nach Weinen von vulkanischen Böden stießen wir auf eine weitere sehr alte Pergola-Anlage. Sie liegt im Hinterland der weltberühmten Costa d´Amalfi, wenige Kilometer von den Touristenströmen der Küste entfernt.
In den alten terrassierten Rebgärten von Familie Reale, die auf rund 500 m Höhe liegen, fällt sofort der weiche, noch nie mit Maschinen in Berührung gekommene Boden auf, er federt unter dem Tritt. Dafür sind Mykorrhiza-Pilznetzwerke verantwortlich, die hier die tiefgründigen Vulkanasche-Böden besiedeln und dafür sorgen, daß die über viele Meter rankenden Pergola-Reben trotz sommerlicher Hitze weder Wasser- noch Trockenstress erleiden. Es sind zum Teil noch alte Teinturier-Rebsorten, sogenannte Färbesorten. Deren Fruchtfleisch ist rot statt weiß und liefert ungewöhnlich dunkelfarbige Rotweine, ohne daß diese aber die ihrer Farbe entsprechenden Gerbstoffladungen auf die Zunge spülen. Luigi Reales alte Reben sind durchweg wurzelecht, ihre Genetik ursprünglich und unverzüchtet. Der einmalige Reiz autochthoner Rebsorten. Deren Weine duften wohltuend kühl, sind aufregend würzig und fühlen sich im Mund unerwartet frisch an, geprägt von der griffigen Mineralität ihres vulkanischen Bodens. Obwohl Reales ihre Trauben relativ technisch verarbeiten, besitzen ihre Weiß- und Rotweine selbstbewußte Persönlichkeit und eine Strahlkraft, der man sich kaum entziehen kann.
Basilikata: Aglianico del Vulture
Die Basilikata im tiefen Süden Italiens ist eine Welt für sich. Bäuerlich geprägte Landwirtschaft, viel Getreide, viele Wälder, unerwartet viel Wasser, aber auch krasse Zerstörungen der Natur aus römischer Zeit. Die Küche schöpft dort selbstbewußt aus dem, was man hat. So einfach und bescheiden, so unglaublich gut. Man verweigert sich hier den kulinarischen Verbrechen globaler Nahrungsmittelkonzerne.
Die große Rebsorte der Basilikata ist der tiefdunkle, gerbstoffreiche, balsamisch würzige rote Aglianico del Vulture. Benannt nach einem weithin sichtbaren erloschenen Vulkan. Wieder Vulkanwein also. Ripanero ist ein kleines Weingut, das dort als Platzhirsch gehandelt wird. Es bewirtschaftet knapp vier Hektar Reben, verteilt auf viele kleine Parzellen, die in noch intakter Natur ausschließlich auf gen Nordosten ausgerichteten Hängen wie biologische Nischen wirken. Die drei Freunde von Ripanero produzieren bemerkenswerte Rotweine voller Kraft und Potenz, beladen mit Gerbstoffen, die sie aber gekonnt in Amphoren und im Holzfaß zu zähmen verstehen. Ihre Aglianicos sollte man ein paar Jahre im Keller vergessen, um dann ihre faszinierende Tiefgründigkeit zu entdecken, die uns unweigerlich an Bordeaux aus der Vor-Parker-Ära erinnert, in ihrem mystischen Duft von frisch gespitztem Bleistift, edlem Holz, frischer Erde und feinstem Havanna-Tabak. Ripaneros Aglianicos sind eine unserer großen Entdeckungen im italienischen Süden.


Apulien: Primitivo. Trocken, echt und ehrlich
Diese nette Dame kennen Sie schon. Camilla Rossi-Chauvenet von Massimago im norditalienischen Veneto gehört auch das Weingut Cuturi im Süden Apuliens. Auch dort folgt sie ihrem störrischen Geist und produziert provozierend ehrliche, weil trockene, biologisch zertifizierte Weine, die so anders ausfallen als der mit viel Zucker geschminkte anonyme Billigschrott, den man dort für den Export produziert, daß sie sich prompt, wie mit ihren Valpolicellas auch, zunächst große Probleme einhandelt. Handel und Markt akzeptieren ihre Weine nicht als »typisch«.
