Wenn die Schale mit dem Saft ...
Orange-Wine heißt erst seit wenigen Jahren so. Vorher gab es den Weißwein mit der orangenen Farbe schon 6000 Jahre in Georgien. Von dort kommt er. Dort vergärt man rote wie weiße Trauben schon immer auf ihren Schalen, um ihren Wein so gegen Verderb zu schützen, den man anschließend in großen tönernen, in die Erde eingelassenen Amphoren reift. Ein Blick zurück in die Geschichte des Weines.
Das, was wir heute für Weißwein halten, hat mit dieser Geschichte herzlich wenig zu tun. Wir glauben zwar, daß Weißwein immer so war, wie wir ihn heute trinken, doch das ist falsch. Unser moderner »fruchtiger «Weißwein von heute ist nur ein Wimpernschlag in der Geschichte des Weines und könnte so schnell wieder verschwinden, wie er in den 1960er Jahren den Markt eroberte. Er verdankt sich ganz maßgeblich der damals rasant zunehmenden Verwendung industriell hergestellter Reinzuchthefen, der Erfindung der Abbeermaschine und der hydraulischen Presse, die schnell und in großem Maßstab die Beerenschalen vom Saft trennen konnte. Der in den 1950er Jahren in den USA erfundene kühlbare Edelstahltank tat das seine dazu und so entstanden dann im Namen des »Fortschritts« ab den 1970er Jahren jene glanzhellen, blitzblanken, »reinen«, »sauberen« und »fruchtigen« Weißweine, die bis heute den Markt weltweit dominieren. In den neunziger Jahren kamen zusätzlich die Enzyme auf, mit denen noch mehr Frucht aus den Beerenschalen und dem Saft zu holen war und sogar aus faulem, mit der Maschine geernteten Lesegut noch »saubere« Weißweine möglich wurden, die allerdings nach nicht mehr viel schmeckten, als nach bonbonartiger »Frucht«. In den Folgejahren vergor man dann auf der Jagd nach noch mehr Frucht bei immer tieferen Temperaturen, doch die Uniformität dieser Weine nervte dann sogar die fortschrittgläubigsten Winzer und man begann, die Gärtemperatur wieder anzuheben.
Doch bis heute bestimmt diese Art der Weinbereitung, die mittels Reinzuchthefen, Enzymen, Mannoproteinen und zahlreichen weiteren erlaubten Zusätzen Weißwein wie aus dem Baukasten konstruieren kann, die Vorstellungen der Weintrinker. Sie sind noch immer das Ideal für große Teile der Winzer- und Weintrinkerschaft.
Eine völlig unhistorische Sicht der Dinge ...
... denn Weißwein war über die letzten 6000 Jahre hinweg ganz anders. Bis Ende der 1950er Jahre lebte er zum einen von einer mehr oder weniger deftigen Schwefelung, zum anderen von Gerbstoffen, die ihm die Weinbereitung der Zeit mit auf den Weg gab. Damals wurden die Trauben unmittelbar nach der Lese noch im Weinberg in archaischen hölzernen Traubenmühlen samt Stielen und Stängeln gemahlen. Das ergab einen schmutzig aussehenden, trüben, an Putzwasser erinnernden Most, der braun oxidiert war, wenn er später am Tag ins große alte Holzfaß kam. Dort setzen sich die Trubstoffe ab, wenn das Lesegut gesund war setzte die natürliche spontane Gärung ein, die Reduktionskraft der natürlich vorhandenen Hefe drehte das Redoxpotential, der Most klärte sich von allein und blieb so lange stabil, bis er das erste Mal geschwefelt werden mußte.
So entstanden Weißweine legendärer Haltbarkeit mit dem ausgeprägten Charakter ihrer Herkunft, die damals aber nur in Jahrgängen möglich waren, in denen es die Natur gut mit Winzern und Trauben meinte. Wein gab es damals also längst nicht in jedem Jahr. Große Jahrgänge wie z. B. 1901 oder 1921 stehen heute dunkelbraun im Glas und sind herb und fast viskos im Mundgefühl von inzwischen fein gereiften Gerbstoffen geprägt, sie vermitteln aber Frische und Lebendigkeit im Trunk, die Gänsehaut und ungläubiges Staunen verursachen.