Wenige Jahre später gelten sie als Referenz in der Region, als Weg in die Zukunft - obwohl noch immer riesige Mengen anonymer Primitivos, mit bis zu 18 Gramm Restzucker versetzt (ein Zuckerwürfel wiegt 3 Gramm!), in den Export gehen, wo sie vor allem von deutschen Supermarkt-Kunden als Inbegriff italienischen Rotweines gefeiert werden. Inzwischen sind die Preise für anonyme Faßweine allerdings auf historisch niedriges Niveau gefallen. Der Wind scheint endlich zu drehen.
Dagegen verkaufen sich Camillas drei Primitivos, die sie gekonnt verschiedenen Reifestadien der zickigen Rebsorte widmet, wie geschnitten Brot. Ihr hinreißend gelungener Negroamaro ist ein Glückstreffer fürs Geld, den man sich nicht entgehen lassen sollte, und ihren duftigen weißen Fiano und ihren hinreißend netten Rosé aus Negroamaro müssen wir lange vorbestellen, um nicht leer auszugehen. Die Zeichen der Zeit stehen gut für die quirlige Camilla. Ihr weiblicher Wagemut, gegen den Strom des Marktes zu schwimmen, zahlt sich aus.
Kalabrien: Gaglioppo und viel Charakter
Kalabrien. Weinbau zwischen Absatz und Sohle im tiefen Süden des italienischen Stiefels. Trockenheit und Hitze dominieren hier die Arbeit in den Reben, die hier in der traditionell mediterranen Erziehung als Buschrebe stehen.
Cataldo Calabretta ist der große Pionier des Ciró. So heißt hier die Appellation, die kraftvoll tanninbeladene Rotweine aus der höchst eigenwilligen Rebsorte Gaglioppo ebenso hervorbringt, wie den berühmten Ciró Rosé, der zu den besten Italiens gehört. Die salzig würzigen Weißweine des Ciró werden aus lokalen, autochthonen Rebsorten gekeltert. Weinbau in archaisch wirkender Kulturlandschaft. Cataldo Calabretta bewirtschaftet seine Reben zertifiziert regenerativ und fühlt sich der Naturweinbewegung zugehörig.
Die lokale rote Rebsorte Gaglioppo fordert ihn, denn ihre dicke Beerenschale setzt ungewohnt spröde wirkende Gerbstoffe frei, die an die sizilianische Nerello Mascalese oder den Nebbiolo des Piemont erinnern. Sie wollen gezähmt werden, verlangen äußerst sensible Extraktion. Dabei enthält die Beerenschale kaum Farbe. Gaglioppo ist eine der Ausnahmen, bei der man aus der hellen Farbe des Weines nicht auf die physische Wirkung der Gerbstoffe schließen kann. Cataldos Cirós sind unbedingte Speisenbegleiter, keine Solotänzer. Wer sich auf sie einläßt, wird mit dem fordernden Charakter der lokalen Rebsorten, des dortigen Klimas und der geschmacklichen Tradition der lokalen Küche belohnt. Nur wer wagt, gewinnt!

Kult aus Ligurien: Pigato und Rossese
Ligurien ist eine Region mit besonderem Reiz und die kleine Tenuta Selvadolce ist ein besonderer Ort mit besonderen Weinen eines besonderen Menschen. Aris Blancardi bewirtschaftet etwa 7 Hektar in den landschaftlich reizvollen Hügeln hoch über dem mittelalterlichen Städtchen Bordighera, direkt über dem Meer und nur wenige Kilometer von der französischen Grenze entfernt. Jahrhunderte alte Olivenbäume. Schmale Terrassen, durch Trockenmauern voneinander getrennt. Bougainvilleen, die den in den 1970er Jahren angelegten ältesten Weinberg von Familie Blancardi umrahmen. Ein Ort besonderer Ausstrahlung, der viel von der Magie erzählt, die Aris Blancardis der tristen Weinrealität so wunderbar entrückt wirkenden Weinen innewohnt.