An dieser Stelle setzt der sogenannte »Orange-Wein« an:
Der englische Begriff »Orange« steht für Weißwein, der ähnlich dem Rotwein hergestellt wird. Er steht aber auch für die Gegenbewegung zu jenem banal fruchtigen, klinisch sauberen Weißwein von heute, dem man mittels der Manipulationen der modernen Önologie die Uniformität der Technik aufgezwängt hat.
Orangewein wird also aus weißen Rebsorten hergestellt, deren Trauben wie bei der Rotweinherstellung entrappt werden, also von Stiel und Stängel getrennt werden, die Beeren werden dann aber mitsamt ihrer Schalen im Saft mazeriert und vergoren. Auf diese Weise verleihen die Schalen dem Wein sowohl Farbe als auch Gerbstoffe. Diese durch die Schalen verursachte intensivere Farbe des Weins ist der Grund für die Bezeichnung »Orangewein«.
Durch die aus den Beerenschalen ausgelutschten Gerbstoffe besitzen diese Weißweine strukturelle Eigenschaften, die einem Rotwein ähnlicher sind als einem Weißwein. Die grundlegende Gemeinsamkeit aller Orange-Weine ist also der Kontakt der Schale mit dem Saft, wobei die Winzer mit der Dauer des Schalenkontaktes »spielen« - je nach Jahrgang, Rebsorte, Schalendicke und gewünschter Stilistik. Einige gewähren ihren Beeren nur ein paar Stunden Hautkontakt, andere wagen mehrere Monate. Zudem vergären immer mehr Orange-Wein-Produzenten nicht im Holz, sondern in Amphoren, wie es auch in Georgien noch immer praktiziert wird.
Aufgrund des verlängerten Hautkontaktes haben Orange-Weine also nicht nur eine veränderte Farbintensität, sie besitzen auch einen spürbar höheren Gerbstoffgehalt als der gewohnte »typische« Weißwein. Zudem weisen sie durch die aus den Schalen »ausgelutschten« Aromastoffe eine auffallend veränderte, irgendwie blumig intensive Aromatik auf, die eine ganz andere Sprache spricht, als die der entsprechenden Rebsorte aus konventioneller Weißweinbereitung.
Um diesen Weinen gerecht zu werden, muß man also in Duft und Mundgefühl umlernen, muß sich umstellen und versuchen, die so andere Geruchs- und Geschmackswirkung dieser Weine zu lernen. So erzeugen die Gerbstoffe aus den Beerenschalen eine Textur, ein Mundgefühl, das sich auf der Zunge sowohl trocken als auch herb bitter anfühlt und die geschmackliche Wahrnehmung vor allem in Kombination mit Essen völlig verändert.
Orange-Weine behalten ihr spezielles weißes Traubenprofil, besitzen aber die physische Substanz und Wirkung eines Rotweins; je länger der Winzer die Beeren auf der Maische, also auf den Schalen, mazerieren läßt, je mehr verschiebt sich dieses Geschmacksprofil mit der Textur, um so »phenolischer«, also herber und trockener, wird es im Mundgefühl.
Das Orange im Wein ist also eine Herausforderung an die eigene geschmackliche Gewohnheit. Im ersten Kontakt sind viele Weintrinker geschockt von solchen Weinen. Sie lehnen sie ab, weil sie ganz andere und vor allem viel mehr Informationen vermitteln, als der moderne fruchtige Weißwein, den sie kennen. Orange-Weine fühlen sich grundsätzlich anders an im Mund. Doch unsere Erfahrung zeigt, daß sich viele Weintrinker schnell an die so andere interessante Dimension dieser Weine gewöhnen. Unter jungen Weintrinkern sind Orange-Weine längst Gewohnheit und gang und gäbe im Glas.
Was man noch wissen sollte:
• Orange-Weine sind nur aus kerngesundem, handverlesenem Traubengut zu produzieren. Deshalb gibt es sie aus konventionellem Anbau kaum. Es reicht eine Traube mit Essigstich und die ganze Partie kippt um. Orange-Weine mögen äußerlich unsauber wirken, weil sie meist unfiltriert abgefüllt werden, sie sind aber chemisch und biologisch sehr viel sauberer im besten Sinne, weil sie aus viel gesünderen und besser mit Nährstoffen versorgten Trauben entstehen, als viel glanzhell geschönte Weißweine, die im Glas »sauber« aussehen, tatsächlich aber aus nachlässig angebautem, faulem und ungesundem Lesegut gekeltert wurden, dem Enzyme und Schönungen die Spritzmittelreste und die unsauberen Aromen der maschinellen Ernte entfernten.
• Orange-Weine enthalten oft wenig oder gar keinen Schwefel, weil ihre Gerbstoffe antioxidativ wirken, sie verhindern die Oxidation. Sie brauchen chemisch keinen Schwefel, sind natürlich stabil. Man kann sie also nach dem Öffnen der Flasche oft über Wochen genießen, wobei sich ihre Gerbstoffketten verlängern und der Wein feiner wird, weniger herb erscheint, also zunehmend freundlicher aus dem Glas lacht.
• In den Beerenschalen und vor allem in den Rappen, also den Stielen und Stängeln, an denen die Beeren hängen, steckt viel Kalium und Calcium. Wenn man sie in Kontakt mit dem gärenden Most bringt, löst dieser die beiden Salze aus und es kommt zu verstärkter Weinsteinbildung (Kaliumtartrat), die nichts anderes ist als eine natürliche Entsäuerung. Je nach Anteil an Schale und Rappen im Most wird der Wein also entsäuert und dadurch geschmacklich milder, weicher und ggf. etwas üppiger. Deshalb ist man in heißen und trockenen Jahren, in denen die Säure ohnehin schon niedrig ist, vorsichtig mit dem Maischekontakt, in kühlen, »sauren« Jahren aber ist diese Entsäuerung willkommen und wird gerne genutzt. Deshalb ernten Orange-Wein-Winzer ihre Trauben heute oft früher, um nicht nur den Alkohol im Zaum zu halten, sondern zugleich den Effekt der Entsäuerung geschmacklich nutzen zu können. Ein Drahtseilakt, der nicht immer gelingt.
Wein im Wandel: Noch vor wenigen Jahren waren die Offiziellen des deutschen Weines strikt gegen jede Art des Maischekontaktes. Heute gibt es kaum ein großes Gewächs aus deutscher Produktion, das nicht wenigstens ein paar Stunden Schalenkontakt hatte. So ändert sich der Zeitgeist und mit ihm der Geschmack. Es lohnt sich also, sich mit dem Phänomen der orangenen Weine zu beschäftigen, weil der Schalenkontakt längst Eingang gefunden hat in die Weinbereitung von heute.
Taugen Orange-Weine als Essensbegleiter?
Orange-Weine taugen hervorragend als Essensbegleiter. Sie besitzen ausgeprägte Salzigkeit an den Zungenrändern in einer physisch spürbaren, an Rotwein erinnernden Substanz im Mundgefühl, das matt wirkt, herb und trocken, ganz anders als »normaler« Weißwein, weil es den Mund deutlich spürbar mit Gerbstoffen = Phenolen ausfüllt.
Sie harmonieren hervorragend zu präziser Küche, die proteinhaltig und eher salzig im Grundcharakter ist, also zu Fisch, japanischem Miso als Würze, zu Sushi und Sashimi und zu ausgereizt präzisen vegetarischen Gerichten. Hier tun sich, vor allem durch die völlig andere Physis der Orange-Weine, neue Anwendungsbereiche in der Speisen-Wein-Kombination auf. Es ist übrigens erstaunlich, wie schnell sich die eigenen Geschmacksgewohnheiten dem neuen Weinerlebnis »Orange-Wein« anpassen. Das werden Sie an sich auch erleben ...