Vermentino, Pigato, eine uralte Grenache-Varietät und Rossese, die große autochthone rote Rebsorte Liguriens. Biodynamisch bewirtschaftet und im Sinne der Naturweinbewegung zu atemberaubend eigensinnigen, berührend natürlichen und aufregend sinnlichen Weinen verarbeitet. Sie agieren selbstbewußt abseits von allem, was man aus Italien kennt. Vermentino und Pigato vergärt Aris so gekonnt auf der Maische, daß sie für uns die Referenz schlechthin sind für diese Art von Weißwein. Nur Benjamin Zidarich aus dem Karst kommt ihm diesbezüglich gleich. Und Aris´ Rossese ist, sofern man ihn zu schätzen weiß, eine Offenbarung in Identität und Eigenart. In Ligurien unerreicht. Die Weine von Selvadolce haben ihren Preis, rechtfertigen ihn aber sinnlich wie intellektuell mit jedem Schluck. Ein Glücksgriff besonderer Art.
Piemont: Timorasso
Dieser merkwürdige Name steht für eine charaktervolle Weißweinsorte aus den Colli Tortonesi im Südosten des Piemont. Dort passiert gerade Aufregendes, denn dort sind Grund Boden noch bezahlbar, weshalb sich viele junge Leute dort niedergelassen haben, um sich eine Existenz in Landwirtschaft oder Wein aufzubauen. Wie Chiara Penati (Bild) und ihr Lebensgefährte Michele. Ihr Lebensprojekt »Oltretorrente« (Jenseits des Baches) beginnt im Jahr 2010. Bis dahin haben die beiden in Mailand Landwirtschaft studiert, mit Wein aber nicht viel zu tun. Sie beginnen nebenbei in Weingütern erste Erfahrungen zu sammeln. Das Metier gefällt ihnen so, daß sie schließlich beschließen, das Wagnis einzugehen, im eigenen Wein das umzusetzen, was sie im Studium gelernt haben.
Heute bewirtschaften die beiden knapp 6 Hektar Reben biologisch zertifiziert. Sie haben ein zweckmäßiges neues Kellereigebäude gebaut und ihre Weine, die sie im Sinne der Naturweinbewegung produzieren, gehen bereits in alle Welt. Chiara und Michele haben sich einen Namen gemacht mit Rotweinen, die von uralten Barbera-Reben stammen, die in den Colli Tortonesi oft noch im Mischsatz mit alten lokalen Rebsorten stehen, die sie gemeinsam keltern. Uns hat ihr wunderbarer Timorasso zusammengebracht, jene rare weiße Rebsorte eigenwilliger Ausstrahlung, die trotz kraftvollen Alkohols einen der interessantesten Weißweine Italiens hervorbringt. Neu im Programm.


Einmalig: Die Karstweine von Zidarich
Die Karstweine aus dem südlichsten Zipfel des Friaul, wenige Kilometer vor Triest, kennen nur eingefleischte Italienkenner. Es ist eine stille Ecke Italiens unweit der Grenze zu Slowenien, in der ein paar wenige Weinbaubetriebe auf dünner Auflage eisenhaltig roten Bodens, der auf weißem Karstmarmor (Carso) liegt, einem Kalkgestein mit hohem Gehalt an Calciumkarbonat, charaktervolle Weiß- und Rotweine produzieren, die es verdient hätten bekannter zu sein als sie es sind. Dort sticht Benjamin Zidarich mit seinen hefetrüben, maischevergorenen Weißweinen und raffiniert kühl strukturierten Rotweinen aus den autochthonen Rebsorten des Karst einsam heraus. Vitovska, die weiße Leitrebsorte des Karst, hat er vor dem Aussterben gerettet.