K&U® MK 2021
Wenn die Schale mit dem Saft ...
Orange-Wine heißt erst seit wenigen Jahren so. Vorher gab es den Weißwein mit der orangenen Farbe schon 6000 Jahre in Georgien. Von dort kommt er. Dort vergärt man rote wie weiße Trauben schon immer auf ihren Schalen, um ihren Wein so gegen Verderb zu schützen, den man anschließend in großen tönernen, in die Erde eingelassenen Amphoren reift. Ein Blick zurück in die Geschichte des Weines.
Das, was wir heute für Weißwein halten, hat mit dieser Geschichte herzlich wenig zu tun. Wir glauben zwar, daß Weißwein immer so war, wie wir ihn heute trinken, doch das ist falsch. Unser moderner »fruchtiger «Weißwein von heute ist nur ein Wimpernschlag in der Geschichte des Weines und könnte so schnell wieder verschwinden, wie er in den 1960er Jahren den Markt eroberte. Er verdankt sich ganz maßgeblich der damals rasant zunehmenden Verwendung industriell hergestellter Reinzuchthefen, der Erfindung der Abbeermaschine und der hydraulischen Presse, die schnell und in großem Maßstab die Beerenschalen vom Saft trennen konnte. Der in den 1950er Jahren in den USA erfundene kühlbare Edelstahltank tat das seine dazu und so entstanden dann im Namen des »Fortschritts« ab den 1970er Jahren jene glanzhellen, blitzblanken, »reinen«, »sauberen« und »fruchtigen« Weißweine, die bis heute den Markt weltweit dominieren. In den neunziger Jahren kamen zusätzlich die Enzyme auf, mit denen noch mehr Frucht aus den Beerenschalen und dem Saft zu holen war und sogar aus faulem, mit der Maschine geernteten Lesegut noch »saubere« Weißweine möglich wurden, die allerdings nach nicht mehr viel schmeckten, als nach bonbonartiger »Frucht«. In den Folgejahren vergor man dann auf der Jagd nach noch mehr Frucht bei immer tieferen Temperaturen, doch die Uniformität dieser Weine nervte dann sogar die fortschrittgläubigsten Winzer und man begann, die Gärtemperatur wieder anzuheben.
Doch bis heute bestimmt diese Art der Weinbereitung, die mittels Reinzuchthefen, Enzymen, Mannoproteinen und zahlreichen weiteren erlaubten Zusätzen Weißwein wie aus dem Baukasten konstruieren kann, die Vorstellungen der Weintrinker. Sie sind noch immer das Ideal für große Teile der Winzer- und Weintrinkerschaft.
Eine völlig unhistorische Sicht der Dinge ...
... denn Weißwein war über die letzten 6000 Jahre hinweg ganz anders. Bis Ende der 1950er Jahre lebte er zum einen von einer mehr oder weniger deftigen Schwefelung, zum anderen von Gerbstoffen, die ihm die Weinbereitung der Zeit mit auf den Weg gab. Damals wurden die Trauben unmittelbar nach der Lese noch im Weinberg in archaischen hölzernen Traubenmühlen samt Stielen und Stängeln gemahlen. Das ergab einen schmutzig aussehenden, trüben, an Putzwasser erinnernden Most, der braun oxidiert war, wenn er später am Tag ins große alte Holzfaß kam. Dort setzen sich die Trubstoffe ab, wenn das Lesegut gesund war setzte die natürliche spontane Gärung ein, die Reduktionskraft der natürlich vorhandenen Hefe drehte das Redoxpotential, der Most klärte sich von allein und blieb so lange stabil, bis er das erste Mal geschwefelt werden mußte.
So entstanden Weißweine legendärer Haltbarkeit mit dem ausgeprägten Charakter ihrer Herkunft, die damals aber nur in Jahrgängen möglich waren, in denen es die Natur gut mit Winzern und Trauben meinte. Wein gab es damals also längst nicht in jedem Jahr. Große Jahrgänge wie z. B. 1901 oder 1921 stehen heute dunkelbraun im Glas und sind herb und fast viskos im Mundgefühl von inzwischen fein gereiften Gerbstoffen geprägt, sie vermitteln aber Frische und Lebendigkeit im Trunk, die Gänsehaut und ungläubiges Staunen verursachen.
An dieser Stelle setzt der sogenannte »Orange-Wein« an:
Der englische Begriff »Orange« steht für Weißwein, der ähnlich dem Rotwein hergestellt wird. Er steht aber auch für die Gegenbewegung zu jenem banal fruchtigen, klinisch sauberen Weißwein von heute, dem man mittels der Manipulationen der modernen Önologie die Uniformität der Technik aufgezwängt hat.
Orangewein wird also aus weißen Rebsorten hergestellt, deren Trauben wie bei der Rotweinherstellung entrappt werden, also von Stiel und Stängel getrennt werden, die Beeren werden dann aber mitsamt ihrer Schalen im Saft mazeriert und vergoren. Auf diese Weise verleihen die Schalen dem Wein sowohl Farbe als auch Gerbstoffe. Diese durch die Schalen verursachte intensivere Farbe des Weins ist der Grund für die Bezeichnung »Orangewein«.
Durch die aus den Beerenschalen ausgelutschten Gerbstoffe besitzen diese Weißweine strukturelle Eigenschaften, die einem Rotwein ähnlicher sind als einem Weißwein. Die grundlegende Gemeinsamkeit aller Orange-Weine ist also der Kontakt der Schale mit dem Saft, wobei die Winzer mit der Dauer des Schalenkontaktes »spielen« - je nach Jahrgang, Rebsorte, Schalendicke und gewünschter Stilistik. Einige gewähren ihren Beeren nur ein paar Stunden Hautkontakt, andere wagen mehrere Monate. Zudem vergären immer mehr Orange-Wein-Produzenten nicht im Holz, sondern in Amphoren, wie es auch in Georgien noch immer praktiziert wird.
Aufgrund des verlängerten Hautkontaktes haben Orange-Weine also nicht nur eine veränderte Farbintensität, sie besitzen auch einen spürbar höheren Gerbstoffgehalt als der gewohnte »typische« Weißwein. Zudem weisen sie durch die aus den Schalen »ausgelutschten« Aromastoffe eine auffallend veränderte, irgendwie blumig intensive Aromatik auf, die eine ganz andere Sprache spricht, als die der entsprechenden Rebsorte aus konventioneller Weißweinbereitung.
Um diesen Weinen gerecht zu werden, muß man also in Duft und Mundgefühl umlernen, muß sich umstellen und versuchen, die so andere Geruchs- und Geschmackswirkung dieser Weine zu lernen. So erzeugen die Gerbstoffe aus den Beerenschalen eine Textur, ein Mundgefühl, das sich auf der Zunge sowohl trocken als auch herb bitter anfühlt und die geschmackliche Wahrnehmung vor allem in Kombination mit Essen völlig verändert.
Orange-Weine behalten ihr spezielles weißes Traubenprofil, besitzen aber die physische Substanz und Wirkung eines Rotweins; je länger der Winzer die Beeren auf der Maische, also auf den Schalen, mazerieren läßt, je mehr verschiebt sich dieses Geschmacksprofil mit der Textur, um so »phenolischer«, also herber und trockener, wird es im Mundgefühl.
Das Orange im Wein ist also eine Herausforderung an die eigene geschmackliche Gewohnheit. Im ersten Kontakt sind viele Weintrinker geschockt von solchen Weinen. Sie lehnen sie ab, weil sie ganz andere und vor allem viel mehr Informationen vermitteln, als der moderne fruchtige Weißwein, den sie kennen. Orange-Weine fühlen sich grundsätzlich anders an im Mund. Doch unsere Erfahrung zeigt, daß sich viele Weintrinker schnell an die so andere interessante Dimension dieser Weine gewöhnen. Unter jungen Weintrinkern sind Orange-Weine längst Gewohnheit und gang und gäbe im Glas.