Benjamin Zidarich wehrt sich gegen die Bezeichnung »Orange-Wein« für seine Weißweine. Für ihn sind es traditionelle Karstweine, die er im Sinne östlich-georgischer Ausbau-Tradition nicht durch Schwefelung konserviert, sondern durch die antioxidative Wirkung der Gerbstoffe aus den weißen Beerenschalen, die er je nach Jahrgang so gekonnt wie wenige andere über mehrere Tage oder Wochen extrahiert. Und er vertraut der reduktiven Kraft der natürlichen Hefe, die seine Weine stets leicht hefetrüb macht. Benjamins grandiose Weine waren also schon »Natur«, als die Naturweinbewegung noch gar nicht existierte. Avantgardistisch unmodisch, zeitlos archaisch, provozierend ungeschminkt und absolut beeindruckend in Physis und Ausstrahlung. Große Weine von einem der großen (stillen) Winzer Italiens.
Die Inselweine Italiens
Sie finden kaum explizit Beachtung, die Inselweine Italiens. Einzig Sizilien hat es geschafft, weltweit Anerkennung zu finden durch seine einzigartigen Lagenweine (Contrade), die ein neues Bewusstsein für den Charakter der Herkunft im italienischen Weinbau auslösten. Mit den Weinen vom Etna ging ein Ruck durch Italiens Winzerschaft (zumindest durch den besonders engagierten Teil), der allerdings Preissteigerungen zur Folge hatte, die nicht für alle Weine vom Etna berechtigt sind .
Doch Italien hat noch andere Inselweine zu bieten, die eine Beachtung unbedingt wert sind. Uns interessieren Inselweine besonders, weil sie anders sind als Weine vom Festland. Inseln, auf denen Reben stehen, besitzen stets ein spezielles Klima. Da müssen die Reben ihren Feuchtigkeitsbedarf aus der Luftfeuchtigkeit decken, die vom Meer kommt und in den Morgenstunden auf den Blättern und am Boden kondensiert. Das hat Auswirkungen auf ihre Wurzelsysteme, den Ertrag und damit auf ihre geschmackliche Wirkung. Auf vielen Inseln sorgen angestammt lokale Rebsorten für ureigenen Insel-Charakter, den es so nur dort gibt (Sardinien, Ischia, Capri, Lipari, Pantelleria, Sizilien...). Viele Inselweine prägt zudem vulkanischer Boden, der je nach Morphologie und Zusammensetzung markante Wirkung zeigen kann, ein Aspekt der uns fasziniert, weil der Weinbau dort auf den jüngsten Böden der Erdgeschichte stattfindet, deren Anteil an organischen oder anorganischen Nährstoffen das Mundgefühl reproduzierbar beeinflußt. Auf Inseln weht zum Teil heftiger Wind, der die Weinbauern zu einer speziellen Form der Reberziehung zwingt, der Busch- oder auch Korb- oder Pfahlerziehung, die ihre Böden schont, aber mühsame Handarbeit voraussetzt und niedrigere Erträge produziert. Deshalb riechen und schmecken Inselweine besonders und tun dies auch besonders intensiv. Es sollte einleuchten, daß sie ob ihrer besonderen Produktionsbedingungen nicht »billig« sein können.
Ischia: Paradies auf dem Vulkan
Der Besuch auf der Tenuta del Cannavale führt in eine geradezu unwirkliche Realität. Da ist die vor Urzeiten in den Felsen gegrabene Natursteinhöhle, die keine Zufahrt besitzt, in der die Weine in spanischen Amphoren und georgischen Qvevri ausgebaut werden, wie man sie auf der Insel während archäologischer Grabungen zuhauf gefunden hat. Da sind die vielen kleinen Parzellen, auf denen die Reben in unberührter Natur mitten im grünen Zentrum der Insel fernab der Touristenströme an einem Abhang zwischen dem Monte Epomeo, dem erloschenen Vulkan Ischias, und dem in der Ferne schimmernden Golf von Neapel stehen. Da ist der zwischen Farnen und Bäumen versteckt liegende, von einem kleinen Holzschild angewiesene Zugang zum steilen Aufstieg auf schmalem, nicht befestigtem Pfad, der Cannavale fußläufig mit der Zivilisation verbindet. Cannavale ist ein Paradies. Der archaische Weinbau dort erinnert an den georgischen Kaukasus. Fast unwirklich schön ist es dort oben.