Was man noch wissen sollte:
• Orange-Weine sind nur aus kerngesundem, handverlesenem Traubengut zu produzieren. Deshalb gibt es sie aus konventionellem Anbau kaum. Es reicht eine Traube mit Essigstich und die ganze Partie kippt um. Orange-Weine mögen äußerlich unsauber wirken, weil sie meist unfiltriert abgefüllt werden, sie sind aber chemisch und biologisch sehr viel sauberer im besten Sinne, weil sie aus viel gesünderen und besser mit Nährstoffen versorgten Trauben entstehen, als viel glanzhell geschönte Weißweine, die im Glas »sauber« aussehen, tatsächlich aber aus nachlässig angebautem, faulem und ungesundem Lesegut gekeltert wurden, dem Enzyme und Schönungen die Spritzmittelreste und die unsauberen Aromen der maschinellen Ernte entfernten.
• Orange-Weine enthalten oft wenig oder gar keinen Schwefel, weil ihre Gerbstoffe antioxidativ wirken, sie verhindern die Oxidation. Sie brauchen chemisch keinen Schwefel, sind natürlich stabil. Man kann sie also nach dem Öffnen der Flasche oft über Wochen genießen, wobei sich ihre Gerbstoffketten verlängern und der Wein feiner wird, weniger herb erscheint, also zunehmend freundlicher aus dem Glas lacht.
• In den Beerenschalen und vor allem in den Rappen, also den Stielen und Stängeln, an denen die Beeren hängen, steckt viel Kalium und Calcium. Wenn man sie in Kontakt mit dem gärenden Most bringt, löst dieser die beiden Salze aus und es kommt zu verstärkter Weinsteinbildung (Kaliumtartrat), die nichts anderes ist als eine natürliche Entsäuerung. Je nach Anteil an Schale und Rappen im Most wird der Wein also entsäuert und dadurch geschmacklich milder, weicher und ggf. etwas üppiger. Deshalb ist man in heißen und trockenen Jahren, in denen die Säure ohnehin schon niedrig ist, vorsichtig mit dem Maischekontakt, in kühlen, »sauren« Jahren aber ist diese Entsäuerung willkommen und wird gerne genutzt. Deshalb ernten Orange-Wein-Winzer ihre Trauben heute oft früher, um nicht nur den Alkohol im Zaum zu halten, sondern zugleich den Effekt der Entsäuerung geschmacklich nutzen zu können. Ein Drahtseilakt, der nicht immer gelingt.
Wein im Wandel: Noch vor wenigen Jahren waren die Offiziellen des deutschen Weines strikt gegen jede Art des Maischekontaktes. Heute gibt es kaum ein großes Gewächs aus deutscher Produktion, das nicht wenigstens ein paar Stunden Schalenkontakt hatte. So ändert sich der Zeitgeist und mit ihm der Geschmack. Es lohnt sich also, sich mit dem Phänomen der orangenen Weine zu beschäftigen, weil der Schalenkontakt längst Eingang gefunden hat in die Weinbereitung von heute.
Taugen Orange-Weine als Essensbegleiter?
Orange-Weine taugen hervorragend als Essensbegleiter. Sie besitzen ausgeprägte Salzigkeit an den Zungenrändern in einer physisch spürbaren, an Rotwein erinnernden Substanz im Mundgefühl, das matt wirkt, herb und trocken, ganz anders als »normaler« Weißwein, weil es den Mund deutlich spürbar mit Gerbstoffen = Phenolen ausfüllt.
Sie harmonieren hervorragend zu präziser Küche, die proteinhaltig und eher salzig im Grundcharakter ist, also zu Fisch, japanischem Miso als Würze, zu Sushi und Sashimi und zu ausgereizt präzisen vegetarischen Gerichten. Hier tun sich, vor allem durch die völlig andere Physis der Orange-Weine, neue Anwendungsbereiche in der Speisen-Wein-Kombination auf. Es ist übrigens erstaunlich, wie schnell sich die eigenen Geschmacksgewohnheiten dem neuen Weinerlebnis »Orange-Wein« anpassen. Das werden Sie an sich auch erleben ...
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