Die Geschwister Anna und Gennaro Manna sind von ihrer Art, Landwirtschaft zu betreiben, besessen. Sie haben daraus für sich ein Lebensprojekt gemacht, das ihnen ein besseres Leben ermöglichen soll. Diesen Anspruch leben sie auf Cannavale überzeugend. Man kann sich der Ausstrahlung dieses magischen Ortes und seiner tiefenentspannten Menschen kaum entziehen. Sie ist es, die für uns den Wert der archaischen Kulturweine von Anna und Gennaro ausmacht. Eine besondere Geschichte, die diese aufregend ruhigen und souverän in sich ruhenden Weißweine zu dem macht, was sie sind.


Lipari: Malvasia und Corinto Nero
Lipari liegt nördlich von Sizilien im südlichen tyrrhenischen Meer und gehört zu den sieben äolischen Inseln, die Teil der Region Sizilien sind und im Jahr 2000 Weltnaturerbe der UNESCO. wurden. Die sieben Inseln sind, jede für sich auf andere Weise, vom Vulkanismus geprägt, auf Stromboli rumort einer der aktivsten Vulkane der Welt rund um die Uhr.
Um Lipari zu besuchen, ist Reiselust angesagt, denn man muß sich in den Hafen des schönen Städtchens Milazzo im Norden Siziliens begeben, ab dem mehrmals täglich Tragflächen-Boote (»Aliscafi«) auf die Insel verkehren. Weinbau findet dort nur auf ca. 150 ha auf Salina und Lipari statt. Auf Lipari konzentriert er sich auf die traditionellen Weißweinsorten Catarratto Bianco und Malvasia di Lipari, die knackig frische, dichte und aromatisch würzige Weine hervorbringen. Bei den roten Reborten dominieren der autochthone Corinto Nero, sowie der sizilianische Nero d’Avola. Außerdem entsteht dort aus sonnengetrockneten Beeren der edelsüße Malvasia delle Lipari, der außerhalb Italiens aber kaum bekannt ist.
Die Tenuta di Castellaro ist ein visionärer Biobetrieb auf Lipari, der hinreißend charaktervolle Vulkanweine keltert, wie sie nirgendwo sonst so entstehen können. Ein magischer Ort im magischen Licht der äolischen Inselwelt.
Sizilien & Etna: Carricante & Nerello Mascalese
Sizilien ist eine Reise wert. Kulinarisch, kulturell und in Sachen Wein. Da faszinieren uns vor allem jene, die an den Ausläufern an der Nordseite wie auch der Südseite des Etna entstehen, des aktivsten Vulkans Europas. Ihre Lagen bieten ein eindrucksvolles Szenario auf beeindruckend schwarzen, tiefgründig lockeren Lava-Asche-Böden.
Neben anderen lokalen weißen Rebsorten prägen vor allem Carricante und Cataratto die Weißweine des Etna. Beide sind anderswo eher Füllstoff als Vordergrund, ihr starkes Wachstum macht enorme Erträge möglich. Doch das besondere Klima, die besondere Reberziehung und die Lavaböden am Etna sorgen für faszinierend eigenständigen Herkunftscharakter, der diese Rebsorten viel wertiger macht, als sie es anderswo sind. Typisch für den Etna sind auch die roten Rebsorten Nerello Mascalese und Nerello Cappuccio, die hier in der traditionellen Buschform (Alberello) stehen, nur gehalten von einer Stange aus Holz. Mühsame Handarbeit. Weinbau wie vor 2000 Jahren. Die Nerellos besitzen wenig Farbpigmente. Ihre Weine verblüffen deshalb mit schwacher Farbausbeute, strotzen dafür aber vor Gerbstoffen, die deutlich an Nebbiolo aus dem Piemont erinnern und auch dessen Reifepotential erreichen. Aus diesen Rebsorten produzieren Ciro Biondi und seine Frau Stefanie auf der Südseite des Etna in einem erloschenen Krater spektakulär eigensinnige Terroirweine, die auf der Zunge und im Kopf lange nachwirken. Einmal mehr die Faszination vulkanischer Böden.
